2. Bundesliga
Dormagen rätselt und Essen dominiert
TSV Bayer wusste nach 23:23 gegen Coburg nicht genau, wie sich der Punkt im Abstiegskampf anfühlen sollte. TuSEM hatte beim 34:25 gegen Dresden alles im Griff.

Hoch, höher, Grbavac: Rückraumspieler Ante Grbavac (beim Wurf, hier im Heimspiel gegen den ASV Hamm-Westfalen), steuerte zwei Treffer zum Unentschieden gegen Coburg bei. (Foto: Thomas Ellmann)

TSV Bayer Dormagen – HSC Coburg 23:23 (13:11). Das war die eine Seite der Medaille: Die Dormagener blieben nach dem 29:27 bei der SG BBM Bietigheim zum zweiten Mal hintereinander ungeschlagen und sicherten sich einen weiteren Punkt für den Kampf um den Klassenerhalt. Und das war die andere Seite: Es hätten zwei Zähler sein müssen – weil der Bundesliga-Absteiger aus Coburg den Gastgebern das Tor zu einem Erfolg immer wieder weit öffnete. Vielleicht muss das Team von Trainer Peer Pütz am Ende aber froh sein, dass es trotz der Torflaute in den letzten neun Minuten überhaupt zu einem Unentschieden reichte. Das immerhin lässt für die nächsten Wochen unverändert die Dormagener Hoffnung leben, dass der Weg ans rettende Ufer gelingt. Dort ist der TSV Bayer mit jetzt 12:30 Punkten weiter Vorletzter, liegt allerdings in Sichtweite zum EHV Aue (13:29) und zum TV Großwallstadt (15:29), der gegen die Eulen Ludwigshafen mit 27:29 den Kürzeren zog – und jetzt auf jenem Stuhl sitzt, der soeben zum Klassenerhalt reicht (Rang 17). Für Dormagens Regisseur Ian Hüter war das Ergebnis hinterher sowieso eher positiv zu sehen: „Das Unentschieden müssen wir so mitnehmen. Es muss ein gewonnener Punkt sein, weil wir jeden einzelnen davon brauchen.“

Auffällig bei den Gastgebern: Pütz begann früh mit der personellen Rotation, um die Last der Partie angesichts einiger personeller Ausfälle auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Der Plan funktionierte ganz gut, wie unter anderem Alexander Senden nach seiner Einwechslung für Ante Grbavac zeigte – der zuvor zwei Treffer erzielt hatte. Senden kam dann beim Stande von 7:8 (19.) und war innerhalb von 90 Sekunden zweimal zur Stelle – 8:8 (22.), 9:8 (23.). Nach dem 10:10 (25.) sorgte er fürs 11:10 (26.), ehe Aron Seesing und Lennart Leitz sogar auf 12:10 (28.) und 13:10 (28.) erhöhten. Nach der Pause schien Dormagen mit dem 16:13 (39.) weiter auf dem Weg zu einem Sieg zu sein, doch allmählich machte sich die zu schwache Chancenverwertung bemerkbar. Ein Beispiel: Nach dem 16:14 (40.) blieben drei Angriffe hintereinander ohne guten Abschluss.

Und als André Meuser nach Coburgs 17:17 (47.) eine Zeitstrafe aufgebrummt bekam, drohte Pütz‘ Team der Abend auf einmal zu entgleiten. Erstaunlich aber: Dormagen gewann die Unterzahl, weil Sören Steinhaus (48.) und Joshua Reuland (49.) das 19:17 gelang. Trotz der 21:19-Führung (51.) wurde es aber ein packendes Finale, in dem keine der Mannschaften einen Millimeter an Raum verschenke – 21:21 (54.), 22:22 (58.). Die Phase zwischen diesen beiden Treffern? Geprägt von einem allgemeinen Fehlerfestival. Die Phase danach? Unter anderem eine Frage der Nerven. Sören Steinhaus legte in der letzten Minute zunächst das 23:22 vor, ehe Merlin Fuß 20 Sekunden vor Schluss das 23:23 der Coburger schaffte. Dass Dormagen danach tatsächlich noch einmal den Ball verlor und der HSC beinahe zu einer letzten Wurfchance gekommen wäre, sagt vor allem das: Das Resultat ging vermutlich so in Ordnung.

Viel Zeit, um über den Abend nachzudenken, bleibt den Dormagenern nicht, denn die Jagd durch die Rückrunde geht bereits am Samstag bei der DJK Rimpar Wölfe weiter – die als Zwölfter (20:24 Punkte) sicher ebenfalls nichts zu verschenken hat. Trainer Pütz hofft, dass seine Mannschaft aus dem Duell mit Coburg die richtigen Lehren zieht. An der Einstellung hatte er gegen den HSC Coburg ohnehin nichts auszusetzen : „Ich denke, wir liefern in der Abwehr wieder einen guten Kampf. Wir haben dann am Ende ein, zwei Situationen, die wir besser lösen können. In der ersten Halbzeit haben wir eigentlich noch besser gedeckt, als wir Gegentore hatten. Vorn haben wir insgesamt einfach wieder zu viel verworfen. In der Endphase hatten wir auch Pech bei ein oder zwei Durchbrüchen, wo es einen Siebenmeter geben müsste. Coburg war aber nicht zufällig letztes Jahr noch in der 1. Liga.“

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Reuland (5/3), Meuser (3), Leitz (2), Senden (3), Eugler, Rehfus, Ian Hüter (2), Stein, Zurga, P. Hüter (2), Grbavac (2), Seesing (2), Steinhaus (2), Mast.

TuSEM Essen – HC Elbflorenz Dresden 34:25 (14:13). Einen so ruhigen und entspannten Abend hatten sie in Essen wohl lange nicht mehr und die offiziell 673 Zuschauer in der Sporthalle Am Hallo konnten sich über einen ebenso klaren wie verdienten Erfolg des TuSEM freuen. Dass die Angelegenheit am Ende so einseitig verlief, hatten die Hausherren dabei vor allem einem Mann zu verdanken: Keeper Sebastian Bliß parierte im Laufe der Partie zahlreiche Versuche der Dresdener – darunter einige freie Bälle und vor allem auch oft genau zum richtigen Zeitpunkt. So bekamen die Gäste nie die Chance, zurück ins Spiel zu finden oder die Begegnung gar zu drehen. Am Ende führte die offizielle Statistik der HBL Bliß bei starken 17 gehaltenen Bällen und einer Quote von 40,48 Prozent. Damit war der Torhüter der richtige Rückhalt für eine ansonsten ebenfalls anständige Mannschaftsleistung der Hausherren. „Das war ein hochverdienter Sieg, wir haben sehr disziplinierten Handball gespielt“, fand TuSEM-Trainer Jamal Naji, „wir haben unseren Stiefel runtergespielt und wir hatten in der zweiten Halbzeit auch eine gute Torhüterleistung. Wir haben sehr breit über die Außen gespielt. Das war für mich der Schlüssel zum Erfolg.“

Der TuSEM fand gut in die Begegnung und legte eine 5:1-Führung vor (7.). Im Anschluss nahmen auch die Dresdener an der Partie teil und blieben erst dran (13./9:5), bevor drei Gäste-Treffer in Folge sogar das 9:8 bedeuteten (16.). In den nächsten Minuten fanden die Sachsen jedoch kaum einen Weg an der stabilen Essener Deckung um Torhüter Bliß vorbei, sodass die Mannschaft auf 14:9 wegzog (25.). Hätte der TuSEM diese Phase etwas konsequenter gestaltet, wäre die Partie vielleicht schon zur Pause entschieden gewesen. Doch stattdessen kam Dresden erneut ran – unter anderem durch drei Tore innerhalb der letzten 110 Sekunden (30./14:13.).

Die Gäste hatten mit dem Ballbesitz nach dem Wiederbeginn die Chance zum Ausgleich, doch Nils Holger Kretschmer scheiterte mit seinem Siebenmeter an Bliß (31.). Essen lag in der Folge immer vorne und zog wenig später vom 17:16 (36.) auf 20:16 (38.) weg. Die folgende Auszeit durch Elbflorenz-Coach Rico Göde änderte an den Verhältnissen wenig und irgendwie lag eine Wende nie in der Luft. Die kurioseste Szene des Abends gab es dann in der 47. Minute: Beim Stande von 24:21 foulte Lukas Becher Dresdens René Zobel. Die Schiedsrichter ließen erst den Vorteil für die Gäste laufen, der sodann mit der nächsten starken Parade von Bliß endete. Im Anschluss hatten die Unparteiischen wohl etwas die Übersicht verloren. Zunächst sollte Zobel eine Zeitstrafe erhalten. Nach kurzer Aufklärung und ohne jeden Essener Protest verließ dann jedoch der wahre Übeltäter Becher die Platte.

Bezeichnend: Die Überzahl konnte keineswegs Dresden nutzen, um wieder heranzukommen. Stattdessen gelang dem TuSEM durch einen Doppelpack von Jonas Ellwanger innerhalb weniger Sekunden das 26:21 (48.) und damit eine moralische Entscheidung. Elbflorenz fand keine Antwort mehr und spätestens nach dem 28:21 (54.) durch Lukas Firnhaber (54.) bestanden am Essener Erfolg keine Zweifel mehr. Der letzte Versuch der Gäste mit einer offensiveren Deckung führte in der Schlussphase lediglich dazu, dass Najis Team die zusätzlichen Räume nutzte, um den Vorsprung noch weiter auszubauen. „Wir waren über 60 Minuten hochemotional“, sagte der zufriedene TuSEM-Trainer, „wir haben trotz des erneuten Ausfalls von Justin Müller und Tim Rozman ein Stück weit klüger gespielt, was die Tempofrequenz angeht.“

Durch den verdienten Erfolg bleibt TuSEM als Siebter mit jetzt 25:19 Punkten am oberen Tabellendrittel dran. Die nächste Chance, das Konto aufzustocken, bietet sich am kommenden Samstag beim HSC 2000 Coburg, der am Mittwochabend in Dormagen nicht über ein 23:23 hinauskam. Der Mitabsteiger aus der 1. Bundesliga hängt mit 19:25 Zählern auf Rang 14 den eigenen Erwartungen deutlicher hinterher und muss den Blick eventuell sogar ein wenig Richtung Abstiegszone richten. Klar: Einfacher dürfte diese Aufgabe für den TuSEM deswegen nicht werden.

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Beyer (6/2), Ellwanger (4), Glatthard, Kämper (1), Reidegeld (1), Dangers, Becher (5), Ignatow, Szczesny (1), Bergner (3), Firnhaber (7), Seidel (1), Morante Maldonado (2), Klingler (3).