Harz beiseite
Michel Girbes: Er will der „durchsichtige“ Präsident sein
Der frühere TK-Vorsitzende, der viel Wert auf Transparenz legt, strebt die Nachfolge von Ernst Wittgens an. Weil der Niederrhein ein Auslaufmodell ist, würde Girbes auch im neuen Verband Nordrhein antreten.

Wir kandidieren! Michael Girbes, Norbert Büning, Marcus Looschelders und Wolfgang Goeken (von links) wollen Verantwortung übernehmen – und am liebsten manches verändern. (Foto: MG)

Mai 2020. Michael Girbes, der Handball-Verrückte aus dem Alpener Ortsteil Menzelen im Kreis Wesel, ist voll im Geschäft – beruflich als selbstständiger Berater von Unternehmen und als Dozent in den Bereichen Ladungssicherung, Gefahrgut und Qualitäts-Management, sportlich in den verschiedensten Funktionen für Kreis und Verband. Schon damals gehört der frühere Drittliga-Schiedsrichter zu denen, die den Handball aktiv durch die Corona-Pandemie steuern und den Spielbetrieb so weit wie möglich aufrechterhalten wollen. Manchmal ist es für ihn besonders in der Funktion des Vorsitzenden der Technischen Kommission eine Quadratur des Kreises, die ja in der Mathematik immer noch als ungelöstes Rätsel gilt. Aber Girbes gilt dabei nicht als jemand, der vor Hindernissen oder größeren Schwierigkeiten jedweder Art zurückschreckt oder sich gar aus der Verantwortung zurückzieht. Dennoch passiert es ein halbes Jahr später. Anfang November 2020: Michael Girbes, einst auch der Projektverantwortliche für die Einführung der Ergebnis-Plattform NuLiga, tritt als TK-Vorsitzender zurück und scheidet damit aus dem Präsidium des Handball-Verbandes Niederrhein aus. Es ist damals bereits ein offenes Geheimnis und inzwischen längst allgemein bekannt, dass es intern immer wieder starke Stimmungs-Störungen gab sowie zum Teil wesentlich voneinander abweichende Auffassungen darüber, wie der Handball am besten zu führen sei. Wer Girbes kennt, der wusste schon damals: Das wird nicht alles gewesen sein. Stimmt ja auch. Im Hintergrund reift in ihm Schritt für Schritt und dann immer energischer eine Idee, dass er den ganzen Handball-Zirkus viel zu sehr liebt, um ihm den Rücken zu kehren. Hört sich seltsam an, ist aber so: Deshalb tritt Michael Girbes im März 2022 beim Kreistag erst einmal nicht mehr zur Wahl des Männer-Spielwartes in Wesel an. Es ist allerdings kein kompletter Abschied ins Private – sondern eher die Basis fürs Gegenteil. Girbes hat seinen Hut inzwischen in einen anderen Ring geworfen: Er will Präsident des Handball-Verbandes Niederrhein werden. Beim Verbandstag des HVN am 21. Mai in Essen wird sich zeigen, ob die Delegierten der Kreise ihn zum Nachfolger des nicht mehr kandidierenden Ernst Wittgens wählen oder ob sich der bisherige Vizepräsident Stefan Butgereit durchsetzt.

Girbes tritt mit einem umfangreichen Programm an, in dem er viel Wert auf Veränderungen legt – weil es seiner Ansicht nach einige und zu viele Dinge gibt, die so den Handball nicht weiterbringen und deshalb so nicht bleiben dürfen. Eines der wichtigsten Themen, die ganz oben auf der Liste der zu verwirklichenden Themen stehen: Transparenz. „Wir müssen uns in der Zusammenarbeit mit den Kreisen auf Augenhöhe bewegen“, sagt Girbes, dem Entscheidungen hinter verschlossenen Türen und am grünen Tisch ohne Einbeziehen der Betroffenen nach eigener Aussage total gegen den Strich gehen. Ein weiterer Punkt: Öffentlichkeitsarbeit und Darstellung des Verbandes nach außen – die ja nach unserer eigenen Beobachtung/Einschätzung praktisch gar nicht stattfindet und deshalb wirklich erst neu erfunden werden müsste. Der Präsidentschafts-Kandidat ordnet in diesen Bereich aber auch die interne Kommunikation ein, also die regelmäßige und rechtzeitige Information. Mit dem Blick auf die (rückläufige) Mitglieder-Entwicklung im HV Niederrhein soll darüber hinaus ein Projektteam entstehen, das Ideen für die Zukunft des Handballs ausarbeitet. Punkt vier im so genannten „Fünf-Säulen-Programm“ umfasst grob den Bereich „Sponsoring und Förderung“, also auch die Finanzen. Brisanz birgt dann nicht zuletzt der fünfte Punkt mit dem Titel „Zusammenschluss zum HV Nordrhein“ – ein Thema, das tatsächlich den Verdacht verstärkt fehlender Transparenz belegen dürfte.

Preisfrage: Welcher aktive Handballer oder Trainer weiß, wie es mit dem Handball am Niederrhein ab dem 1. Januar 2023 weitergehen soll? Klare Antwort: Wenige, wenn überhaupt. Für den 31. Dezember 2022 – also in knapp acht Monaten – ist allerdings der Zusammenschluss der Verbände Niederrhein und Mittelrhein nicht nur in der Planung, sondern offensichtlich längst abgemachte Sache. Beide gemeinsam sollen danach den neuen Handball-Verband Nordrhein bilden – der wiederum nicht zu verwechseln ist mit Handball Nordrhein. Dabei handelt es sich nicht um einen Verband, sondern nur um den vor einigen Jahren gegründeten und eingetragenen Verein, der die Mitte 2016 neu eingerichtete Regionalliga Nordrhein organisiert/verantwortet. Die immer noch relativ junge Klasse sollte als Mischung der alten Oberligen die jeweils besten Teams von Mittelrhein und Niederrhein beherbergen. Klar: Wenn nun die alte Struktur in eine neue münden soll, können die zurzeit bekannten Spielklassen naturgemäß nicht wie bisher funktionieren. Wir spekulieren an dieser Stelle ein wenig: Es gibt demnächst zwar nicht mehr die aktuelle Regionalliga – die jedoch unter dem Namen „Oberliga“ als neue höchste Klasse des neuen Verbandes bestehen bleibt (wie im Übrigen in allen anderen Verbänden ohnehin üblich). Gleichzeitig gibt es darunter die jetzigen Oberligen Mittelrhein und Niederrhein nicht mehr. Es ginge vielmehr mit Verbandsligen weiter. Sollen es zwei Gruppen werden oder doch eher drei? Die drei würden sich wohl eher eignen, weil zunächst die beiden zurzeit existierenden Oberligen zu berücksichtigen sind. Je weiter die Spielklassen nach unten gehen, um so komplizierter scheint es zu werden. Verschwinden nicht Mannschaften aus der Verbandsebene runter in die Kreisebene? Wie viele Landesligen gehen an den Start? Wer wird wohin eingeteilt? Wie sind Aufstieg und Abstieg in der kommenden Saison geregelt?

Und na klar: Die Kandidatur fürs Präsidium bedingt eine Art Wahlkampf, weil die zur Entscheidung zusammenkommenden Delegierten als Vertreter ihrer Kreise (und damit der dort ansässigen Vereine) wissen sollen, über was sie zu befinden haben. Dabei geht es allerdings nicht nur um Inhalte, sondern gleichzeitig um das „spielende“ Personal. In den vergangenen Monaten hat Michael Girbes deshalb in vielen Gesprächen nach Mitstreitern gesucht und sie auch gefunden. Er selbst will demnach der erste Mann im Verband werden – jedoch eher als Erster unter Gleichen und nicht als alles bestimmende Spitze. Für den Posten des Vizepräsidenten kandidiert Norbert Büning, der sich als Vorsitzender des ATV Biesel ebenfalls mit vielen Belangen des Handballs auskennt. Vizepräsident Finanzen soll der gelernte Buchhalter Marcus Looschelders werden, der dem Handball seit fast vier Jahrzehnten als Spieler, Trainer und Schiedsrichter verbunden ist. Für die Position des Vizepräsidenten Recht steht Sportmanager Christian Strauß zur Verfügung – einst aktiver Spieler und inzwischen seit vielen Jahren als Schiedsrichter-Lehrwart tätig. Das zu wählende Team könnte Wolfgang Goeken vervollständigen, den Girbes als seinen idealen Nachfolger für die Leitung der Technischen Kommission sieht. Goeken ist im Verband und im Kreis Düsseldorf als Schiedsrichter und Betreuer bekannt und nicht zuletzt als früherer Erster Vorsitzender des Oberligisten Unitas Haan, zu dessen erweitertem Vorstand er heute noch gehört. Ganz sicher schon zum neuen Präsidium des Handball-Verbandes Niederrhein gehört Michaela Hufschmidt – allerdings eindeutig nicht als Mitglied des von Girbes gebildeten Teams, sondern nach den festen HVN-Regularien: Sie wurde am 19. März in Essen beim Niederrhein Jugendtag mit klarer Mehrheit wiedergewählt und hat dadurch automatisch einen Sitz im Präsidium.

Ergibt denn die Wahl eines komplett neuen Präsidiums für die paar Monate bis zum Jahresende und dem bevorstehenden Verschwinden des HVN überhaupt Sinn? Michael Girbes hat nur ein eindeutiges Ja als Antwort: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, jetzt erst recht.“ Außerdem hat er (wie seine Mitstreiter Büning, Looschelders, Strauß und Goeken) nicht im Sinn, die nach ihrer Auffassung unerlässlichen Strukturänderungen in ein paar Monaten wieder abzubrechen und in irgendeiner Schreibtisch-Schublade zu verstauen. „Wir treten ja am Niederrhein nicht an, um nicht auch dort zu kandidieren“, betont Michael Girbes, der mithin im noch zu gründenden Handball-Verband Nordrhein ebenfalls die Führungs-Position anstrebt. Und falls es am Niederrhein nicht zur Wahl reicht, falls sich Mitbewerber Butgereit durchsetzt? „Dann bin ich ohne Amt“, sagt Girbes. Natürlich wünscht er sich, dass es anders kommt.