2. Bundesliga
Alles spricht für Gummersbach – und nichts für Dormagen
VfL gewinnt gegen Dresden mit 39:26 und baut die Tabellenführung aus. TSV Bayer erlebt mit 28:35 im Abstiegsduell in Dessau ein Debakel. Essen kämpft sich zum 32:30 in Ferndorf.

Ich schrei vor Glück! Lukas Blohme freute sich in erster Linie darüber, dass es für die Gummersbacher als Mannschaft diesmal fast perfekt lief. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – HC Empor Rostock 39:26 (17:11). Das war wohl ein Erfolg aus der Kategorie Pflichtsieg und der Tabellenführer erledigte die Aufgabe seriös – gegen einen Kontrahenten, der ohne seinen Kapitän Robin Breitenfeldt und ohne Kreisläufer Jonas Thümmler insgesamt nicht die Mittel im Gepäck hatte, um die Hausherren ernsthaft unter Druck zu setzen. Dass Empor (Zwölfter/27:31 Punkte) dann das größere Risiko wählte und oft zum siebten Feldspieler griff, brachte vor allen Dingen eins: Gummersbachs Keeper Martin Nagy konnte vor der Pause drei Treffer in den verwaisten Kasten der Rostocker zum klaren Vorsprung beisteuern. Was dem VfL fast noch besser gefallen musste als der eigene Auftritt: Die HSG Nordhorn-Lingen, erster Verfolger und im Besitz des zweiten Tickets für den Aufzug nach oben, kam bei der SG BBM Bietigheim mit dem 23:30 fast unter die Räder. Dass darüber hinaus der Dritte ASV Hamm-Westfalen beim HC Elbflorenz Dresden mit 28:33 den Kürzeren zog, rundete den Abend aus der Sicht der Gastgeber weiter ab. Gummersbach hat nun als Tabellenführer bei 42:10 Punkten vier Zähler Vorsprung auf Nordhorn-Lingen (38:14) und sogar sieben auf Hamm (35:17). Folge: Die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson kann sich jetzt noch mehr auf den Kracher zweier Traditionsklubs am Sonntag beim Vierten TuSEM Essen freuen (33:21).

Gummersbach geriet schon nach 35 Minuten mit 0:1 in Rückstand, brauchte aber weniger als zwei Minuten zur eigenen 3:1-Führung (3.) und sorgte ab dem 5:5 (8.) durch vier Treffer hintereinander schnell für klare Verhältnisse – 9:5 (12.). Übers 13:8 (20.) und 16:10 (25.) ging es mit einem Sechs-Tore-Polster in die zweite Halbzeit, in der der Favorit nach dem 20:12 (32.) zunächst den etwas kleineren Gang einlegte und ab dem 21:15 (40.) wieder zulegte – 26:18 (45.), 30:20 (49.). 34:23 (53.). Der Rest des Spiels, das in der Schwalbe-Arena offiziell genau 2004 Zuschauer begutachteten, war anschießend nur eine Formsache und das Resultat am Ende sicher standesgemäß.

Rostocks Coach Till Wiechers fasst die einseitige Auseinandersetzung treffend zusammen: „Glückwunsch an den VfL, der heute so gespielt hat, dass wir keine Chance hatten. Sie haben gezeigt, dass sie eine Spitzenmannschaft sind.“ Kollege Sigurdsson auf der anderen Seite war natürlich einverstanden mit dem Auftritt seines Teams: “ Ich bin sehr zufrieden, wie die Jungs heute gespielt und gekämpft haben. So haben wir verdient die beiden Punkte hierbehalten. Es war eine gute Leistung und Rostock wünsche ich alles Gute. Man hat einfach auch gemerkt, dass ihnen zwei richtig gute Spieler gefehlt haben.“

VfL Gummersbach: Nagy (3), Ivanisevic – Fanger (1), Vidarsson (5), Köster (4), Blohme (4/2), Schroven, Häseler (2), Schneider (3), Herzig, Pregler (4), Dzialakiewicz, Santos (3), Kiesler (2), Stüber (5), Zeman (3).

Dessau-Roßlauer HV – TSV Bayer Dormagen 35:28 (16:12). Das ist in Anbetracht der Lage im Tabellenkeller ein Debakel, von dem sich die Dormagener vielleicht nicht so schnell erholen können. Außerdem war nach den 60 schmerzhaften Minuten der nur fünf Tage alte 29:23-Sieg über den HC Elbflorenz Dresden, der für neuen Schwung im Kampf um den Klassenerhalt sorgen sollte, allenfalls noch die Hälfte wert. Und am besten macht sich jemand beim TSV Bayer schnell auf die Suche nach einem Ersatz für „höchste Alarmstufe“ – weil die Bezeichnung fast nicht ausreicht und sich nicht mal ansatzweise erkennen lässt, wie sie in Dormagen die gefährliche Lage dauerhaft zu ihren Gunsten drehen könnten. Weil die Mannschaft von Trainer Peer Pütz am Mittwochabend bei einem ebenfalls gefährdeten Kontrahenten im Grunde chancenlos war, hängt sie mit nun 14:36 Punkten natürlich weiter auf dem letzten Platz fest, während sich Dessau (21:29) immerhin auf Rang 15 verbessern konnte und so für Dormagen praktisch nicht mehr zu erreichen ist. Der TSV Bayer kann sich nur am TuS Ferndorf (16./19:33), am TV Großwallstadt (17./19:35), am TV Emsdetten (18./19:35) und am EHV Aue (19./15:37) orientieren, dem es ähnlich schlecht geht.  Mindestens zwei dieser vier Klubs muss der TSV Bayer hinter sich lassen – was bei fünf Punkten Rückstand ans rettende Ufer (zurzeit Großwallstadt) besonders nach der Vorstellung in Sachsen-Anhalt wie eine kaum zu erfüllende Mission aussieht. Einfacher wird die bevorstehende Aufgabe am Sonntag gegen den Siebten VfL Lübeck-Schwartau (29:21 Punkte) dadurch auch nicht.

Pütz wirkte nachher ziemlich nachdenklich. „Das ist natürlich überhaupt nicht so gelaufen, wie wir uns das erhofft hatten. Wir haben in der Abwehr von Anfang an nicht die letzte gute Leistung bestätigen können. Martin Juzbasic hat am Anfang noch gut gehalten. Dessau hat das wirklich sehr gut gemacht. Vorne fehlt uns ein bisschen das Glück und wir machen ein, zwei Fehler zu viel. Insgesamt läuft das komplett anders als letzte Woche, als wir gut ins Spiel gekommen sind. Dadurch, dass wir schlecht reinkommen, fehlt uns die Sicherheit, da ist die Verunsicherung ein bisschen zurück“, fand der Dormagener Coach – der sicher schon fröhlichere Heimfahrten erlebt hat als jene über rund 500 Kilometer von Sachsen-Anhalt aus zurück ins Rheinland. Sein Fazit: „Das ist natürlich sehr enttäuschend. Aber wir haben jetzt wenig Zeit, um zu lamentieren. Wir müssen versuchen, uns ab morgen auf Sonntag vorzubereiten und da wieder unser besseres Gesicht zu zeigen.“  Nur etwas besser wird allerdings wohl nicht reichen und dieses Gesicht muss praktisch wie ausgewechselt sein.

In Dessau gab es in einer von beiden Seiten mit einer phasenweise unglaublich hohen Fehlerquote ausgestatteten Partie nur wenige Minuten, in der die Gäste vielleicht für einen Sieg in Frage gekommen wären. Als die Dormagener aus dem 5:8 (17.) das 8:8 (20.) gemacht und kurz darauf zum 9:9 (21.) ausgeglichen hatten, schienen sie so etwas wie einen Zugriff auf das Spiel zu bekommen – den sie wenig später mit dem 9:13 (24.) wieder vollends verloren hatten. Übers 10:15 (27.) und 11:16 (28.) wurde es immer schwieriger – und nach der Pause ging im Grunde mit dem 14:21 (38.) alles ganz schnell. Dormagen wirkte vorne rat- bis ideenlos, während es hinten immer wieder erstaunliche Lücken gab. Dass der Abend nach dem 19:26 (46.) oder 20:29 (49.) nicht zum Debakel im zweistelligen Bereich wurde, lag dann vor allem an nachlassenden Hausherren – die sich nun dem Niveau des Schlusslichts mit vielen wirren Aktionen anpassten.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Karvatski, Meuser (3), Leitz, Senden (3), I. Hüter (2), Reimer (10/7), Grgic (2/2), Zurga (1), P. Hüter (1), Johannmeyer, Seesing (5), Steinhaus, Mast (1).

TuS Ferndorf – TuSEM Essen 30:32 (14:17). Irgendwie war es ja fast ein Spitzenspiel, obwohl die Ferndorfer eigentlich mitten im Abstiegskampf der 2. Bundesliga stecken. Betrachtet man allerdings ausschließlich die Ergebnisse seit dem 11. Februar 2022, war der TuS vor dem Mittwoch das einzige ungeschlagene Team der Klasse und mit 11:1 Punkten eine echte Top-Mannschaft. Die Essener – mit 10:4 Zählern im selben Zeitraum ebenfalls ordentlich unterwegs – mussten dabei wieder einmal mit einer eher dünnen Personaldecke auskommen: Gerade einmal zehn Feldspieler standen Trainer Jamal Naji zur Verfügung. Am Ende zogen die Essener aber alle Register und sicherten sich einen unterm Strich verdienten Erfolg. „Ich finde, dass wir heute im Angriff trotz der reduzierten Möglichkeiten einen guten Ball gespielt haben. Am Ende des Tages, mit der Konstellation, müssen wir nicht gegen Rimpar gewinnen, müssen wir nicht hier in Ferndorf gewinnen. Das haben wir aber getan, das liegt vor allem an der Einstellung, die die Jungs haben. Wir kämpfen um jeden Zentimeter“, fand Naji. Der Lohn für den Erfolg: Der TuSEM festigte mit jetzt 33:21 Punkten Rang vier hinter dem ASV Hamm-Westfalen (35:17) und vor dem TV Hüttenberg (29:21), die am Mittwoch beide leer ausgingen. Am kommenden Sonntag wartet jetzt der Kracher gegen Spitzenreiter VfL Gummersbach – und Essen freut sich drauf.

Die Gäste kamen nach leichten Anlaufschwierigkeiten und dem 1:3 (4.) besser in die Partie. Noah Beyer besorgte mit dem 4:4 (7.) den Ausgleich, Felix Klingler mit dem 6:5 (10.) die erste Essener Führung. In einer Begegnung mit hohem Tempo setzte sich der TuSEM nach dem 9:9 (15.) erstmals etwas ab – 12:9 (17.). Diesen Vorsprung um drei Tore herum verteidigte Najis Team dann bis in die zweite Hälfte hinein. Wegen der dünnen Personaldecke und des intensiven Tempospiels hatten die Ferndorfer gehofft, dass den Gästen irgendwann die Kräfte ausgehen würden – wie Coach Robert Andersson nach der Partie zugab. Doch TuSEM-Kollege Naji wusste, dass seine Mannschaft gar nicht anders konnte, als das Spiel mitzuspielen: „Das liegt nicht in unserer DNA, wir können gar nicht ’nicht Tempo‘ spielen.“ So blieb Essen vorne und brachte die zwei Punkte am Ende mit etwas Glück, Mut, Timing und Cleverness ins Ziel.

Glück hatten die Gäste beim 25:20 durch Beyer, dessen Wurf nur ganz knapp hinter der Linie war (43.). Mut bewies der TuSEM beim Kempa-Anspiel von Tim Rozman auf Dimitri Ignatow, der den Ball zum 28:23 verwandelte (49.). Gutes Timing war der gehaltene Siebenmeter von Lukas Diedrich gegen Ferndofs Mattis Michel (51.). Und kurz darauf bewies Essen in der Szene des Abends seine Cleverness. Auf Ansage von Naji in seiner Auszeit stand Keeper Diedrich beim folgenden Angriff nahe der TuSEM-Bank und unterhielt sich scheinbar mit seinen Mitspielern. Urplötzlich verließ er die Platte für Beyer, der über die linke Seite zum Angriff stieß und – völlig unbewacht – den Ball bekam und zum 30:24 verwertete (52.). Die Hausherren versuchten in der Schlussphase trotzdem noch einmal alles, konnten jedoch letztlich nicht mehr entscheidend antworten und Ignatows Treffer zum 32:29 eine Minute vor dem Ende war die endgültige Entscheidung.

TuSEM Essen: Fuchs, Diedrich – Beyer (8/4), Glatthard, Rozman (5), Homscheid, Becher, Ignatow (6), Szczesny (4), Müller (2), Morante Maldonado (6), Klingler (1).