2. Bundesliga
Drei-Spiele-Krimi: Schafft Dormagen das Happy End?
TSV Bayer hat gegen Aue einen ersten Matchball im Abstiegskampf. Meister Gummersbach will makellose Heimspielweste behaupten. TuSEM Essen gewinnt Nachholspiel gegen SG BBM Bietigheim mit 31:27.

Dreh- und Angelpunkt: Ian Hüter ist bei den Dormagenern für Takt und Rhythmus zuständig. Der Regisseur, der in Teil eins der Saison nicht wenige Partien wegen Verletzung verpasste, spielt gerade in der aktuell entscheidenden Phase wieder auf Top-Niveau. (Foto: Thomas Schmidt)

6. Februar 2022: Beim TSV Bayer Dormagen sitzen Peer Pütz und David Röhrig als neues Trainerduo zum ersten Mal an Stelle des in der Januarpause entlassenen Dusko Bilanovic auf der Bank. Sie sollen das schwierige Unternehmen Klassenerhalt zu einem guten Ende führen – was besonders damals sehr, sehr schwierig aussieht. Der Start mit zwei Niederlagen ist zudem wenig vielversprechend und die ersten acht Spiele bringen mit insgesamt 5:11 Zählern auch keine wesentliche Entlastung. Das 28:35 beim ebenfalls gefährdeten Dessau-Roßlauer HV lässt sogar das Schlimmste für Dormagen befürchten, weil dem Team an diesem Abend die Klassentauglichkeit komplett abgeht. Das war am 30. März – was jetzt im Rückblick wie aus einer fernen Galaxie zu stammen scheint. Die beiden folgenden 26:25-Siege über gegen den VfL Lübeck-Schwartau und beim ThSV Eisenach bringen dann die Wende. Aus den folgenden zehn Partien überweist der TSV Bayer für ein Mitglied aus dem Tabellenkeller richtig starke 13:7 Zähler auf sein Konto – eine Belohnung unter anderem für wichtige Erfolge gegen die Konkurrenten TV Großwallstadt (29:23) und TV Emsdetten (31:28). Nach den jüngsten Siegen über den HC Empor Rostock (31:23) und bei TuSEM Essen (29:25) liegt Dormagen sogar wieder auf Rang 17, dem ersten Nicht-Abstiegsplatz. Das Vertrackte daran: Eine Garantie darauf, dass es zur Rettung reicht, besteht immer noch nicht. Aber der Viertletzte geht erstens mit einem richtig guten Gefühl auf die Zielgerade der inzwischen achteinhalb Monate langen Saison und mit einem deutlichen Vorteil gegenüber allen anderen da unten: Die Dormagener haben alles selbst in der Hand.

Das Feld der Klubs, die den Abstieg unter sich ausmachen, dürfte hinter den Eulen Ludwigshafen beginnen (Platz 15/29:39 Punkte). Es folgen der TuS Ferndorf (28:42), Dormagen (27:43), Großwallstadt (26:44), Emsdetten (23:47) und der  EHV Aue (23:47). Ein weiterer Vorteil für den TSV: Er bekommt zwei Matchbälle in eigener Halle – den ersten am Freitagabend gegen Aue. Eine einfache Rechnung ergibt, dass der TSV durch einen Sieg einen Mitbewerber im Keller entscheidend abhängt –  weil seine für diesen Fall vorhandenen 29:43 Zähler auf Aue (23:49) bei zwei ausstehenden Spielen ausreichend wären. Zu beachten ist aber, dass sich der kürzlich fast abgeschlagene EHV längst nicht aufgeben hat – wie jetzt die Erfolge beim VfL Eintracht Hagen (32:29) und gegen den HC Empor Rostock (30:21) belegen. Dormagens Restprogramm sieht nach Aue am 4. Juni den Auftritt beim Aufstiegskandidaten HSG Nordhorn-Lingen (Dritter/44:24 Punkte) vor, ehe am 11. Juni das womöglich große Finale gegen Ferndorf folgt. Wie wichtig dieser Termin wird, hängt unter anderem von den Ergebnissen des TV Großwallstadt ab, der seinen Endspurt am Samstag gegen den Achten TuSEM Essen (37:31) beginnt, ehe er am 3. Juni beim Zweiten ASV Hamm-Westfalen (45:25) antritt und am 11. Juni gegen den Sechsten SG BBM Bietigheim (39:29).  Auf den ersten Blick scheint der TVG damit die etwas schwierigeren Aufgaben vor sich zu haben. Allein daraus einen Vorteil für Dormagen abzuleiten, wäre trotzdem ziemlich kühn bis gefährlich. Pütz, Röhrig und ihre Mannschaft sind deutlich besser beraten, sich weiter selbst zu helfen – wie in den vergangenen Wochen.

Beim seit knapp drei Wochen endgültig als Meister und Rückkehrer in die Bundesliga feststehenden VfL Gummersbach ist die Lage mittlerweile ziemlich gelöst. Und Spannung beziehen die restlichen Aufgaben vor allen Dingen daraus, wie sehr sich die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson noch einmal selbst antreiben/aufraffen kann. Am vergangenen Freitag standen in der Partie beim HC Elbflorenz Dresden streckenweise keine hundert Prozent Gummersbach auf der Platte – und prompt gab es eine 29:30-Niederlage. Andererseits ist kaum zu erwarten, dass sich der VfL am kommenden Freitag gegen die DJK Rimpar Wölfe (Elfter/32:38 Punkte) als Wiederholungstäter präsentieren will – wofür es zwei handfeste Gründe gibt: Erstens will der Spitzenreiter seine Heimbilanz natürlich auf makellose 36:0 Punkte stellen und zweitens wär wohl ein Ergebnis vom 19. Dezember 2022 zu korrigieren, als es in Rimpar nach einer bescheidenen Leistung eine 25:28-Niederlage gab.

Ausreichend eigene Motivation müsste auch für die beiden letzten Aufgaben am Ende der langen und für alle aufreibenden Saison da sein. Während Rimpar beispielsweise den Klassenerhalt sicher hat, steht der Gummersbacher Nachbar TuS Ferndorf (Rang 16/28:42) unter einem nicht geringen Druck – und bei jenen Ferndorfern tritt Sigurdssons Team am 4. Juni in der keine 50 Kilometer entfernten Halle Stahlerwiese an. Daraus ergibt sich praktisch die natürliche Verpflichtung zu vollem Einsatz, ehe das Saisonfinale am 11. Juni gegen den HSC Coburg (Rang13/31:37 Punkte) in der Schwalbe-Arena über die Bühne geht. Und Bühne ist hier das passende Stichwort: Die offizielle Statistik der HBL führt den VfL für die 2. Bundesliga mit durchschnittlich genau 2072 Zuschauern pro Partie als einsamen König der Heimspiele – bei steigender Tendenz in den vergangenen Wochen der Entscheidung. Dazu würde der 19. Sieg im 19. Spiel mit den eigenen Fans im Rücken ganz gut passen. Weil alles mit allem zusammenhängt, müssen die Gummersbacher allerdings zuerst gegen die Wölfe aus Rimpar gewinnen. Dabei ist kaum davon auszugehen, dass sie dieser ganz spezielle Druck umwerfen wird.

 

TuSEM Essen – SG BBM Bietigheim 31:27 (12:10). So richtig viel Eigenwerbung hatten die Essener in den vier Heimspielen zuvor nicht betrieben – 30:32 gegen den TuS Ferndorf, 28:32 gegen den VfL Gummersbach, 26:30 gegen den Dessau-Roßlauer HV, 25:29 gegen den TSV Bayer Dormagen. Auch gegen den Sechsten aus Bietigheim sah der Abend fürs Team von Trainer Jamal Naji zunächst eher zäh aus, ehe eine klare Steigerung in der zweiten Halbzeit den Weg zu  einem am Ende ungefährdeten und in der Summe verdienten Sieg ebnete. Damit ist der TuSEM in der Heimbilanz mit 20:16 Punkten wenigstens vorerst wieder etwas besser als in der Statistik der Auswärtsspiele, die bei 19:15 Zählern steht. In der Addition ergibt sich daraus der siebte Platz mit 39:31 Punkten und realistisch ist, dass Essen im Schluss-Spurt noch den Fünften ThSV Eisenach (41:29) und die weiter auf Rang sechs positionierten Bietigheimer (39:31) attackieren kann. Von hinten muss er vor allem den ThSV Eisenach (ebenfalls 39:31) und den Neunten VfL Eintracht Hagen (37:33) beachten. Das Restprogramm am Samstag beim TV Großwallstadt (18.), am 3. Juni gegen den TV Hüttenberg (Vierter) und am 11. Juni beim HC Empor Rostock (14.) lässt Najis Team alle Chancen, im vorderen Drittel über die Ziellinie zu gehen.

Den Start gestalteten beide Seiten handballerisch übersichtlich und die Hausherren erzielten nach dem 3:2 (4.) durch Dennis Szczesny für über sieben Minuten keinen einzigen Treffer mehr – 3:4 (11.). Mühselig blieb es bis zur Pause, zumal Bietigheim beim 9:8 (23.) erneut die Führung übernahm und Essen erst in der letzten Minute der ersten Halbzeit aus dem 10:10 (29.) das 12:10 machen konnte, als Noah Beyer und Lucas Firnhaber erfolgreich waren – nachdem Essen drei Zeitstrafen kurz hintereinander gegen Viktor Glatthard (26.), Dennis Szczesny (26.) und Lukas Becher (27.) unbeschadet überstanden hatte. Auf das 11:12 (31.) der Gäste folgte die im Ergebnis beste Phase der Hausherren, die für vier Treffer hintereinander und das 16:11-Polster (36.) nur gut vier Minuten brauchten. Der Vorsprung blieb bis zum 23:18 (48.) bei fünf Treffern, ehe die Rote Karte gegen Dennis Szczesny (48.) zum ersten Mal wieder etwas Sand ins Essener Getriebe zu streuen schien. Jonas Ellwanger erhöhte trotzdem auf 24:18 (49.), ehe Bietigheims Sven Wesseling ebenfalls die Rote Karte sah (49.). Kurz darauf hatten die Gäste gerade das Essener 27:22 (53.) auf 24:27 (54.) reduziert, als sie Nils Broschen ebenfalls wegen einer Roten Karte verloren (55./dritte Zeitstrafe). Verloren gingen auf der Zielgeraden zudem Ruhe und Übersicht – vor allem in der letzten Minute, als Noah Beyer mit dem 30:27 eigentlich bereits die Entscheidung besorgt hatte. Nach einem Bietigheimer Stürmerfoul gegen Viktor Glatthard bekamen sich in einem allgemeinen Durcheinander auf dem Feld plötzlich Vertreter beider Seiten in die Wolle. Es folgten allerdings direkt nach der Schluss-Sirene versöhnliche Gesten – und damit war die Angelegenheit rasch abgehakt.

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Beyer (6/4), Ellwanger (5), Glatthard (1), Rozman, Dangers (2), Homscheid, Becher (5), Ignatow (3), Szczesny (2), Müller, Firnhaber (2), Morante Maldonado (4), Klingler (1).