2. Bundesliga
Gummersbacher Garantie und Dormagener Dauer-Drama
Vor dem letzten Drittel der Saison ist sicher, dass der VfL in die Bundesliga aufsteigt. Vom Rest-April hängt ab, ob der TSV Bayer weiter auf den Klassenerhalt hoffen darf. TuSEM Essen wird wohl Sechster.

Natürlich glaubt er jetzt auch dran: Gudjon Valur Sigurdsson (rechts), der isländisch-kühle Trainer des VfL Gummersbach, äußert sich aber am liebsten erst dann zum Thema Aufstieg, wenn der unter Dach und Fach ist. (Foto: Herbert Mölleken)

Zwei Drittel der Saison in der 2. Bundesliga sind vorbei. Und die Zahlen lügen nicht mehr. Wer 28 seiner 38 Spiele absolviert und neun Punkte Vorsprung hat, wird zum Beispiel ziemlich sicher aufsteigen. Auch das ist keine besonders gewagte Prognose. Wer etwa 27 Spiele absolviert hat und trotz zweier Siege in Folge über das schlechteste Torverhältnis in der Klasse verfügt und auf einem Abstiegsplatz liegt, darf hoffen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wir versuchen, für die drei Klubs aus dem Harzhelden-Gebiet den Rest der am 11. Juni endenden Serie auszuloten. Für den VfL Gummersbach und TuSEM Essen legen wir uns fest, während beim TSV Bayer Dormagen nicht mal ein Blick in die Glaskugel richtig hilft.

 

VfL Gummersbach Acht Siege hintereinander stehen in der Bilanz – darunter zuletzt die ziemlich frischen am 26. März beim Fünften TV Hüttenberg (30:27), am 3. April beim Vierten TuSEM Essen (32:28) und am vergangenen Freitag gegen den Dritten ASV Hamm-Westfalen (37:29). Gleichzeitig tut die Konkurrenz dem Team  von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson immer wieder mal den Gefallen, sich einen Ausrutscher zu leisten. Dass der Zweite HSG Nordhorn-Lingen jüngst bei der DJK Rimpar Wölfe den Kürzeren zog (21:22), passte den Gummersbachern natürlich perfekt ins Konzept – weil nun selbst der Vorsprung auf den Zweiten bei sechs Zählern liegt. Der VfL thront mit 46:10 Zählern einsam vor allen anderen, denn bereits Nordhorn-Lingen (40:16) auf dem zweiten Aufstiegsplatz wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eher in den Rückspiegel blicken müssen als nach vorne schauen dürfen: Hamm (37:19) liegt trotz der Pleite in Gummersbach relativ dicht dran. Essen (33:25), Hüttenberg (31:23) haben mit dem Aufstieg nur noch wenig zu tun – wie der VfL Eintracht Hagen und der HC Elbflorenz Dresden (beide 31:27) dahinter schon längst gar nichts mehr.

Gummersbachs größte Gefahr ist: Höchstens Gummersbach selbst. Der Spitzenreiter sieht vor allem dann angreifbar aus, wenn er auswärts als Favorit auftritt. Insofern sind nach der Pause die beiden Aufgaben am 22. April beim Schlusslicht EHV Aue und am 25. April beim auf Rang 14 liegenden Dessau-Roßlauer HV eben keine Selbstläufer – aber im Grunde eher Etappen fürs Gipfeltreffen am 1. Mai gegen Nordhorn-Lingen. Die Rechnung des Tabellenführers dürfte so aussehen: Es bleibt bei der weißen Weste in der Schwalbe-Arena, die bisher 30:0 Punkte aus 15 Siegen führt. Die Partie gegen Nordhorn und die am 7. Mai bei der SG BBM Bietigheim (Neunter) sowie die am 20. Mai beim HC Elbflorenz Dresden (Siebter) sind die letzten Spiele, in denen es Sigurdssons Team mit Kontrahenten aus der oberen Hälfte zu tun bekommt.

Es ist komplett ausgeschlossen, dass sich der mit dem breitesten Kader ausgestattete Tabellenführer etwas anbrennen lässt. Ein unschätzbarer Vorteil: Der VfL-Trainer kann die Belastung selbst dann ziemlich gezielt steuern, wenn nicht das komplette Personal zur Verfügung steht. Unter dem Strich stellt sich damit allenfalls die Frage, wann Gummersbach den entscheidenden Schritt zur Rückkehr in die höchste deutsche Klasse vollzieht. Vielleicht am fünftletzten Spieltag (14. Mai) in der Schwalbe-Arena gegen die Eulen Ludwigshafen? Wenn sie im Oberbergischen „Pech“ haben, machen sie es eine Woche später in Dresden klar. Oder eine Woche früher in Bietigheim. Auswärts eben. Solche „Sorgen“ möchten andere wohl haben.

 

Wohin wollen wir? Justin Müller, Dennis Szczesny  und Tim Rozman (von links) sind derzeit Vierter mit TuSEM Essen. Vermutlich könnten sie damit leben, wenn das so bleibt. (Fot0: Herbert Mölleken)

TuSEM Essen Trainer Jamal Naji weigert sich ja nach eigener Aussage beharrlich, immer wieder mal die Tabelle in den Blick zu nehmen – wie er sich vor der Saison beharrlich geweigert hatte, ein konkretes Ziel auszurufen. Sein Standpunkt: „Ich weiß es nicht. Kann sein, dass wir eine gute Saison spielen, wenn wir Sechster werden.“ Naji scheint eine ganz gute Nase für das zu haben, was seine Mannschaft im Jahr eins nach dem Abstieg aus der Bundesliga zu leisten und wie sie mit den Widrigkeiten einer für alle herausfordernden Serie umzugehen vermag, denn nach 29 von 38 Spielen befinden sich die Essener, die in den vergangenen Wochen immer wieder mit einem dünnen Kader auskommen mussten, sehr präzise im erahnten Zielkorridor. Nach vorne ist der Weg versperrt und bereits der Rückstand auf den Dritten Hamm-Westfalen zu groß. Beim Blick nach hinten sind zwei Teams zu erkennen, die sogar weniger Minuspunkte verzeichnen: Der Fünfte Hüttenberg (zwei Spiele weniger) und der Neunten SG BBM Bietigheim (30:24 Punkte) sind dicht dran und der Sechste Hagen sowie der Siebte Dresden nicht weit weg. Selbst die Eulen Ludwigshafen (27:25/drei Spiele weniger) können ins vordere Drittel vorstoßen. 

Essen hat die besonders dicken Brocken fast alle hinter sich und bei neun ausstehenden Aufgaben fünf Mal Heimrecht in der Halle „Am Hallo“. Mindestens einige dieser Aufgaben werden in dieser hinter den Gummersbachern ausgeglichenen 2. Bundesliga trotzdem zu einer echten Herausforderung – unter anderem die Partien am 6. Mai gegen den Dessau-Roßlauer HV, am 14. Mai beim TV Emsdetten, am 20. Mai gegen den TSV Bayer Dormagen und am 28. Mai beim TV Großwallstadt. Was diese vier Klubs eint: Sie sind allesamt stark gefährdet und stecken mitten im Kampf gegen den Abstieg. Was sich TuSEM insgesamt bis zum Saisonfinale am 11. Juni beim HC Empor Rostock vorstellt, hat Naji zur Verschluss-Sache erklärt: „Wir haben uns intern ein Ziel gesetzt, wollen darüber aber nicht reden.“ In knapp zwei Monaten könnten wir abgleichen, ob Wunsch und Wirklichkeit zueinander passen. Unserer Einschätzung nach werden die Essener genau jenen sechsten Rang einnehmen, von dem ihr zum Bergischen HC In die Bundesliga wechselnder Trainer am Anfang sprach. 

 

Sie müssen bangen: Torhüter Martin Juzbasic, Co-Trainer David Röhrig, Fynn Johannmeyer und Trainer Peer Pütz (von links) hoffen aber sehr, dass sie mit Dormagen den Weg ans rettende Ufer schaffen. (Foto: Thomas Schmidt)

TSV Bayer Dormagen Im Sportcenter werden sie sich  vermutlich gar nicht mehr gerne an diese Aussage erinnern: „Wir wollen so schnell wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Alles ab Platz zwölf nach oben wäre super.“ Erstens stammt die Einschätzung vom einstigen Trainer Dusko Bilanovic, dem der Verein in der Winterpause am Anfang des Jahres 2022 den Stuhl vor die Tür setzte. Und zweitens hat sie rein gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun – wie im Übrigen natürlich der schwierige Saisonverlauf keinesfalls alleine oder überwiegend auf das Konto von Bilanovic geht. Ein Nachkarten oder Aufarbeiten dieser Frage dürfte allerdings entfallen, sollten die Dormagener unter der Federführung von Chefcoach Peer Pütz (vorher Co-Trainer), der zusammen mit David Röhrig ein Trainerduo bildet, den Klassenerhalt schaffen. Das ist allerdings alles andere als garantiert, obwohl sich die Dormagener zuletzt gleich zweimal hintereinander auf das vorher oft vermisste Glück verlassen konnten – beim 26:25 gegen den VfL Lübeck-Schwartau und erst recht beim 26:25 als Gast des ThSV Eisenach. Hier standen die Thüringer mit Ballbesitz vor dem entscheidenden Treffer, den allerdings auf der anderen Seite zwei Sekunden vor Schluss Jan Reimer für den TSV Bayer erzielte. Unter dem Strich verbesserten Pütz/Röhrig ihre Ausbeute mit der Mannschaft auf 9:11 Punkte aus zehn Spielen – was dazu geführt hat, dass Dormagen überhaupt wieder an den Klassenerhalt denken darf.

Ganz unten nimmt der TSV bei 18:36 Punkten auf Rang 19 gemeinsam mit dem TV Emsdetten (Platz 18/20:38) und dem EHV Aue (17:41) die drei Abstiegsplätz ein. Die erweiterte Gefahrenzone beginnt aber schon beim Dessau-Roßlauer HV (14./23:31), dem HSC Coburg (15./22:30), dem TV Großwallstadt (16./21:35) und dem TuS Ferndorf (17./20:36). Was für den TSV Bayer spricht: Er bekommt es noch vier Mal mit der direkten Konkurrenz aus diesem Umfeld zu tun – am 22. April gegen Großwallstadt, am 30. April in Emsdetten, am 27. Mai gegen den EHV Aue und am 11. Juni gegen den TuS Ferndorf. Was gegen Dormagen spricht: Es warten auch Schwergewichte wie Gummersbach (4. Mai), Hüttenberg (7. Mai), Hagen (11. Mai), Essen (20. Mai) und Nordhorn-Lingen (4. Juni). Für das Hammer-Programm im Mai muss sich Pütz‘ Team mit weiterem Schwung versorgen, weil es ohne die eine oder andere Überraschung nicht reichen wird.

Daraus folgt: Dormagen steht natürlich weiter unter Druck, Dormagen muss bei der Fortsetzung der Meisterschaft am 22. April das Schlüsselspiel gegen Großwallstadt unbedingt gewinnen und am besten auch am 30. April in Emsdetten. Dann und nur dann, wenn die Ausbeute aus dem späten April stimmt, wird sich für die Mannschaft ein Weg ans rettende Ufer auftun. Unsere Prognose: Dormagen setzt den Ritt auf der Rasierklinge bis zum Finale fort und braucht zur Rettung auch fremde Hilfe. Ob es den Abstieg in die 3. Liga vermeiden kann? Die Antwort: Jein. Die Punkte dafür und die dagegen halten sich fast die Waage. Vermutlich wären die Dormagener auf eine eigene Art bereits glücklich, wenn sie am 11. Juni gegen Ferndorf noch alles selbst in der Hand hätten.