Regionalliga Nordrhein
Abgezockt: Warum Ratingen aufsteigen muss
Der Fünfte HG Remscheid verliert gegen Interaktiv mit 27:29. Beim Tabellenführer ist die personelle Ausstattung luxuriös.

Ich hab dich gesehen: Ratingens Rückraumspieler Robert Markotic (rechts) hatte oft auch den Blick für seinen Kreisläufer Stanko Sabljic (links). Die Remscheider Abwehr, hier mit Philipp Hinkelmann (Nummer 10) und Dominic Luciano (14), bekam nicht immer den richtigen Zugriff. (Foto: Thomas Ellmann)

HG Remscheid – Interaktiv.Handball 27:29 (17:18). Das Ergebnis war relativ knapp, aber das Spiel taugte als Beleg für eine seit Langem zur Gewissheit gewordene Vermutung: Mit dieser personellen Ausstattung muss den Ratingern diesmal der Aufstieg in die 3. Liga gelingen. Muss, nicht sollte. Wer etwa mit einer Rückraum-Achse aus Alexander Oelze, Simon Ciupinski und Robert Markotic als einer von mehreren Varianten ausgestattet ist, darf sich bereits glücklich schätzen. Wer dann auf der rechten Seite statt Markotic in Nedim Hadzic einen weiteren Linkshänder im Übrigen sowohl im Rückraum als auch auf Rechtsaußen einsetzen kann, der betätigt sich im luxuriösen Bereich. Und wer hinten seinen Innenblock etwa mit dem wuchtigen Kreisläufer Stanko Sabljic, nebenbei vorne Abnehmer einiger Anspiele, Markotic oder Tim Koenemann zu bestücken vermag, hat einen weiteren nicht unwesentlichen Rückhalt. Der Trost dabei für die gesamte Konkurrenz: Auch die Ratinger sind von dieser Welt, sie leisten sich durchaus irdische Fehler – und sie trugen deshalb ihren Teil zu einem doch einigermaßen spannenden Abend bei, der sich ziemlich deutlich in zwei krasse Gegensätze gliedern ließ: Die erste Halbzeit, die bereits von vielen Fehlern lebte, war sehr unterhaltsam, die zweite eher grauenhaft – weil hier über weite Strecken beide Teams verheimlichten, warum sie zu den besten Mannschaften der Regionalliga gehören.  Als es drauf ankam, auf welche Seite sich die Waage entscheidend neigen sollte, machte Interaktiv jedoch den abgezockteren Eindruck – was Ratingens Coach Ace Jonovski natürlich erfreut zur Kenntnis nahm, weil diese Qualität den Gästen zwei wichtige Zähler sicherte und den ersten Platz festigte (jetzt 30:6 Punkte). Remscheids Trost: Die Niederlage passierte diesmal nicht – wie am vergangenen Wochenende mit dem 24:25 beim gefährdeten TV Rheinbach – gegen einen um den Klassenerhalt kämpfenden Kontrahenten, sondern gegen eine Mannschaft, die unbedingt den Aufstieg schaffen will.  Mit 22:16 Punkten liegt Remscheid weiter auf dem fünften Platz, den allerdings übers Wochenende durch einen Sieg über den BTB Aachen der Neusser HV übernehmen könnte (18:14).

Was ist denn jetzt wieder los? Remscheids Trainer Alexander Zapf drohte angesichts der schwachen Wurfausbeute seines Team fast zu verzweifeln. Deutlich mehr regte er sich aber über einige Schiedsrichter-Entscheidungen auf. (Foto: Thomas Ellmann)

Der Start war für die Hausherren mit dem 1:0 (1.) durch Philipp Hinkelmann und dem 2:0 (3.) von Dominik Hertz optimal, doch Ratingen dachte nicht daran, dauerhaft hinterherzurennen. Bis zum 5:3 (6.) und 6:4 (7.) in der mit hohem Tempo geführten Anfangsphase blieb Zapfs Team zwar vorne, doch mit dem 6:6 (10./Siebenmeter) durch Oelze war Interaktiv zum ersten Mal richtig im Spiel. Beim 8:9 (14.) erneut durch Oelze, der bis zum 12:10 (18.) mit sieben Treffern praktisch der Ratinger Alleinunterhalter und später mit neun Toren der beste Werfer der Partie war, lag die HGR zum ersten Mal hinten und beim 10:13 (18.) drohte ihr die Partie zu entgleiten. Logische Konsequenz: Zapf nahm eine Auszeit, um sein Team wieder auf den richtigen Kurs zu führen – was bis zum 11:14 (20.) oder 12:15 (21.) nur sehr übersichtlich gelang. Was allerdings klar für eine intakte Moral sprach: Remscheid ließ sich selbst vom 14:18 (25.) nicht aus der Bahn werfen: Achim Jansen (27.), Pascal Hermann (27.) und Phillip Rath (29.) verkürzten bis zur Pause auf 17:18 – nach einer ersten Halbzeit mit erstaunlichen defensiven Schwächen bei allen Beteiligten.

Deckungs-Umstellungen machten den Angreifern den Wirbel des ersten Abschnitts zunehmend schwerer – und die HGR tauchte offensiv zumindest vorübergehend komplett ab. Nachdem sie aus dem 18:20 (32.) und 19:21 (34.) das 21:21 (36.) hergestellt hatte, gelang vorne überhaupt nichts mehr. Punkt eins: Remscheid ließ viel zu viele klare Chancen aus der Kategorie hundertprozentig aus. Punkt zwei: Besonders Interaktiv-Keeper Denis Karic erwies sich als echter Könner zwischen den Pfosten und als Spielverderber für die HGR. Die allgemeine Flaute, der sich vorübergehend auch die Gäste anschlossen, dauerte dann endlos scheinende zwölf Minuten – und vorbei war das Tief erst mit dem 22:24 (48.) von Felix Handschke, der dafür kurz darauf mit einem Siebenmeter (50.) an der Latte scheiterte und so das mögliche 23:24 verpasste. Der 24:26-Anschluss (54.) von Michael Heimansfeld war kurz darauf der letzte Hoffnungsschimmer, ehe clevere Ratinger mit dem 28:24 (55.) von Hendrik Stock und dem 29:25 (58.) von Markotic auf alle Remscheider Bemühungen die passende Antwort fanden.

Ebenfalls die richtige Antwort fand kurz nach der Partie Tobias Geske, der im Wechsel mit Linus Mathes das Tor hütende Sportliche Leiter der Remscheider: „Die erste Halbzeit war hinten nichts, die zweite vorne nichts.“ Interaktiv-Coach Jonovski, in seiner aktiven Karriere als echter Abwehrspezialist bekannt, nahm die beide Punkte gerne mit und sah selbst über die zweite Halbzeit eher gelassen hinweg: „Natürlich war das nicht schön, aber es lag viel an der Taktik. Das ist in solchen Spielen so.“ Für ein solches Spiel ging es ganz nebenbei unter dem Strich bei allem Einsatz sehr fair zu, denn die Statistik führte für die HGR drei Siebenmeter und zwei Zeitstrafen, während bei Interaktiv zwei Siebenmeter und drei  Zeitstrafen auftauchten – eine niedrige Quote. Trotzdem äußerten beide Seiten immer wieder und zum Teil sehr energisch ihren Unmut über einige Pfiffe der Unparteiischen – die sich sicher nicht immer nachvollziehen ließen. Trotzdem waren die Dauer-Beschwerden nichts anderes als Energieverschwendung: Wer seine Reserven lieber in die eigenen Aktionen steckt, macht womöglich selbst weniger Fehler. Und davon gab es über die 60 Minuten irrwitzig viele.

HG Remscheid: Geske, Mathes – Heimansfeld (2), Pflüger, Pütz (1), P. Hinkelmann (6), Hertz (2), Luciano (4), F. Hinkelmann, Handschke (2), Jansen (6/1), Taymaz (1), Rath (1), Hermann (2).

Interaktiv.Handball: Büttner, Karic – Hadzic (6), Markotic (4), Mentges, Stock (1), Sabljic (3), Oelze (9/1), Schäfer, Mensger, Sete, Nuic (3), Ciupinski (2), Koenemann (1).