Regionalliga Nordrhein
Überraschung in Korschenbroich, irres Finale in Rheinhausen
HG Remscheid gewinnt Nachholspiel am Ende klar mit 35:24 beim Zweiten TVK. OSC dreht 13:21 gegen fassungslose HSG Siebengebirge zum 25:24-Sieg.

Ist es bald vorbei? Korschenbroichs Trainer Dirk Wolf sah lange eine kämpferisch überzeugende Mannschaft, der aber auf der Zielgeraden vollständig die Energie ausging. (Foto: Michael Jäger)

TV Korschenbroich – HG Remscheid 25:34 (11:14). Eben noch komplett frustriert, am Mittwochabend zurück auf Wolke sieben: Remscheid erlebte innerhalb von vier Tagen einen Ausflug in komplett unterschiedliche Gefühlswelten. Das Team von Trainer Alexander Zapf hatte bei der 24:33-Niederlage gegen den TV Aldekerk erkennen müssen, dass der Weg bis nach ganz vorne vielleicht doch noch sehr weit ist – weil die zu den Titelkandidaten zählenden Gäste eine Nummer zu groß waren. Das mit dem Titelkandidaten traf/trifft ähnlich auch auf den TVK zu, die Nummer zwei in der Regionalliga hinter dem Tabellenführer Interaktiv.Handball. Also hatten sich die Remscheider fürs Nachholspiel zumindest auf eine vergleichbar hohe Hürde eingerichtet – und sich damit offensichtlich selbst etwas zu wenig zugetraut. Zapf konnte nach dem starken Auftritt in der Waldsporthalle nur staunen: „Das war ein grandioses Spiel von uns.“ Größter Nutznießer des Abends war wohl eben Interaktiv, das seine Position an der Spitze durch den Korschenbroicher Ausrutscher ohne eigenes Zutun ein Stück festigen konnte. Mit 26:6 Punkten liegen die Ratinger weiter vor dem TVK (24:6), der durch einen Sieg über Remscheid die Spitze übernommen hätte, dem HC Gelpe/Strombach (23:13), der auf Rang vier zurückgekehrten HGR (22:12) und den Aldekerkern (21:7), die durch ihr 29:30 am Dienstagabend bei der um den Klassenerhalt kämpfenden SG Langenfeld für die erste Wochen-Überraschung gesorgt hatten.

Remscheid erwischte die Hausherren mit einem Blitzstart auf dem falschen Fuß – 7:1 (11.), 10:3 (13.). Die Partie wurde nun insgesamt ausgeglichener und der TVK robbte sich übers 7:12 (23.) und 8:13 (25.) durch drei Treffer hintereinander auf 11:13 (28.) heran, ehe er nach der Pause aus dem 13:16 (34.) sogar eine Partie auf Augenhöhe machte und immer wieder den Anschluss herstellte – 15:16 (37.), 17:18 (40.), 18:19 (41.). Nach drei Remscheider Toren zum 23:18 (43.) ging allerdings alles relativ schnell und bereits mit dem 27:21 (49.) war die Entscheidung gefallen, weil Korschenbroich keine Mittel mehr für eine weitere Gegenwehr fand. Auch deshalb konnten sich die konsequent nachsetzenden Gäste vom 27:22 (50.) bis in einen zweistelligen Bereich absetzen – 31:22 (56.), 32:22 (57.), 33:23 (57.). Der Rest der Partie war anschließend eine Formsache für die einen – und Korschenbroich wenig später wohl ausnahmsweise froh über die Schluss-Sirene.

TVK-Coach Wolf war trotz des enttäuschenden Resultats weit davon entfernt, seiner Mannschaft einen Vorwurf zu machen: „Wir sind aufgrund der Chancenauswertung nicht gut ins Spiel gekommen. Wir sind am Torwart gescheitert, am Pfosten oder an der Wand. Nach dem 1:7 haben wir das Spiel irgendwann wieder ein bisschen offener gestalten können. In der zweiten Halbzeit sind wir noch mal gut rangekommen, aber wie es in der Situation gerade ist: Durch die vielen Ausfälle fehlten irgendwann die Luft und die Konzentration. Es fehlten die Körner, dass wir sagen, wir können das Spiel drehen. Zum Ende hin sind ein bisschen die Dämme gebrochen. Remscheid hat heute einen guten Job gemacht, sie haben ihre Qualität auf die Platte gebracht. Meinen Jungs muss ich trotz allem ein Lob aussprechen, das Spiel heute noch so zu gestalten.“ Kollege Zapf auf der anderen Seite nahm es natürlich gerne entgegen, dass seine Mannschaft einen guten Job erledigt habe – was aus seiner Sicht über Teilstrecken der ersten Halbzeit und besonders in der zweiten der Fall war. „Wir halten in entscheidenden Phasen immer dagegen – mit einem super Linus Mathes im Tor, der uns immer wieder die Bälle gibt. Ab Minute 42 spielen wir das einfach überragend. Wir hatten heute auch einen individuell unfassbar starken Michael Heimansfeld und einen sehr guten Philipp Hinkelmann, der endlich getroffen hat. Außerdem decken wir hervorragend. Es war eine tolle Teamleistung, die uns einen sehr, sehr geilen Auswärtssieg bringt.“

Das Problem der HGR: Ganz viel Zeit bleibt nicht, um das Hochgefühl auszukosten – im Gegenteil. Und am Samstag (19 Uhr) wartet eine Aufgabe, die viel schwieriger nicht sein könnte, weil es ein Duell beim am anderen Ende der Tabelle angesiedelten TV Rheinbach gibt. Der Vorletzte (8:24 Punkte) steht im Kampf um den Klassenerhalt mit dem Rücken zur Wand, sodass Remscheid für einen Erfolg zumindest wieder hundert Prozent Einsatz und Leidenschaft braucht. Diese beiden Eigenschaften zumindest werden ihnen die Rheinbacher auf jeden Fall entgegensetzen. TVR-Trainer Dietmar Schwolow bezieht gleichzeitig seine Zuversicht vor allem daraus, dass die Rheinbacher zuletzt im Anschluss an eine wochenlange Corona-Zwangspause trotz des 24:29 in Rheinhausen eine anständige Leistung ablieferten. Außerdem sieht es so aus, dass er personell aus dem Vollen schöpfen kann. Weiß Remscheid allerdings auch diese nicht einfache Aufgabe in Rheinbach zu lösen, könnte das Heimspiel am 1. April (20 Uhr, Neuenkamp) gegen Interaktiv ein echtes Handballfest werden.

TV Korschenbroich: Jäger, Graedtke – Schiffmann (6), Wistuba (1), Zidorn (5), Wolf (2), Tobae (2), Kauwetter (1), Biskamp (7/4), Neven, Schneider (1).

HG Remscheid: Geske, Mathes – Heimansfeld (8), Pflüger (1), P. Hinkelmann (5), Hertz (1), Luciano (5), F. Hinkelmann, Handschke (2), Jansen (5/4), Rath (3), Hermann (4).

 

OSC Rheinhausen – HSG Siebengebirge 25:24 (10:13). Es war eine der irrwitzigsten Wendungen in der bisherigen Saison. Lange deutete nichts, aber auch gar nichts darauf hin, dass sich die Rheinhausener die nächsten beiden Punkte und mehr Sicherheit würden verschaffen können. Schlusslicht Siebengebirge, im Kampf gegen den Abstieg auf jeden einzelnen Zähler dringend angewiesen, führte in der 44. Minute mit 21:13. Bjarne Steinhaus (39./Siebenmeter), Philipp Krefting (41.) und Alexander Koch (44.) hatten durch drei Treffer in Folge nach dem 18:13 (39.) gerade die Führung weiter ausgebaut. Was sich dann abspielte, löste auf der einen Seite riesige Erleichterung aus – und auf der anderen allgemeine Fassungslosigkeit. „Eine tolle kämpferische Leistung und Moral, zwei ganz wichtige Punkte. Respekt an Team und Trainer“, fand Olaf Mast, der Sportliche Leiter des OSC. HSG-Trainer Lars Degenhardt fasste das Geschehen für Siebengebirge treffend zusammen: „Das war ein verrücktes Spiel und ist für uns ein ganz bitterer Abend.“ Während Rheinhausen sein Konto auf 14:18 Zähler stellte und auf den neunten Platz kletterte, verschärfte sich für Siebengebirge die ohnehin enge Lage im Keller der Tabelle. Bei 6:28 Punkten ist der Kontakt zu den direkt davor liegenden SG Langenfeld (9:23) und TV Rheinbach (8:24), die zudem jeweils ein Spiel weniger ausgetragen haben, vorerst weg. 

Rein oder nicht rein? Regisseur Bastian Willcke und die HSG Siebengebirge ließen in Rheinhausen jedenfalls die Chance auf einen Sieg aus, der ihnen für den Kampf um den Klassenerhalt wohl einen Schub gegeben hätte. (Foto: Thomas Schmidt)

Der OSC legte durch David Kryzun zwar das 2:1 (7.) vor, lief aber ab dem 2:3 (9.) beständig hinterher und verlor mit dem 5:11 (20.) zunächst völlig den Anschluss. Dass die Gastgeber mit einer Vierer-Serie auf 9:11 (27.) herankamen, schien die HSG nicht nachhaltig zu beeindrucken – und aus dem 13:10 (30.) am Ende der ersten Halbzeit machte sie am Anfang der zweiten schnell das 16:10 (33.). Es folgte die beherrschende Phase bis zum 21:13, die in der Rückschau fast wie der Anfang vom Ende aussah. „Vielleicht haben wir ein Stück Spannung verloren, weil wir vielleicht schon dachten, dass wir das Spiel nach Hause bringen können. Dadurch ist Rheinhausen Stück für Stück in der letzten Viertelstunde immer besser ins Spiel gekommen.“ Noch beim 23:20 (53.) durften die Gäste auf ein Happy End hoffen, ehe ihnen die Partie in der dramatischen Schlussphase aus den Händen rutschte – 23:23 (56.), 24:24 (58.). In der letzten Minute nahmen beide Seiten kurz hintereinander noch ihre finale Auszeit. Erst war Siebengebirge an der Reihe, dann das glücklichere Rheinhausen: Don Singh Toor traf zwei Sekunden vor dem Ende tatsächlich zum 25:24-Erfolg. 

Degenhardt begab sich weiter auf die Suche nach einer plausiblen Erklärung: „Man muss schon sagen, dass letztlich nicht Rheinhausen das Spiel gewinnt, sondern wir nach der 45. Minute selbst das Spiel verlieren. Wir haben dann nicht mehr so griffig in der Abwehr gespielt und lassen im Angriff auch noch zwei, drei Chancen liegen – die den Sack zugemacht hätten. Dadurch bauen wir den Gegner selbst auf.“ Mit der Belastung dieser schmerzhaften Niederlage wird bereits die kommende Aufgabe am Samstag beim Fünften TV Aldekerk noch schwieriger und der allgemeine Kampf gegen den Abstieg sowieso. Mast und die Rheinhausener freuen sich dagegen auf die Partie bei Interaktiv: „Nun können wir erst mal durchatmen und das Spiel in Ratingen ohne Sorgen genießen.“ 

OSC Rheinhausen:  Puhle, Heesen – Branding (1), Schwarz, Enders (1), Krumschmidt, Kryzun (3/1), Ranftler (2), F. Molsner, M. Molsner, Rennings (5), Brakelmann (7), Singh Toor (6), Kolski.

HSG Siebengebirge: Fischer, Wiese – Dziendziol, Steinhaus (13/10), Petzold (4), Hayer, Lajnef, Wilke (1), Lopez De Carvalho, Ghussen (2), Koch (1), Picard, Krefting (3), Sivanathan.

 

Im Top-Spiel am kommenden Wochenende treffen zwei Mannschaften aufeinander, die zuletzt sehr schmerzhafte Erfahrungen mit den Remscheidern zu verarbeiten hatten: Der HC Gelpe/Strombach, mit 18:29 an der HGR gescheitert, erwartet die frisch frustrierten Korschenbroicher zum Duell zwischen dem Dritten und dem Zweiten. Was für die Gastgeber spricht: Das Team von Trainer Michiel Lochtenberg ist nur auf den ersten Blick aufgrund seiner Position in der Tabelle noch ein Meisterschafts-Anwärter, aber nicht (mehr) auf den zweiten, weil bereits 13 Minuspunkte eine zu hohe Hypothek sind. Also verspüren die Gastgeber keinerlei Druck – bis auf den, den sie sich selbst machen. Ein Treffen zweier Enttäuschter ist im Übrigen auch die Partie zwischen den Aldekerkern, die am Dienstag im Nachholspiel bei der gefährdeten SG Langenfeld eine böse Überraschung erlebten (29:30), und der HSG Siebengebirge. Traditionell brisant ist das Derby zwischen dem Siebten BTB Aachen (14:14) und dem HC Weiden (11:19), der seinen Blick als Elfter (11:19) zumindest mit einem Auge noch auf die drei hinter ihm richten muss.