2. Bundesliga
Gummersbach kontrolliert Essen, Dormagen lebt noch
VfL festigt mit verdientem 32:28 bei TuSEM die Tabellenführung, TSV Bayer verlässt mit 26:25 gegen Lübeck den letzten Platz.

Augen zu und durch: Essens Angriff mit Tim Rozman (beim Wurf) und Tom Bergner (links) traf in der Gummersbacher Abwehr um Tom Kiesler (30) und Ellidi Vidarsson (4) manchmal auf Beton. (Foto: Herbert Mölleken)

TuSEM Essen – VfL Gummersbach 28:32 (12:16). Es sind genau diese Spiele, auf die der Handball gewartet hat. Und es waren alle Zutaten für einen echten Krimi am frühen Sonntagabend zurechtgelegt: Volle Halle, volle Leidenschaft, voller Einsatz auf beiden Seiten, reichlich Stoff für Diskussionen – in einem Duell unter West-Nachbarn, die sich von der ersten Sekunde an nichts schenkten. Dass die Essener am Ende den Kürzeren zogen, werden sie verschmerzen können – weil sie sich bis auf eine zu hohe Fehlerzahl in ein paar Phasen der Partie im Grunde wenig vorzuwerfen hatten. Dass die Gummersbacher am Ende beide Punkte aus dem Ruhrgebiet ins Oberbergische entführten und wie sie das bewerkstelligten, war vor allem der Beweis, dass sie doch unter Stress gute Auswärtsspiele abliefern können. Und nicht nur nebenbei festigte Gummersbach durch den Auftritt „Am Hallo“ seine Tabellenführung, die ihm in dieser Form so schnell niemand streitig machen wird. Mit 44:10 Punkten belegt das Team von Trainer Gudjon Valur Siggurdsson weiter Platz eins vor der HSG Nordhorn-Lingen (40:14) und dem ASV Hamm-Westfalen, der als Dritter (37:17) sieben Zähler hinter den Gummersbachern steht. Damit deutet sich im Übrigen direkt der nächste Zweitliga-Kracher an – denn am Freitagabend erwartet der VfL jene Hammer in der Schwalbe-Arena. Bei einem weiteren Erfolg wäre der nächste Bewerber im Kampf um die beiden Aufstiegsplätze fast komplett abgehängt. Essen als Vierter (33:23) und der TV Hüttenberg (31:21) auf dem fünften Platz haben nach ganz oben keine Aktien mehr.

Die Partie hatte beim Stande von 6:4 (9.) ihren ersten emotionalen Höhepunkt, nachdem Essens Eloy Morante Maldonado mit seinem Wurf das Gebälk getroffen hatte und der abprallende Ball beim TuSEM-Linksaußen zu landen schien. Das wollte Gummersbachs Lukas Blohme aber nicht einfach hinnehmen – und so griff er Beyer an. Nach Ansicht der Unparteiischen lag darin ein derart grobes Vergehen, dass sie Blohme direkt die Rote Karte und kurz darauf sogar die Blaue Karte zeigten (führt wohl zu einer Sperre), sodass der VfL einen Linkshänder weniger an Bord hatte. Das kurz darauf folgende 7:4 (10.) durch Felix Klingler ließ Essen an einen erfolgreichen Abend denken, doch die Gummersbacher antworteten schnell, glichen durch drei Treffer in Folge zum 7:7 (15.) aus und ließen durch Timm Schneider das 8:7 (17.) folgen, ehe Julian Köster (18.) und Jonas Stüber (20.) das 10:7 nachlegten. Es war der Beginn einer Gummersbacher Überlegenheit, an der TuSEM trotz enorm hohen Einsatzes wenig ändern konnte – obwohl aus dem VfL-Abwehrzentrum erst Stepan Zeman nach der zweiten Zeitstrafe(6./17.) fast durchweg draußen blieb und später Schneider auf der Zielgeraden sogar die Rote Karte sah (52.) und für den Rest der Partie zusehen musste. Das richtete in erster Linie deshalb keinen Schaden mehr an, weil die Gäste hier bereits mit 28:23 führten.

Der Spitzenreiter zog vom 12:10 (23.) zum 16:10 (28.) davon, weil es TuSEM mit der Fehlerquote übertrieb und sich selbst in Überzahl oft an der VfL-Abwehr abarbeitete. Moral bewies die Mannschaft von Trainer Jamal Naji trotzdem, weil sie am Ende der ersten Halbzeit wieder auf 12:16 (30.) dran war und den zweiten Abschnitt mit dem 14:17 (33.) eröffnete. Die wirre 46. Minute, die mit einer 23:20-Führung der Gummersbacher begann, zeigte kurz darauf den Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten: Dennis Sczcesny  vergab für Essen ebenso frei wie Ellidi Vidarsson für den VfL, ehe Essen im nächsten Angriff erneut den Ball verlor – alles unmittelbar nach einer Auszeit der Gastgeber. Die extrem humorlose Antwort des Tabellenführers bestand dann im 24:20 (immer noch 46.) von Raul Santos und im 25:30 (48.) von Fynn Herzig. Mit dem 28:22 (51.) von Julian Köster war der Weg anschließend endgültig frei für den VfL.

Trainer Sigurdsson erwies sich später erneut als der kühle Isländer, dem Übertreibungen oder jedenfalls Euphorie völlig unverständlich zu sein schienen: „Natürlich bin ich sehr zufrieden mit dieser Leistung. Das haben die Jungs gut gemacht, wir haben hervorragend gedeckt. Aber der Sieg bringt uns auch nur zwei Punkte. Wir haben noch nichts erreicht.“ TuSEM-Coach Naji analysierte die Partie sachlich: „Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Wir haben eine gute Angriffs-Struktur und spielen uns viele gute Bälle raus, aber wir scheitern an unserer Quote. Wir haben einfach zu viel verballert. Zweiter Punkt ist, dass wir heute ein sehr schwaches Überzahlspiel haben. Dann ist Gummersbach einfach auch die beste Mannschaft der Liga und spielt das abgezockt runter. Sie haben die Breite, die wir nicht hatten. Gummersbach hat völlig verdient gewonnen.“

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Beyer (7/3), Glatthard, Rozman (5), Homscheid, Becher, Ignatow (2), Szczesny, Bergner (2), Müller (5), Firnhaber (1), Seidel (1), Morante Maldonado (1), Klingler (4).

VfL Gummersbach: Nagy, Ivanisevic – Fanger (1), Vidarsson (3), Köster (4), Blohme, Häseler (3), Schneider (4), Herzig (6), Pregler (2), Dzialakiewicz, Santos (6), Kiesler, Stüber, Zeman, Bozovic.

 

TSV Bayer Dormagen – VfL Lübeck-Schwartau 26:25 (11:10). Die Dormagener sendeten durch den Sieg ein Lebenszeichen im Abstiegskampf, das vier Tage nach dem deutlichen 28:35 beim Dessau-Roßlauer HV auch bitter nötig war. Dabei war der Erfolg über die Gäste aus Schleswig-Holstein weniger ein Produkt spielerischer Klasse als eine Mischung aus Einstellung, Kampf und etwas Glück zum richtigen Zeitpunkt. Darüber hinaus konnten sich die Dormagener auf ihren Keeper Martin Juzbasic verlassen, der ab Mitte der ersten Hälfte immer stärker wurde, sein Team zuerst im Spiel hielt und dann zur Wende führte. Am Ende gab die offizielle Statistik der HBL für Juzbasic 15 Paraden und eine starke Quote von 38,46 Prozent gehaltener Bälle an. Der Keeper freute sich nach dem Spiel über die beiden Punkte: „Wir haben schlecht angefangen, uns aber dann gesteigert. Wir haben in der ersten Hälfte eine gute Abwehr gespielt. In der zweiten Halbzeit haben wir gut gespielt, vielleicht hinten etwas schwächer, dafür haben wir vorne alles getroffen, was wir mussten.“ Der Lohn für den Sieg: Der TSV gab die Rote Laterne in der 2. Bundesliga an den EHV Aue ab. Mit jetzt 16:36 Punkten liegt Dormagen auf Platz 19 hauchdünn vor den Sachsen (16:40), die ihrerseits allerdings gegen den HSC Coburg immerhin ein 27:27-Unentschieden mitnahmen. Der TuS Ferndorf (19:35) vervollständigt das Trio, das im Moment den Gang in die 3. Liga antreten müsste. Das rettende Ufer auf Rang 17 markiert für den Moment der TV Emsdetten (20:38). Klar: Im Grunde bleibt ab jetzt für den TSV jedes Spiel ein Endspiel und am kommenden Samstag muss die Mannschaft versuchen, beim eher gesicherten Sechsten ThSV Eisenach (29:25) die nächsten Zähler für den Klassenerhalt mitzunehmen.

Lübeck setzte im mit offiziell 806 Fans ganz anständig besuchten Bayer-Sportcenter vom Anpfiff an auf den siebten Feldspieler. Kurios: Die Hausherren erkämpften sich in der Anfangsphase mehrmals den Ball in der Abwehr, trafen aber mehrmals das leere VfL-Tor nicht. So blieb die Partie trotz recht hohen Tempos insgesamt eher arm an Treffern und es dauerte fast sieben Minuten, bevor Aron Seesing mit dem 1:2 das erste Mal für Dormagen erfolgreich war (7.). Der TSV lief in der Folge zuerst eher hinterher (2:6/12.), fand jedoch immer besser in die Begegnung. Über den 8:8-Ausgleich (21.) erzielte Jan Reimer per Tempogegenstoß die erste Führung der Gastgeber – 10:9 (28.). Zu diesem Zeitpunkt hatte Juzbasic seine Mannschaft bereits durch einige gehaltene Bälle vor einem Rückstand gerettet. Nach der Pause schien es zunächst, als würden beide Seiten ihre Trefferquote deutlich erhöhen und beim 15:15 (36.) waren bereits neun Tore gefallen – fast so viele wie in der Viertelstunde vor der Halbzeit. Mit ganz viel Kampf fand Dormagen in der Abwehr nun die Stabilität wieder und erkämpfte sich vom 16:16 (37.) den 21:17-Vorsprung (46.). Weil das 26:22 (55.) durch Ian Hüter aber der letzte Treffer der Hausherren war, wurde es fast noch einmal eng. Nach dem 26:24 (57.) verhinderte Juzbasic 150 Sekunden vor dem Ende mit seiner vielleicht wichtigsten Parade des Abends den Anschlusstreffer (58.). Die nächsten Angriffe der Dormagener brachten zwar wieder nichts ein, letztlich kam das 26:25 durch Lübecks Markus Hansen drei Sekunden vor dem Ende jedoch zu spät.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Karvatski (4), Meuser (1), Leitz, Senden (1), I. Hüter (6), Reimer (2), Grgic (2/2), Zurga, P. Hüter (4), Johannmeyer, Seesing (2), Steinhaus (1), Mast (3).