2. Bundesliga
Schlüsselspiel im Abstiegskampf: Dormagen in Dessau unter Druck
TSV Bayer darf sich im Kampf um den Klassenerhalt beim Dessau-Roßlauer HV keine Niederlage erlauben. Spitzenreiter Gummersbach muss gegen Rostock aufpassen, TuSEM Essen noch mehr beim TuS Ferndorf.

Gut behütert: Kapitän Patrick Hüter (Nummer 25) und Regisseur Ian Hüter (rechts) sind für Dormagen wertvolle Führungsspieler und wesentliche Stützen. Wenn es sich eben einrichten lässt, wollen sie in Dessau einen weiteren Erfolg mit ihrer Mannschaft feiern. (Foto: Thomas Schmidt)

Wenn sich der TSV Bayer Dormagen in diesen Tagen und Wochen umschaut, wird er auf der Suche nach Unterstützung vor allem eins feststellen. Das, was nicht nur im Kampf um den Klassenerhalt als fremde Hilfe willkommen ist, gibt es für ihn nicht. Schon vor Kurzem mussten Trainer Peer Pütz und sein in der Zweitliga-Pause spielfreies Team feststellen, dass die Konkurrenz im Keller der Tabelle zum Teil kräftig Boden gutmachen konnte. Bestes Beispiel: Der TuS Ferndorf katapultierte sich durch die Siege drei bis fünf in Folge weiter in Richtung rettendes Ufer – und ist so mittlerweile auf Rang 16 angekommen (19:31 Punkte). Das jüngste 23:23 beim TV Großwallstadt, der jetzt mit Platz 17 das rettende Ufer markiert, stellte gleichzeitig dessen Konto auf 19:33 Zähler. Und weil es einmal so „gut“ für Dormagen passte, gewann am Sonntagabend zum Abschluss der Woche der Dessau-Roßlauer HV eine dramatische Partie gegen den VfL Eintracht Hagen mit 26:24. Unangenehm für den TSV Bayer: Der Klub aus Sachsen-Anhalt verbesserte sich auf 19:29 Punkte und konnte die Abstiegsränge wenigstens für den Moment verlassen. Fünfter im Feld der mit 19 Pluszählern ausgestatteten Konkurrenten ist der TV Emsdetten (19:35), bei dem auf Rang 18 die direkte Abstiegszone mit dem Blick in die 3. Liga beginnt. Daraus folgt, dass Dormagen im Versuch, sich aus der Gefahr zu befreien, praktisch jedes Mal vor einer echten Herausforderung steht. Manche Partie hat sogar Endspiel-Charakter – und ganz besonders die nächste am Mittwochabend. Der TSV Bayer tritt in Sachsen-Anhalt an. Beim Dessau-Roßlauer HV. Verlieren ist dort eigentlich verboten.

Pütz hofft allerdings sehr, dass sein Team durch das 29:23 zuletzt über den Siebten HC Elbflorenz Dresden jenen Schwung gewonnen hat, den es in seiner immer noch angespannten Lage dringend braucht. Wichtigster Pluspunkt: Die Abwehr und erst recht dahinter Keeper Martin Juzbasic arbeiteten auf einem hohen Niveau. Ebenfalls beachtlich für Dormagener Verhältnisse: Die 29 selbst erzielten Treffer liegen deutlich über dem bisherigen Saisondurchschnitt von 23,95 Toren pro Partie. „Wir wollen das Selbstvertrauen aus dem Elbflorenz-Spiel mitnehmen“, sagt Dormagens Coach, „wir wissen aber auch, dass das ein sehr harter Kampf werden wird und wir da wieder die gleiche Intensität mitbringen müssen, weil es für Dessau auch um viel geht. Wir wollen wieder versuchen, mit einer stabilen Abwehr und einem guten Torhüter Sicherheit zu finden. Vorne haben wir es gegen Elbflorenz schon deutlich besser gemacht. Wir werden jetzt natürlich versuchen, das zu bestätigen und die nächsten Punkte für den Klassenerhalt zu holen.“ Dass ein Sieg für den Tabellenletzten keineswegs als garantiert gelten kann, zeigt auch das 23:27 gegen Dessau aus der Hinrunde.

Der Bundesliga-Absteiger TuSEM Essen und der VfL Gummersbach, der unbedingt zurück in die höchste Klasse will, treffen sich am Sonntag um 17 Uhr in der Halle „Am Hallo“ zu einer Partie aus der Kategorie „Spiel der Spiele“. Erstens: Es ist das Duell zweier Traditionsklubs aus dem Handball-Westen. Zweitens: Es trifft der aktuelle Vierte Essen (31:21 Punkte) auf den Spitzenreiter Gummersbach (40:10).  Beide sollten allerdings den Blick zuerst unbedingt auf ihre Mittwochs-Aufgaben richten – was ihnen bei etwas nachlässigerem Hinsehen wie eine lästige Pflicht vorkommen mag, die sich doch mit wenigstens leicht reduziertem Einsatz bewältigen lässt. Das trifft allerdings schon auf die Essener nicht zu, die es mit dem TuS Ferndorf zu tun bekommen, der auf Rang 16 mit 19:31 Punkten mitten im Kampf um den Klassenerhalt steckt und normalerweise der klare Außenseiter wäre. Was beim Team von Trainer Jamal Naji, der darauf sicher noch mehrmals intensiv hinweisen wird, die höchste Gefahrenstufe auslösen sollte: Ferndorf hat seit dem Beginn des Jahres aus sieben Spielen 11:3 Punkte gesammelt und zuletzt fünf Mal in Folge nicht verloren. Erst so konnte die Mannschaft von TuS-Trainer Robert Andersson seine Rettungs-Aktien in einen Bereich heben, der auf einen möglichen Verbleib in der 2. Bundesliga hindeutet. Essen, das sich zuletzt aufgrund größerer personeller Probleme beständig durch seine Partien arbeiten musste und in 2022 bei 10:6 Zählern angekommen ist, dürfte hinreichend gewarnt sein.

TuSEM-Coach Naji geht eher verhalten optimistisch in die beiden bevorstehenden Aufgaben, weil er weiter weit davon entfernt ist, personell aus dem Vollen schöpfen zu können. „Wir müssen wieder viel improvisieren und taktisch ein wenig Schach spielen“, sagt Naji, „zumindest, was die Verteilung der Zeiten angeht. Ferndorf hat seit sechs Spielen nicht mehr verloren und ein sehr hohes Selbstbewusstsein. Sie spielen mit einer viel höheren Überzeugung als noch vor der Winterpause, da kommt einiges auf uns zu.“ Trotzdem streben die Essener einen weiteren Sieg an: „Wir wollen wieder einen Ticken über Niveau spielen und unsere Kader-Problematik vergessen machen. Natürlich ist unser Ziel, auch da zwei Punkte zu holen – wenngleich das gegen eine aktuelle sehr starke Mannschaft sehr schwierig wird.“  

Viel anders ist das gegen den HC Empor Rostock (Neunter/27:29 Punkte) auch bei den Gummersbachern nicht, obwohl im Grunde alles fürs Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson spricht. Geht es nach der Heimbilanz des Spitzenreiters, können sich die Rostocker die 600 Kilometer weite Anreise ins Oberbergische sogar fast sparen: Der VfL hat alle bisherigen 13 Spiele in der Schwalbe-Arena gewonnen (26:0 Punkte). Außerdem löste Gummersbach am vergangenen Wochenende die nicht einfache Aufgabe beim Fünften TV Hüttenberg mit einem 30:27 – was die Position im Kampf um den Aufstieg festigte. Zusammen mit dem Zweiten HSG Nordhorn-Lingen (38:12) geht Sigurdssons Team als Meisterschafts-Favorit ins letzte Saisondrittel und die größte Gefahr dahinter scheint vom Dritten ASV Hamm-Westfalen (25:15) zu kommen, der dann wohl jeden Ausrutscher der Top-Teams gerne entgegennehmen würde. Dass die Rostocker mit einer Serie von sechs Niederlagen hintereinander belastet sind, lässt sich vor allem mit der personellen (Not-) Lage erklären. So fehlt seit Wochen unter anderem der seit dem 28:26 vom 19. Februar beim HSC Coburg verletzte Robin Breitenfeldt – der nicht nur der Regisseur des HC Empor ist, sondern immer noch dessen erfolgreichste Werfer (130 Treffer in 20 Spielen).

Und sollten die Gummersbacher trotzdem eine weitere Warnung benötigen, bietet sich ein Rückblick auf den 27. Oktober 2022 an. Damals ging der VfL nach einem perfekten Saisonstart (14:0 Punkte) in Rostock an den Start – und musste mit dem 33:34 seine erste Saison-Niederlage hinnehmen. Gar nicht in den Griff bekam der Tabellenführer damals Kreisläufer Jonas Thümmler, der mit einer unglaublichen Hundert-Prozent-Quote aus 15 Versuchen ungewöhnliche 15 Treffer machte. Ob es den Hausherren hilft, dass Thümmler ebenfalls zu den Langzeit-Verletzten der Rostocker gehört, wird sich am Mittwochabend ab 19 Uhr zeigen.