21. April 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Diese Meinung hatten vor dem Start in die Saison 2021/2022 nicht wenige: Die 2. Bundesliga ist so stark wie noch nie. Gründe: Klubs wie der VfL Eintracht Hagen seien keine typischen Aufsteiger, außerdem würden die vier Bundesliga-Absteiger Eulen Ludwigshafen, HSG Nordhorn-Lingen, TuSEM Essen und HSC Coburg für einen weiteren Qualitätsschub sorgen und für reichlich Spannung im Kampf um den Aufstieg in die höchste deutsche Klasse. Sicher ist aber, dass jene Einschätzung den Nagel nicht mehr wirklich auf den Kopf treffen wird und die Wahrheit mag irgendwo in der Mitte liegen. Spannend ist es, aber eher im unteren Tabellendrittel – wo wohl sieben Teams die drei Absteiger unter sich ausmachen. Und vorne? Da hat sich der in der vergangenen Serie als Dritter knapp gescheiterte VfL Gummersbach mit 46:10 Punkten derart klar von der Konkurrenz abgesetzt, dass ihm nicht nur der zur Rückkehr in die Bundesliga ausreichende zweite Platz gehören dürfte, sondern sogar die Meisterschaft. Neben den eigenen Qualitäten (Kaderbreite, Heimstärke) ist dafür zusätzlich die Bereitschaft der Konkurrenz verantwortlich, den Gummersbachern regelmäßig durch eigene Ausrutscher unter die Arme zu greifen – wie es kürzlich der Zweite Nordhorn (40:16) mit der 21:22-Niederlage bei der DJK Rimpar Wölfe vormachte.
Auf den direkten Verfolger trifft die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson am 1. Mai, der tatsächlich in der Schwalbe-Arena der nächste Feiertag werden könnte. Klar: Gewinnt Gummersbach diesmal wieder gegen die HSG (wie beim überzeugenden 28:22 in der Hinrunde), kommt es seinem Saisonziel einen großen Schritt näher. Auf dem Weg dorthin sind allerdings zunächst zwei mit viel Aufwand verbundene Aufgaben zu lösen. Reisetechnisch beginnt der Endspurt mit der rund 470 Kilometer weiten Fahrt zur Partie am Freitagabend beim EHV Aue, ehe am Montagabend der Auftritt beim ungefähr 500 Kilometer entfernten Dessau-Roßlauer HV folgt. Aus rein sportlicher Sicht darf/muss der Spitzenreiter davon ausgehen, dass ihm beide Kontrahenten nichts schenken wollen – weil sie noch lange nicht in Sicherheit beziehungsweise eher extrem gefährdet sind. Schlusslicht Aue (17:41 Punkte) steht unten längst mit dem Rücken zur Wand und Dessau muss auf Rang 15 (23:31) gut auf sich aufpassen. Insgesamt ist der Tabellenführer natürlich bereits in Aue klarer Favorit und er geht die Fortsetzung der Saison nach der Länderspielpause mit viel Selbstbewusstsein an. „Es war eine gute Woche, um unsere Batterien wieder aufzuladen. Ich bin mir sicher, dass wir jetzt in einer noch besseren Verfassung sind als vorher“, sagt etwa Torhüter Martin Nagy.
Wundern musste sich in dieser Woche Jamal Naji als Trainer der Essener – und er traute seinen Augen fast nicht. „Wir sind voraussichtlich seit November das erste Mal wieder komplett. Das heißt, es gibt keine Corona-Problematiken und keine Verletzungssorgen“, sagt Naji, „es dürften fast alle wieder bei hundert Prozent sein. Das ist eine ganz ungewohnte Situation.“ Dass sich darauf keine Garantie auf einen Sieg am Freitagabend über den ThSV Eisenach (Elfter/29:27 Punkte) ableiten lässt, ist ihm klar – trotz oder gerade wegen des souveränen 34:28 aus der Hinrunden-Partie in Thüringen. „Mit ihrer 5:1-Deckung haben sie einigen Mannschaften schon große Probleme bereitet, Wir waren damals sehr dominierend, damit rechne ich in diesem Spiel nicht. Sie werden ihre Lehren daraus gezogen haben“, meint der TuSEM-Coach, der dennoch am Plan der Essener (Vierter/33:25 Punkte) keinen Zweifel lässt: „Natürlich haben wir den Anspruch, das Spiel zu gewinnen. Wir sind gespannt, wie wir mit der eher ungewohnten Situation eines vollen Kaders zurechtkommen. Aber das kann ja nur von Vorteil sein.“
Das gilt sicher auch in der Gesamtschau auf die neun verbleibenden Aufgaben, bei denen Essen fünf Mal in der Halle „Am Hallo“ antreten kann. Obwohl TuSEM die besonders dicken Brocken bereits hinter sich hat, warten ein paar echte Herausforderungen – unter anderem die Partien am 6. Mai gegen den Dessau-Roßlauer HV, am 14. Mai beim TV Emsdetten, am 20. Mai gegen den TSV Bayer Dormagen und am 28. Mai beim TV Großwallstadt, die allesamt stark gefährdet sind und mitten im Kampf gegen den Abstieg stecken. Gleichzeitig ergibt sich daraus die nicht wirklichkeitsfremde Möglichkeit, den aktuellen vierten Platz tatsächlich zu behaupten. Essens Vorteil: Es hat keinerlei Verpflichtung und keine Aussichten, die drei vor ihm liegenden Konkurrenten Gummersbach, Nordhorn-Lingen und ASV Hamm-Westfalen (37:19 Punkte) irgendwie zu bedrängen. Auf der anderen Seite besteht selbstredend der eigene Anspruch, aus dem Schluss-Stück der Serie das Optimum herauszuholen. Das ist für den Klub, der sich selbst gerne „Ruhrpottschmiede“ nennt, grundsätzlich ja eine beneidenswerte Situation.
Davon kann ein paar Stockwerke tiefer beim TSV Bayer Dormagen im Keller der Tabelle keine Rede sein, denn das Team von Trainer Peer Pütz liegt mit 18:36 Zählern weiter auf einem Abstiegsplatz – trotz des 26:25 über den VfL Lübeck-Schwartau, trotz des 26:25 beim ThSV Eisenach. Diese beiden Siege haben die Dormagener immerhin in die Lage versetzt, überhaupt wieder/weiter realistisch an den Klassenerhalt glauben zu dürfen. In größerer Gefahr stecken vermutlich alle Klubs ab Rang 14 – wo sich zurzeit Bundesliga-Absteiger HSC Coburg aufhält (24:30 Punkte), der am Dienstagabend mit dem 27:25 beim Fünften TV Hüttenberg (31:23) einen wertvollen Erfolg holte. Dahinter folgen der Dessau-Roßlauer HV (23:31), der TV Großwallstadt (21:35), der TuS Ferndorf (20:26), der TV Emsdetten (20:28), Dormagen und der EHV Aue (17:41). Gegen zwei direkte Konkurrenten spielt der TSV Bayer nun im auslaufenden April – am Freitagabend gegen den TV Großwallstadt und nach der Partie gegen die Eulen Ludwigshafen (27. April) zum Monats-Abschluss am 30. April in Emsdetten. Daraus ergibt sich: Dormagen muss gegen Großwallstadt und Emsdetten gewinnen, um seine Chancen zu wahren. Niederlagen wären richtig teuer.
TSV-Coach Pütz ist sehr darum bemüht, den Druck von seiner Mannschaft zu nehmen und die Bedeutung einzelner Begegnungen abzumildern. „Es gab auch vorher schon Spiele, von denen gesagt wurde, wir müssen die gewinnen. Und wir haben uns jetzt so zurückgekämpft. Von daher bringen uns diese Endspiel-Vergleiche immer nichts“, findet Pütz, „wir haben noch elf Spiele und in denen wollen wir so viele Punkte wie möglich holen.“ An dem Ziel, das er gemeinsam mit dem Team bereits gegen Großwallstadt verfolgt, gibt es dabei selbst aus seiner Sicht wenig zu rütteln: „Wir versuchen natürlich, den Flow aus den letzten Spielen mitzunehmen. Wir hatten da ja wirklich eine gute Tendenz und eine gute Entwicklung. Wir wollen nachlegen.“ Der Blick zurück in den November 2022 zeigt außerdem, dass inzwischen genau der richtige Zeitpunkt für eine Wiedergutmachung da wäre – weil Dormagen beim 26:36 in Großwallstadt eine nicht zweitliga-taugliche Vorstellung ablieferte. Kein Überraschung: Seinerzeit waren die TVG-Rückraumspieler Tom Jansen (rechts) und Savvas Savvas (links) mit jeweils acht Toren kaum auszuschalten. Beide zusammen haben in dieser Saison bereits über 300 Treffer erzielt (Savvas 186/Jansen 136) und nehmen damit in der Torschützenliste der 2. Bundesliga die Plätze zwei und 13 ein – was ausdrückt, wie viel Arbeit auf die Gastgeber wartet. Was trotz allem statistisch leicht für den TSV spricht: Er holte aus bisher zehn Begegnungen im Jahr 2022 in der Addition 9:11 Zähler, Großwallstadt aus einer Partie mehr nur 8:14.