Regionalliga Nordrhein
Starke Aldekerker stürzen ratlosen Spitzenreiter Ratingen
TVK gewinnt Nachholspiel bei Interaktiv verdient mit 36:32, hebt den TV Korschenbroich auf Platz eins und meldet sich selbst im Kampf um die Meisterschaft zurück.

Lasst uns das genießen: Trainer Nils Wallrath und seine Aldekerker (links Sjuul Rutten, der fünf Tore beisteuerte) hatten in Ratingen allen Grund, ausgelassen zu feiern. (Foto: Thomas Schmidt)

Interaktiv.Handball – TV Aldekerk 32:36 (13:18). Die Geschichte der Regionalliga-Saison muss vielleicht noch einmal neu geschrieben oder jedenfalls um ein zusätzliches Kapitel ergänzt werden. Interaktiv.Handball, einer der gar nicht so geheimen Favoriten auf die Meisterschaft, schien am vergangenen Wochenende echte Maßstäbe gesetzt zu haben – nach einer überzeugenden Leistung und dem 29:27 beim Fünften HG Remscheid, durch den das personell erstklassig besetzte Team von Trainer Ace Jonovski seine Tabellenführung vor dem punktgleichen Zweiten TV Korschenbroich verteidigte (beide 30:6). Der TV Aldekerk dagegen schien sich mit dem 23:30 beim eher um den Klassenerhalt kämpfenden Neunten HC Weiden bei anschließend 23:9 Zählern und drei Minuspunkten mehr als die Konkurrenten vorzeitig aus dem Rennen um die Meisterschaft verabschiedet zu haben. Dann passierte am Dienstagabend in der Halle Gothaer Straße das: Aldekerk entzauberte den Spitzenreiter gründlich, hievte erstens den TV Korschenbroich auf den Thron und schob sich zweitens durch den vollkommen verdienten Erfolg mit nun 25:9 Zählern wieder an die Ratinger heran (jetzt 30:8 Punkte). Den Erfolg verdienten sich die Gäste durch 60 Minuten voller Hingabe und Leidenschaft – während die Hausherren an dieser Stelle nach einem Rückfall in überwunden geglaubten Zeiten wie ein Schatten ihrer selbst wirkten. „Aldekerk wollte es mehr“, räumte Interaktiv-Trainer Jonovski ein, der sich den Abend ganz anders vorgestellt hatte – zumal die Partie sehr unglücklich für die Hausherren begann: Schon in der vierten Minute musste Stammkeeper Denis Karic verletzt runter.

Sehr unglücklich wirkten die Gastgeber dann in der gesamten Anfangsphase, in der sie von einer Verlegenheit in die nächste stolperten. Ein bisschen mehr Wirkung erzielte Ratingen erst mit der Hereinnahme von Kapitän Alexander Oelze beim Stande von 4:7 (12.), nachdem Thomas Jentjens soeben einen der zahlreichen Fehler der Hausherren per Tempogegenstoß genutzt hatte. Zwei Oelze-Siebenmeter brachten Ratingen auf 5:7 (14.) und 6:7 (15.) heran – und der Rückraumspieler sollte später auf besondere Weise zu einer zentralen Figur im Spiel werden. Aldekerk ließ sich aber weder vom Mitwirken des besten Regionalliga-Torschützen noch von einer Auszeit der Hausherren beim Stande von 6:9 (17.) nachhaltig beeindrucken. Vorläufiger Höhepunkt: Dass es der Tabellenführer mit dem siebten Feldspieler versuchte, rief den starken TVA-Keeper Paul Keutmann auf den Plan – der erstens das Torhüter-Duell deutlich für sich entschied und zweitens mit seinem Wurf in den verwaisten Kasten auf der anderen Seite auf 12:7 (31.) erhöhte. Erstaunlich war inzwischen vor allem, wie wenig den Ratingern spielerisch einfiel und wie viele richtige Antworten die Gäste bis zum 18:12 (30.) immer wieder fanden. 

Beide Seiten begannen den zweiten Abschnitt mit einer ähnlich wahnwitzigen Geschwindigkeit wie den ersten Durchgang und alleine die 31. Minute brachte vier Angriffe – mit jeweils einem erfolglosen und jeweils einem Treffer für jede Partei. Vom 14:19 (31.) verkürzte Interaktiv auf 16:19 (34.), ohne richtig bedrohlich heranzukommen – 18:23 (38.), 21:26 (42.), 21:28 (44.). Die vier Tore hintereinander zum 25:28 (47.) schienen auf nachlassende Akkus bei den Aldekerkern hinzudeuten, doch Wallraths Mannschaft antwortete nach einer Auszeit direkt mit dem 29:25 (48.) und 30:25 (49.), ehe es in eine hektische bis wilde Schlussphase ging. Interaktiv, das es überwiegend mit Einzelaktionen probierte und sich darin häufig verzettelte, verkürzte noch einmal auf 29:32 (54.), bevor es aus seiner Sicht ein paar sehr rätselhafte Szenen einstreute. Erstens: Die gemeinsame Einstimmung in einer Auszeit brachte beim Versuch, den Ball wieder ins Spiel zu bringen, den direkten Verlust des Spielgeräts und Aldekerk in den Besitz desselben. Zweitens: Ausgerechnet Oelze, dem es die Ratinger praktisch alleine zu verdanken hatten, dass es gegen Ende überhaupt relativ knapp war, ging auf der Zielgeraden ziemlich viel daneben – mit Folgen.

Ein Schrittfehler führte kurz darauf zu jenem Angriff, den Aldekerk per Siebenmeter mit dem 33:29 (57.) abschließen konnte und ein Fehlpass leitete den Tempogegenstoß zum letzte Zweifel klärenden 34:29 (58.) ein. Dass Aldekerk ohnehin gewonnen hätte, dürfte Ratingens Besten (15 Tore/neun davon Siebenmeter) kaum getröstet haben. Und der TVA auf der anderen Seite dürfte erleichtert gewesen sein, dass sich das Fehlen des unsanft auf dem Boden gelandeten und ebenfalls vor der Pause ausgeschiedenen Kreisläufers Jonas Mumme (26.) nicht entscheidend bemerkbar gemacht hatte.

Einig waren sich die beiden Trainer hinterher auch – aber nur in Bezug auf einige Entscheidungen der Schiedsrichter, die sie für umstritten hielten und mehr oder weniger intensiv hinterfragten. Jonovski kassierte für fortgesetzte Kritik vor der Pause sogar eine Zeitstrafe (21.), die für ihn Feldspieler Lennart Mentges absitzen musste. Ergebnis: In Überzahl erhöhte Aldekerk durch Christopher Tebyl auf 13:8 (22.) und durch Julian Mumme auf 14:8 (23.). TVA-Coach Wallrath konnte nicht nur deshalb mehr als bloß zufrieden sein: „Wir hatten hier ja nichts zu verlieren und wir wussten, dass wir Ratingen einfach permanent unter Druck setzen müssen. Das haben die Jungs überragend gemacht, das war eine tolle Mannschaftsleistung.“ Ob die Geschichte der Regionalliga um weitere Kapitel ergänzt werden muss, wird sich wohl spätestens am 26. April (Dienstag) im Nachholspiel gegen den TV Korschenbroich zeigen. Und am 14. Mai wartet ganz am Ende der Saison die Rückrunden-Partie gegen Interaktiv. Aldekerk hat es offensichtlich in der Hand, die Vergabe der Meisterschaft maßgeblich zu beeinflussen. Ob am Ende zu seinen Gunsten, ist dabei eine sehr spannende Frage.

Interaktiv.Handball: Büttner, Schmitz, Karic – Hadzic (3), Markotic (5), Mentges (2), Stock (1), Sabljic (1), Oelze (15/9), Schäfer, Mensger, Sete, Nuic (4), Ciupinski (1), Koenemann.

TV Aldekerk: Schoemackers, Keutmann (1) – Jonas Mumme (1),  Grützner (5), Greven, Plhak (3/1), Jentjens (11), Upietz, Gentges (1), Küsters, Tebyl (3), Rutten (5/2), Julian Mumme (6), Linden.