Regionalliga Nordrhein
Tauschbörse: Wenn nur 30 Prozent der Trainer bleiben
Acht Herren sind ausgestiegen - nicht alle freiwillig. Weiter dabei sind nur Christopher Braun in Refrath/Hand, Mirko Bernau beim BHC II, Alexander Zapf in Remscheid und Frank Berblinger in Bonn.

Ich bin dann mal weg: Dirk Wolf war wirklich mit Leib und Seele beim TV Korschenbroich tätig – und freut sich gerade sehr, dass er den hohen Aufwand für die Regionalliga nicht mehr investieren muss. (Foto: Michael Jäger)

Das sieht doch sehr nach einem Vorteil für den TV Korschenbroich aus, der die kommende Saison in der Regionalliga am 2. September eröffnet und dann schon mal mit einer bestens gefüllten Waldsporthalle rechnen darf. Schließlich ist das Duell mit Interaktiv.Handball aus Ratingen direkt ein echter Kracher, in dem sich der Vizemeister (Interaktiv) der vergangenen Serie mit dem Dritten auseinandersetzt. Gut sechs Wochen vor der Meisterschafts-Premiere steht es im Grunde 1:0 für die Korschenbroicher, weil der TVK nach der Ankündigung seines bisherigen Trainers Dirk Wolf (Handball-Pause), aufhören zu wollen, bei der Suche nach einer Nachfolge-Regelung rechtzeitig fündig wurde: Vom Klassen-Konkurrenten Neusser HV ist Gilbert Lansen zu den Korschenbroichern gewechselt. Deutlich komplizierter sieht die Situation bei den Ratingern aus, die im April noch mit Chefcoach Ace Jonovski verlängert hatten – und demselben wenig später nach dem Scheitern im Kampf um den Aufstieg im Juni den Stuhl vor die Tür setzten. Bisher scheinen die Bemühungen ins Leere gestoßen zu sein und tatsächlich ist aktuell kein neuer Name offiziell bekannt. Vielleicht liegt ja die Kraft in der Ruhe oder der Verein findet eine im wahrsten Sinne des Wortes zauberhafte Antwort. 

Mindestens leicht diffus wirkt auch die Lage bei TuSEM Essen II, das nach einem Jahr Abenteuer in der 3. Liga zurück in die Regionalliga musste. Nach der Trennung von Nelson Weisz kurz vor dem Start in die Abstiegsrunde übernahmen Marvin Wettemann und Jugend-Koordinator/Jugendtrainer Lukas Ellwanger, die mit dem Team ganz knapp scheiterten – und es in dieser Konstellation nicht mehr machen können. Wettemann ist jetzt Co-Trainer der ersten Mannschaft, die in der 2. Liga unter dem neuen Chefcoach Michael Hegemann (Nachfolger von Jamal Naji) vor einer ebenfalls herausfordernden Saison steht. Weisz fand im Übrigen nach seinem Aus in Essen bald eine Art Anschluss-Beschäftigung, indem er beim Verbandsligisten TSV Kaldenkirchen als Spieler ins Unternehmen Aufstieg einstieg – am Ende erfolgreich. 

Bei zwölf weiteren Regionalligisten sind die Trainerstellen besetzt – allerdings nur in vier Fällen mit den bisherigen Amtsinhabern. Keine Überraschung: Die aus der Oberliga Mittelrhein aufgestiegene HSG Refrath/Hand geht weiter mit Christopher Braun an den Start und weist damit eine klare Parallele zum aus der Oberliga Niederrhein aufgestiegenen Bergischen HC II auf. Dort will Mirko Bernau mit seiner Mannschaft die Aufwärtstendenz der jüngeren Vergangenheit untermauern – und er ist gleichfalls mehr als nur der Coach, der an der Seitenlinie die Kommandos gibt. Nummer drei und vier in diesem Kreis der Bleibenden/Gebliebenen sind Alexander Zapf beim Vorjahres-Fünften HG Remscheid und Frank Berlinger (Zapfs Vorgänger in Remscheid) bei der TSV Bonn rrh. (Abschluss-Sechster). Einfache Rechnung: Gleich acht Klubs haben Veränderungen auf der Trainer-Position vorgenommen. Mit Ratingen und Essen wären es zehn von 14, also mehr als 70 Prozent.

Nachdem der bisherige Coach Michiel Lochtenbergh (macht als Sportlicher Leiter weiter) seinen Teil-Rückzug aus beruflichen Gründen fürs Ende der Saison 2021/2022 angekündigt hatte, konnte sich der damalige Aufsteiger HC Gelpe/Strombach bereits im Winter auf die Suche nach einem Nachfolger begeben. Die Verpflichtung des in Gummersbach familiär tief verwurzelten und zuletzt beim Zweitligisten ThSV Eisenach tätigen Markus Murfuni war am Ende die prominenteste Umbesetzung, aber gleichzeitig nur der dritte Teil einer längeren Reihe. Begonnen hatte alles vor Weihnachten 2020 – in Dinslaken mit der November-Entlassung von Boris Lietz beim seinerzeit stark gefährdeten MTV Rheinwacht, bei dem Marco Banning und Kapitän Dennis Backhaus sofort einsprangen. Mit Rang acht gelang der Klassenerhalt schließlich sogar relativ sicher, sodass die Dinslakener ihrem neuen Trainer Harry Mohrhoff (vorher TV Biefang) ein Regionalliga-Team an die Hand geben konnten. In Neuss fiel im Dezember kurz nach dem Lietz-Aus ebenfalls unfreiwillig die Klappe für Gilbert Lansen, dessen Wechsel zur Serie 2022/2023 nach Korschenbroich im Januar 2022 endgültig unter Dach und Fach war. Beim NHV halfen Christoph Schon und Co-Trainer Julian Fanenbruck, der die Mannschaft nun zusammen mit dem Sportlichen Leiter Josip Jurisic durch die nächste Saison lotsen will.

Die vermutlich freundlichste Übernahme registrierte der BTB Aachen, wo Martin Becker nach sieben Jahren in der vordersten Linie sein Amt abgab und an den Ur-Aachener Simon Breuer übergab, der nach dem Ende seiner aktiven Karriere im Sommer 2021 „nur“ noch als Sportlicher Leiter für die Aachener unterwegs war und inzwischen ganz auf die andere Seite wechselte – wo er durch seine reichhaltige Erfahrung sicher ebenfalls wichtige Akzente setzen kann. In einer ähnlichen Atmosphäre ging der Dirigentenstab beim HC Weiden vom einstigen Chefcoach Andreas Heckhausen auf seinen bisherigen Co-Trainer Marc Schlingensief über. Nicht ganz so freundschaftlich lief es bei der SG Langenfeld, die sich im März in größter sportlicher Not von Trainer Lars Brümmer trennte und dessen Vorgänger Markus Becker als Aushilfe auf Zeit zurückholte. Becker, der sich mit dem 30:29 über den späteren Meister und Drittliga-Aufsteiger TV Aldekerk spektakulär einführte, erfüllte auch die Hoffnungen, weil er die SGL gemeinsam mit Nachfolger Christian Paul (früher unter anderem TB Wülfrath) auf Platz elf und zum Klassenerhalt führte. Im Nachhinein mindestens ein kleiner Trost für Brümmer: Richtig geschadet hat ihm das Scheitern in Langenfeld nicht, denn rund zweieinhalb Monate darauf hatte er ein neues Arbeitsfeld gefunden – in derselben Klasse sogar.

Fingerzeig? (Ex-) Trainer Ace Jonovski brauchte seiner Mannschaft kurz nach dem Ratinger Aus im Kampf um die Meisterschaft keine Hinweise mehr zu geben. (Foto: Herbert Mölleken)

Das wiederum lag nicht zuletzt an der mindestens sehr abwechslungsreichen Saison 2021/2022 des OSC Rheinhausen, der mit der hochwertigen Kombination aus Trainer Thomas Molsner und dem Sportlichen Leiter Olaf Mast ziemlich sicher ein Kandidat für die obere Hälfte zu sein schien – aber niemals einer für den zittrigen Kampf gegen den Abstieg. Die Dinge entwickelten sich allerdings ganz anders und vorübergehend bewegten sich die Rheinhausener im nahezu freien Fall auf die Oberliga zu. Mast/Molsner zogen nach dem 16:29-Debakel am 10. Mai in Langenfeld fünf Spiele vor dem Ende der Serie von sich aus die Reißleine – was der Mannschaft mit Torhüter Matthias Puhle als Interimstrainer zwar keinen einzigen Punkt mehr brachte, doch in einem nervenaufreibenden Schluss-Spurt letztlich mit dem Klassenerhalt das Happy End. Darüber durfte sich unter anderem der bei der SGL ausgeschiedene Lars Brümmer freuen, den der OSC Anfang Juni als neuen Cheftrainer für die erste Mannschaft präsentierte. Sein Co-Trainer: Matthias „Matze“ Puhle, der seine Torhüter-Karriere aus gesundheitlichen Gründen (Schulter) beenden muss. Der erste Meisterschafts-Einsatz von Puhle in neuer Rolle steht am 4. September auf dem Programm – mit dem Heimspiel gegen den HC Gelpe/Strombach. Der einstige Gummersbacher Publikumsliebling Puhle trifft also auf den Ur-Gummersbacher Murfuni und das sieht irgendwie nach einem Vorteil für keinen aus. Spannend dürfte es trotzdem werden. Wie die gesamte Saison 2022/2023.