Oberliga Niederrhein
Kalle Töpfer: Echt verrückt, echt bodenständig
Der frühere Bundesligaspieler hat sich als Sportlicher Leiter wie ein Schneekönig über den Aufstieg des TuS Lintorf gefreut. Für ihn ist der Verein eine Familie, zu der inzwischen auch Chefcoach Felix Linden gehört.

Komm in meine Arme! Kalle Töpfer (rechts) und Stephan Pittelkow (Mitte) feiern schon mal den Aufstieg. Trainer Felix Linden (links) wird wenig später dazustoßen. (Foto: Roger Greday)

Wer sich mit Kalle Töpfer, den vermutlich nahezu niemand mit seinem bei der Geburt vergebenen Vornamen Karl-Heinz anspricht, über den Handball austauschen will, der braucht Zeit. Viel Zeit. Und der frühere Bundesligaspieler gehört im breiten Kreis der dem Sport Verfallenen zu den besonders Verrückten. Sein Motto im Juli 2022 könnte aus einem Udo-Jürgens-Lied stammen: „Mit 66 Jahren fängt das Leben an. Mit 66 Jahren hat man Spaß daran. Mit 66 Jahren, da kommt man erst in Schuss. Mit 66 ist noch lange nicht Schluss.“ Es steckt so viel Wahrheit drin, dass es fast für Töpfer geschrieben sein könnte – wie sich unlängst in der Qualifikation der Verbandsliga-Zweiten für den Aufstieg in die Oberliga zeigte. Als der TuS Lintorf im Rückspiel gegen den TV Kapellen durch seinen 31:26-Erfolg (Hinspiel 29:25) den Sprung in die höchste Klasse des Handball-Verbandes Niederrhein amtlich machten, brach rund um die Halle am Breitscheider Weg die pure Euphorie aus – verbunden mit der Erleichterung, es geschafft zu haben. Bei manchen und besonders bei Kalle Töpfer, den sie sonst eher als sachlichen Macher kennen, war es eine fast kindliche Begeisterung – von innen kommend, bodenständig, ehrlich. Töpfer gibt die Werte vor, die ihn sein ganzes Handballer-Leben über begleitet und geprägt haben. Und er würde keinen Millimeter davon abrücken, um sich so vielleicht den noch größeren Erfolg zu kaufen.

Mit 66 Jahren fängt das Leben an? Kalle Töpfer war acht, als er mit dem Handball in Kontakt kam – und nie wieder davon los. In seiner späteren Spieler-Karriere erreicht er dann viel mehr, im Grunde fast alles, von dem ein Sportler träumen darf. Die Stationen kann er auf Zuruf im Detail nennen, aber in der aufs Wesentliche begrenzten Zusammenfassung liest es sich spannend genug: Bundesliga-Aufstieg und Vizemeister mit der TuRU, als der Düsseldorfer Handball in den 1980er-Jahren eine nie wieder erreichte Blütezeit sah, anschließend Wechsel nach Dormagen, später Deutscher Pokalsieger mit dem Traditionsverein TuSEM Essen (1992/1993). „Deutscher Meister bin ich nicht geworden und Nationalspieler auch nicht“, sagt Töpfer ohne Bitterkeit. Sein „Pech“: TuRU-Trainer war seinerzeit Horst Bredemeier, der die deutsche Nationalmannschaft übernahm – und vielleicht nicht zu viele Spieler seines einstigen Teams berufen mochte. Nach einem Wechsel zum TuS Nettelstedt wollte Kreisläufer Töpfer als Spieler aufhören, machte allerdings beim TV Angermund weiter und unternahm anschließend bei TuSEM Essen und in Mettmann erste Schritte in der Trainerbranche. Erneut stand plötzlich dieser Entschluss im Raum: „Jetzt höre ich wirklich ganz auf.“ Und es wurde, kein Wunder, wieder nichts draus: Bald stand Kalle Töpfer bei den Lintorfer Frauen an der Seitenlinie und später auch als Coach der Verbandsliga-Männer. Die begleitet er nun schon seit mehr als zehn Jahren als Sportlicher Leiter/Manager. Die Verbindung ist offensichtlich mehr als nur eine Zweck-Gemeinschaft.

Vor einem Jahr gelangen den Lintorfern auf den Positionen hinter dem spielenden Personal zwei Schachzüge, die als Königstransfers durchgehen können. Erstens: Als Cheftrainer sagte Felix Linden zu – der zuvor in der 2. Bundesliga und in der 3. Liga bei der HSG Krefeld Niederrhein gearbeitet hatte. Ebenfalls zum TuS kam Stephan Pittelkow, bei den Eagles als Teambetreuer tätig. Und weil die Zusammenarbeit zwischen allen praktisch von der ersten Sekunde an funktionierte, waren die Gespräche für die Zukunft im Herbst 2021 nicht besonders kompliziert: Sowohl A-Lizenz-Inhaber Linden, dem durchaus einige andere Angebote vorlagen, als auch Pittelkow sagten für 2022/2023 zu – obwohl damals längst nicht klar war, ob die Zukunft bereits in der Oberliga oder weiter in der Verbandsliga stattfinden würde. Kalle Töpfer ist bis heute glücklich über den Coup – und aus einer Sicht gibt es einfache Gründe fürs Gelingen: „Wir sind alle Handball-Verrückte. Wir haben Felix von unserem Konzept überzeugt und ihm gesagt, dass er nicht aufsteigen muss. Er hat sich drauf eingelassen. Wir sind hier wie eine Familie und gehen ehrlich miteinander um.“ Linden und Pittelkow kümmern sich gemeinsam mit dem spielenden Co-Trainer Tim Bauerfeld um alle sportlichen Belange, während Töpfer und Vorstandsmitglied Hajo Pfeiffer für den passenden Rahmen zuständig sind. Im Austausch mit Linden suchen sie permanent neue Ideen, um das Unternehmen voranzubringen. Ein Ergebnis: Der TuS hat jetzt mit Sportmedizinerin Laura Ufermann eine Kooperation vereinbart.

Mit den personellen Planungen ist der Aufsteiger durch – bis auf eine Position. „Ein Linkshänder würde uns noch guttun“, sagt Töpfer. Er weiß genau, dass solche Spieler besonders begehrt sind. Und trotzdem denkt er nicht daran, dafür extratief in die Tasche zu greifen: „Bei uns verdient keiner Unsummen. Wir zahlen einen Fahrtkosten-Aufwand und wer nicht zu uns will, weil er woanders mehr bekommt, soll dahin gehen.“ Vier Neue fanden trotzdem den Weg nach Lintorf: Marco Sobotta (Tor), Ali-Tuna Demir (beide TV Ratingen), Moritz Langen (HSV Rheydt) und Matthias Hackbeil (HG Kaarst/Büttgen). Was sie in Lintorf als großen Vorteil sehen, den sie konsequent ausnutzen wollen: Es besteht eine sehr enge Bindung zur zweiten Mannschaft, die in der vergangenen Saison in der Parallel-Gruppe 1 der Verbandsliga zu Hause war – also jetzt nur eine Klasse unter der Ersten antritt, sodass ein personeller Austausch Sinn ergibt. Neu-Trainer André Fink kennt zudem Felix Linden sehr gut, weil sich beide aus ihrer Zeit beim TV Biesel schätzen.

Für die kommende Saison weiß der TuS Lintorf, der natürlich inzwischen die Vorbereitung aufgenommen hat, vor allem eins genau: Es geht am 3. September mit einem Heimspiel gegen den TSV Aufderhöhe los, ehe am 9. September die vielleicht höchste mögliche Hürde wartet – beim letztjährigen Zweiten Borussia Mönchengladbach, der in diesem Jahr erst recht den Aufstieg in die Regionalliga sichern will und mehr denn ja als Titelfavorit gelten muss. Bis zur ersten (üblichen) Meisterschafts-Unterbrechung durch die Herbst-Schulferien bekommt es Lindens Team außerdem mit Unitas Haan (17. September), dem Mit-Aufsteiger SG Überruhr (24. September) und Mettmann-Sport (1. Oktober) zu tun. „Unser erstes Ziel ist es, nicht abzusteigen“, betont Kalle Töpfer, dem die ganz großen Sprüche sowieso fremd sind. Ihm würde es reichen, am 13. Mai 2023 nach dem Saisonfinale gegen den LTV Wuppertal mit der Mannschaft sicher über dem Strich zu stehen. Dann hat er noch mehr Spaß am Handball als ohnehin. Und für Kalle Töpfer wird auch mit 67 noch lange nicht Schluss sein.