2. Bundesliga
Der Mann im Ohr: Dormagen gewinnt in Essen
Der TSV Bayer holt mit dem 29:25 bei TuSEM zwei wichtige Punkte für den Klassenerhalt. Meister Gummersbach wird beim 29:30 in Dresden zu spät wieder wach.

Die Hände zum Himmel: Trainer Peer Pütz (vorne) und seine Dormagener durften nach dem Sieg in Essen mit Recht zwei wertvolle Punkte feiern. (Foto: Thomas Schmidt)

TuSEM Essen – TSV Bayer Dormagen 25:29 (13:14). Sie feierten, als wären sie gerade eben Meister geworden. Und angesichts des permanenten Kampfes gegen den Abstieg konnte der Sieg auch wenigstens als Meilenstein auf dem Weg zum Klassenerhalt durchgehen, weil die Dormagener nach dem verdienten Erfolg weiter alles selbst in der Hand haben. Das Team von Trainer Peer Pütz konnte bei jetzt 27:43 Punkten zudem erneut die Abstiegsplätze verlassen, die nun wieder der TV Großwallstadt (26:42), der TV Emsdetten (21:45) und der EHV Aue (21:47) einnehmen. Wie Dormagen zwei wertvolle Zähler holte am Freitagabend der auf Rang 16 (28:42) verbesserte TuS Ferndorf mit dem 31:24 bei der DJK Rimpar Wölfe – was in der Summe bedeutet, dass es bis zum Ende der Saison spannend bleibt. „Das war ein megawichtiger Erfolg für uns und sehr beruhigend auch, dass wir in der Schlussphase den Abstand gehalten haben“, fand Co-Trainer David Röhrig, „wir haben eine super Leistung hingelegt, sowohl vorne als auch hinten einen guten Job gemacht. Wir sind extrem happy, aber das wird bis zum letzten Spieltag so weitergehen. Das haben wir nach Niederlagen gesagt und das sagen wir auch jetzt. Wir dürfen uns kurz freuen und müssen dann ans nächste Spiel denken. Wir werden weiter punkten müssen.“ Erstaunlich bei alledem: Röhrig war selbst krank und musste von zu Hause aus am Fernseher alles mit ansehen. Trotzdem war er nicht nur dabei, sondern mittendrin.

Es gehört zur Geschichte dieses Abends, dass Röhrig mit dem neben Peer Pütz auf der Bank sitzenden Florian Buddenborg digital verbunden war – praktisch als zusätzlicher Mann im Ohr. Buddenborg, in der Dormagener A-Jugend bisher der Co-Trainer von Röhrig, nahm die hin und wieder eintreffenden Hinweise des „Fernsehers“ Röhrig entgegen und gab sie an Peer Pütz weiter. So viele Kommentare waren es nach Röhrigs Aussage jedoch nicht: „Nur, wenn mir etwas aufgefallen ist und ich eine Idee reinbringen wollte.“ Nach dem Ende der ersten und vor dem Beginn der zweiten Halbzeit gab Buddenborg, der in der nächsten Saison im Übrigen für die Essener arbeiten wird, dann sein „Hörgerät“ an Pütz weiter – um dem Chefcoach und Röhrig die kurze Chance zu verschaffen, das Gesehene eben miteinander abzugleichen.

Dormagen blieb nach dem frühen 1:0 (2.) von Mislav Grgic ein gleichwertiger Gegner, schien allerdings vorübergehend den Faden zu verlieren – 5:7 (15.), 7:9 (19.), 9:12 (23.). Das 11:13 (28.) war kurz darauf aber der Auslöser für eine deutliche Steigerung, die in den letzten zwei Minuten vor der Pause durch drei Treffer hintereinander eine 14:13-Führung brachte. Was Essen und besonders dessen mit Peer Pütz befreundeten Trainer Jamal Naji besonders zu beeindrucken schien: Dormagen dachte nicht im Geringsten daran, nur einen Millimeter nachzugeben oder sonst irgendwie nachzulassen – im Gegenteil: Drei Minuten und elf Sekunden nach dem Wechsel lag der TSV Bayer mit 17:13 (34.) vorne und war nun endgültig auf den Geschmack gekommen, den Essenern den Abend gründlich zu verderben.

Was immer TuSEM bis hin zum siebten Feldspieler und einer offenen Manndeckung probierte: Dormagen, das leidenschaftlich kämpfte, fand über eine starke Teamleistung praktisch immer eine Antwort. Übers 19:15 (38.) und 20:17 (40.) wehrten die Gäste alle Versuche der Hausherren ab – wie durch die drei Treffer zum 23:17 (43.). Und als Essen vom 19:25 (48.) auf 22:25 (52.) oder 23:26 (56.) verkürzt hatte, nutzte Jan Reimer einen Siebenmeter, den Patrick Hüter herausgeholt hatte, sicher zum 27:23 (58.). Kurz darauf zeigte TSV-Keeper Martin Juzbasic beim Stande von 28:25 (60.) seine stärkste Parade an diesem Abend, als er gegen Essens frei vor ihm auftauchenden Tom Rozman hielt. Auf der anderen Seite besorgte Sören Steinhaus mit dem 29:25 den Schlusspunkt. Dormagen war endgültig auf Wolke sieben und Essen mit dem früheren Bayer-Jugendcoach Jamal Naji bedient.

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Beyer (10/7), Ellwanger (1), Glatthard, Rozman (2), Dangers (2), Becher, Ignatow (1), Szczesny (2), Bergner, Müller (2), Firnhaber (1), Seidel (2), Morante Maldonado (2), Klingler.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Meuser (3), Leitz, Senden (7), I. Hüter (3), Reimer (6/2), Grgic (3), Zurga, P. Hüter (4), Johannmeyer, Grbavac, Seesing (1), Steinhaus (2), Mast.

 

HC Elbflorenz Dresden – VfL Gummersbach 30:29 (12:16). Das sah doch auf den ersten Blick ganz danach aus, als könnte der Spitzenreiter aus dem Oberbergischen nach der Feier-Orgie rund um Meisterschaft und Rückkehr in die Bundesliga auf der ersten von vier Etappen im Saison-Endspurt relativ beeindruckend den eigenen Ansprüchen gerecht werden. Vielleicht war es aber auch nur ein Täuschungsmanöver der in den vergangenen Wochen durchaus sehr wechselhaft auftretenden Hausherren – die in den ersten zwölf Minuten überall zu sein schienen, nur nicht in der heimischen Ballsport-Arena anwesend. Der Favorit, aus Gummersbach, der angekündigt hatte, den kleinen Rest der Serie ebenfalls mit voller Hingabe und Leidenschaft zu bewältigen, kam nahezu mühelos zu seinen Treffern und legte im ICE-Tempo eine 10:2-Führung (12.) vor. Was da keiner ahnen konnte: Das war es an diesem Abend für einen ganz langen Zeitrahmen mit den Gummersbachern, die sich vorübergehend vollständig aus der Partie verabschiedeten und über weite Strecken vor allem der zweiten Halbzeit eher ein Schatten ihrer selbst waren. Am Ende gab es deshalb eine Niederlage, die das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson trotz der übersichtlichen Leistung vermutlich fast gelassen registrieren wird. Mit 56:14 Punkten thront der Tabellenführer unverändert meilenweit über den „Verfolgern“ ASV Hamm-Westfalen (43:25) und HSG Nordhorn-Lingen (42:24).

Bereits mit dem 6:1 (7.) und 8:2 (10.) fegte Gummersbach wie ein Orkan über die Gastgeber hinweg (Achter/37:31 Punkte), die dem VfL viel Raum ließen. Dass es später mal ganz anders aussehen würde, wollte sich wohl beim Favoriten selbst beim 11:4 (14.) niemand vorstellen, obwohl sich die Phase bis zum 12:5 (19.) bereits deutlich mühseliger gestaltete. Richtig ungemütlich wurde es allerdings erst nach dem 15:8 (23.), weil der Angriff seine vorherige Effektivität endgültig einbüßte und bis zum 16:12 (30.) am Ende der ersten Halbzeit nur ein weiteres Tor produzierte. Weil Gummersbach den Start in die zweite Halbzeit in den Sand setzte und den 17:17-Ausgleich (37.) hinnehmen musste, begann sich die Waage gar nicht mehr so langsam auf die andere Seite zu neigen und das 18:17 (38.) von Ellidi Vidarsson war die letzte Führung überhaupt für Gummersbach – 18:21 (41.), 20:23 (46.). Den 22:23-Anschluss (50.) beantwortete Dresden schnell mit dem 24:22 (51.), 25:22 (51.) und 26:22 (53.). Sigurdsson nahm sofort eine weitere Auszeit – die eine Art des Aufbäumens und die Wieder-Aufnahme der Torproduktion auf höherem Niveau für die Schlussphase erzeugte. Der VfL verkürzte vom 25:28 (56.) und 26:29 (59.) auf 28:29 (60.), doch Dresden gelang durch Oskar Emanuel direkt das 30:28 (60.) und nach dem Treffer von Julian Köster zum 29:30 (60.) blieb der finale Vidarsson-Wurf in der hektischen letzten Minute im Block hängen. Gummersbach wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, zu spät wieder aufgewacht zu sein – und deshalb höchstwahrscheinlich trotzdem keine schlaflosen Nächte verbringen.

VfL Gummersbach: Nagy, Ivanisevic – Fanger (1), Vidarsson (2), Köster (6), Blohme (3), Häseler (3), Hermann (2), Herzig (3), Pregler, Dzialakiewicz (3), Santos (1), Kiesler, Stüber, Zeman, Bozovic (5/4).