Harz beiseite
Stefan Butgereit: Er will den Handball wetterfest machen
Der bisherige Vize strebt beim Verbandstag des Handball-Verbandes Niederrhein am kommenden Samstag in Essen die Position des Präsidenten an.

Mit klarem Blick: Stefan Butgereit ist schon eine halbe Ewigkeit im und für den Handball unterwegs. Jetzt will er der oberste Handballer am Niederrhein werden. (Foto: SB)

Eins ist seine Kandidatur wohl kaum: Eine ganz große Überraschung. Wenn der aktuell amtierende Präsident seinen Platz räumen will und der „Vize“ über reichlich Erfahrung sowie viele Kontakte in der Branche verfügt, liegt es doch eher nahe, dass der bisherige zweite Mann an die Spitze rückt – oder es zumindest versucht, weil die Entscheidung darüber ja erst noch in einem Wahlgang getroffen werden muss. Trotzdem drängte Stefan Butgereit, der mögliche Nachfolger von Ernst Wittgens, der den Staffelstab beim Verbandstag des Handball-Verbandes Niederrhein am 21. Mai in Essen weiterreichen will, zuerst gar nicht mit Macht danach, sich praktisch zum obersten Handballer am Niederrhein wählen zu lassen. „Es geht nicht um Stefan Butgereit, sondern um den Handball“, sagt der allgemein Sport-Verrückte, dessen Tag im Moment in der Kombination aus beruflicher Beanspruchung, Familie und Handball gut und gerne mehr als 24 Stunden umfassen könnte. Butgereit tritt bei der Wahl an gegen Michael Girbes, den ehemaligen Leiter der Technischen Kommission. Beide haben eine gemeinsame Vergangenheit auf Funktionärs-Ebene und beide haben einst selbst Handball gespielt. Und beide sind vor allem daran interessiert, „ihren“ Sport nach vorne zu bringen. Dass dabei in einigen Punkten unterschiedliche Ansichten aufeinandertreffen, liegt in der Natur der Sache. Weil beide Kandidaten aber streng demokratisch denken, werden sie die Entscheidung der Delegierten respektieren und jeweiligen Mitbewerber entsprechend fair gratulieren.

Einer der größeren Unterschiede: Während Girbes mit einem neu zusammengestellten Team antritt, baut Butgereit auf eine „alte“ Mannschaft – die so bis auf eine Ausnahme schon im aktuellen Präsidium vertreten ist. Auf den Chefsessel will Stefan Butgereit selbst klettern, als Vizepräsident ohne grundsätzlich fest beschriebenen Aufgabenbereich würde er gerne Andreas Caris an seiner Seite sehen – den Schiedsrichter-Spezialisten, der sich schwerpunktmäßig dem widmen soll, was die leicht technisch wirkende Sprache „Schiedsrichter-Wesen“ nennt. Der Grundgedanke: Menschen an der Pfeife gibt es sowieso nicht in ausreichender Zahl – und ohne sie läuft wenig, jedenfalls keine geordneter Spielbetrieb. Also haben es die Spielleiter längst verdient, dass jemand etwas intensiver ihre Interessen und ihre Sicht auf den Handball verfolgt. Als Vizepräsident Recht soll nach Butgereits Wunsch der bisherige Amtsinhaber Martin Mende weitermachen, als Vizepräsident Finanzen der aktuelle „Herr des Geldes“ Frank Steinhaus. Nicht mehr ins Präsidium muss Michaela Hufschmidt gewählt werden, weil sie dort automatisch einen Sitz hat – nachdem sie vor einigen Wochen der Verbandstag der Jugend mit großer Mehrheit als Vorsitzende des Jugend-Ausschusses bestätigt hat.

Vieles von dem, was Stefan Butgereit antreibt, steht für ihn unter dem General-Stichwort „Professionalisierung“. Und dabei ist es offensichtlich so, dass sich selbst die Verantwortlichen des Deutschen Handball-Bundes DHB für das interessieren, was gerade am Niederrhein geschieht. Eine der Gäste wird auf jeden Fall Marc Schober sein, der Vorstands-Vorsitzende des DHB. Schober steht als prominenter Vertreter des Handballs auf der Liste der Redner, die Grußworte sprechen, ehe es ab Punkt 11 mit der „Wahl der Mitglieder des Präsidiums“ richtig spannend wird. Die Delegierten der acht Handball-Kreise Krefeld/Grenzland (7 Stimmen), Bergischer Kreis (5), Kreis Rhein/Ruhr (5), Wesel (5), Mönchengladbach/Rheydt (4), Düsseldorf (4), Wuppertal/Niederberg (3) und Essen (3) entscheiden in geheimer Wahl darüber, wie sie die 36 Stimmen verteilen und wer den HVN für die restliche Zeit seines Bestehens führen soll. Denn klar ist: Die bisherige Konstruktion der Verbände ist ein Auslaufmodell, auf die am 31. Dezember 2022, also in gut sieben Monaten, der künftige und noch zu gründende Handball-Verband Nordrhein folgen soll. Für Stefan Butgereit ist das dann wiederum nur der nächste notwendige Schritt, um den Handball auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten und auf seine eigene Art wetterfest zu machen. Die vereinfachte Formel: Gemeinsam sind wir stark, Kleinstaaterei bringt uns nicht weiter.

Butgereit erinnert sich noch genau an eine Versammlung im Jahr 2010 auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhalle, an der Vertreter des Westdeutschen Handball-Verbandes sowie der Verbände Westfalen, Niederrhein und Mittelrhein teilnahmen. Seine Idee bereits damals: „Lasst uns gemeinsam einen Handball-Verband Nordrhein-Westfalen bilden.“ Fast kein Wunder: Besonders große Zustimmung oder gar eine Mehrheit für die beinahe revolutionäre Idee gab es seinerzeit nicht. Und die allumfassende Lösung liegt selbst über ein Jahrzehnt später nicht auf den Tisch. Kommt alles, wie sich das die Beteiligten ausgedacht haben, wird die Zahl allerdings auf die Hälfte reduziert. „Unsere Aufgabe ist es, aus vier eben zwei zu machen“, sagt Stefan Butgereit. Wer es durchrechnet, stellt zuerst fest: Den Westdeutschen Handball-Verband wird es demnach gar nicht mehr geben, sondern nur noch den HV Nordrhein als Nachfolger und Zusammenschluss aus Niederrhein und Mittelrhein. Hier Nordrhein, dort Westfalen – klingt immerhin wie Nordrhein-Westfalen. Ob das alles ohne weitere Debatten über die Bühne geht, ist wieder eine ganz andere Frage.

Stefan Butgereit ist von der Nordrhein-Variante überzeugt und er geht deshalb sehr fest davon aus, dass sein „Job“ als HVN-Präsident eine Art Übergangsbeschäftigung im Sport darstellt – die ihm gerade jetzt neben der beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens aus dem Sektor Immobilien/Finanzen oder als Gutachter für Immobilien eine Menge Einsatz verlangt. Das wiederum ist mit den eigenen Hobbys wie Beach-Volleyball oder Tennis in Einklang zu bringen – was beinahe der Quadratur des Kreises ähnelt. „Ich bin allgemein sportverrückt“, räumt Butgereit ein, „und immer, wenn ich auf den Handball sehe, kommt mir der Fußball vor wie in Zeitlupe. Ich hänge total am Handball, ich will den Handball weiterentwickeln und vorantreiben.“ Über eine mögliche Kandidatur in eine führende Position des künftigen HV Nordrhein mag er dafür zurzeit noch gar nicht sprechen: „Über Personen sollte wir als Letztes reden. Und es muss ja auch erst die Fusion stehen.“ Ganz nebenbei hofft Stefan Butgereit natürlich, dass er bei der Wahl des HVN-Präsidenten die Mehrzahl der Delegierten-Stimmen auf sich vereinigen wird. Und falls es nicht klappt? „Dann freut sich meine Frau“, meint Butgereit. Damit sieht es eigentlich ganz danach aus, dass der Verbandstag sowieso nur Gewinner hervorbringen wird.