02. August 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es war einmal. Und zwar jene Zeit, in der rund um die Waldsporthalle die 2. Liga ein Zuhause hatte. Der Aufstieg in den professionell ausgeübten Handball schaffte der TV Korschenbroich am Ende der Saison 2006/2007 und 2008/2009 jeweils als Meister der Regionalliga West (damals die dritthöchste Klasse). Der Höhenflug bekam der damaligen Handball-GmbH finanziell auf Dauer gar nicht gut und Ende 2011/2012 ging es auch sportlich wieder eine Etage nach unten – in die 3. Liga, die inzwischen tatsächlich auch so hieß. Bis zum Schluss der Serie 2017/2018 hielt sich der TVK anschließend in jener Klasse, ehe er den Abstieg in die Regionalliga hinnehmen musste und dann mit Dirk Wolf als Trainer-Nachfolger von Ronny Rogawska einen Neu-Anfang versuchen wollte – bei gleichzeitiger Schaffung der TV Korschenbroich UG als wirtschaftlichem Träger. Die Ehe Wolf/TVK entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte: Fünfter 2018/2019 mit 29:23 Punkten, Dritter 2019/2020 mit 23:15 in der nach zwei Dritteln abgebrochenen Serie, Sechster 2020/2021, als nach drei Partien und 4:2 Zählern früh Feierabend war, Dritter zuletzt 2021/2022, als die Korschenbroicher (38:14) lange mit dem Meister TV Aldekerk (43:9) und Interaktiv.Handball (41:11) auf Augenhöhe unterwegs waren. Dass Wolf (54) aufhörte, hatte jedoch nichts mit etwaiger Enttäuschung über den verpassten Aufstieg zu tun – sondern aus vielerlei Gründen alleine mit dem Wunsch, den Stress zu reduzieren. An seiner festen Überzeugung zum Abschied gab es trotzdem nichts zu rütteln: „Der TV Korschenbroich gehört in die 3. Liga.“ Das werden die Verantwortlichen um den Sportlichen Leiter Klaus Weyerbrock und den Wolf-Nachfolger Gilbert Lansen (31) grundsätzlich wohl nicht anders sehen. Deshalb legen sie sich fest: „Wir wollen oben mitspielen.“ Dass es darauf keine Garantie gibt, wissen sie gleichzeitig. Gemeinsamer Standpunkt: Die Saison wird spannend – und im allerbesten Fall erfolgreich. Dass der TVK nur irgendwie mitschwimmen will, würde ihm ohnehin keiner abkaufen.
Neu-Coach Lansen wagte 2020 mit 29 Jahren den Sprung aus dem Jugendbereich zu den Senioren, als ihm der Neusser HV nach dem kläglichen Aus der Rhein Vikings zutraute, in der Regionalliga mit einem total umgebauten Team den kompletten Neustart zu moderieren. Die drei Niederlagen bis zum Abbruch der Saison 2020/2021 ließen keinen Rückschluss darauf zu, ob der Plan gelingen könne, ehe es 2021/2022 gut lief. Bis zur Pause über Weihnachten/Neujahr holte der NHV immerhin 12:8 Zähler und er verschaffte sich im letzten Spiel 2022 noch einmal einigen Respekt – mit einem packenden 32:33 am 11. Dezember ausgerechnet in Korschenbroich. Dort war längst bekannt, dass Dirk Wolf demnächst aufhören würde, und es gab durchaus nachvollziehbar ein starkes Interesse, Lansen auf diesen Posten zu verpflichten. Die Angelegenheit war im Januar 2022 in trockenen Tüchern, hatte allerdings schon vorher unerwartete Folgen gehabt – mit dem Entschluss der Neusser, sich „neu aufzustellen“, also sich mit sofortiger Wirkung von Gilbert Lansen zu trennen. Damit ist auf jeden Fall klar, dass die Partie am 19. November 2022 zwischen Neuss und Korschenbroich neben der sportlichen Bedeutung für beide Seiten eine zusätzliche besondere Note bekommt.
Personell hat Korschenbroich einen vergleichsweise großen Austausch zu bewältigen. Nicht mehr im Kader stehen Torhüter Max Jäger, Philip Schneider und Sascha Wistuba – drei ausgewiesene Führungskräfte. Auch Tim Dicks und Justin Kauwetter waren Führungsspieler, während Keeper Routinier Stefan Graedtke und Felix Barwitzki „nur“ Aushilfen auf Zeit waren. Der bisherige Co-Trainer Michel Mantsch steht ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Fünf Spieler stehen neben dem neuen Athletik-Trainer Torben Scheulen auf der Liste der Zugänge: Torhüter Mika Schoolmeesters (U-20-Nationaltorwart der Niederlande), Max Eugler (TSV Bayer Dormagen), Til Klause, Henrik Ingenpaß (beide Neusser HV) und Oliver Brakelmann (OSC Rheinhausen). „Fünf neue Spieler und ein neuer Trainer, das ist eine Herausforderung“, sagt Lansen, „aber die Jungs machen das unheimlich gut. Sie haben mich super aufgenommen.“ Ihm gefällt die Mischung aus ein paar erfahreneren Spielern wie David Biskamp (29), Henrik Schiffmann (28) und Nicolai Zidorn (28) oder Maximilian Tobae (25) und Mats Wolf (24). Drei der Neuen sind Talente mit einer vielversprechenden Perspektive: Schoolmeesters (19), Klause (20) und Ingenpaß (21) könnten ebenso bei einem Wettbewerb auf der Reihe „Jugend forscht“ mitmachen wie Lukas Bark (21) oder Marcus Neven (21). Insgesamt bleibt das Spiel des TV Korschenbroich in Anbetracht der individuellen Stärken sicher auf das höchste mögliche Tempo angelegt – wie immer in den vergangenen Jahren. Defensiv wünscht sich Lansen dagegen wieder etwas mehr Stabilität, die vor allen Dingen in der zweite Hälfte der Saison nicht mehr vorhanden war. Erstaunlich: Als die Schluss-Sirene der Saison 2021/2022 ertönte, stand der TVK nach 26 Spielen bei 737 Gegentreffern – 28,34 pro Spiel, mehr als bei allen anderen Regionalligisten und deutlich zu viel für ein Team mit Ambitionen nach oben.
Lansen ist von einem Verein, der zuerst größtenteils darum bemüht war, handballerisch nicht von der Landkarte zu verschwinden, zu einem Klub gewechselt, der den Blick wenigstens mittelfristig nach oben richtet. Soll heißen: Die Ansprüche an den Trainer sind parallel dazu gestiegen. Der 31-Jährige, immer noch beziehungsweise wieder der jüngste Chefcoach in der Regionalliga, leitet daraus allerdings keinen Druck ab, sondern ein Plus an Lust auf Handball. Es ist für ihn in seiner Trainer-Laufbahn der nächste logische Schritt, der eng mit einem Prozess an wertvollen Erfahrungen verbunden ist: „Ich werde viel lernen.“ Auf eine besondere Schonzeit wird er dabei nicht hoffen dürfen und der Spielplan ist am Anfang eher besonders herausfordernd: Der TVK eröffnet die Saison am 2. September um 19.30 Uhr gegen den Vizemeister Interaktiv und tritt acht Tage später am 10. September beim Vorjahrsfünften HG Remscheid an. „So ein erstes Spiel zu Hause zu haben, ist doch ein Traum“, findet Lansen, „die Hütte wird brennen und wir werden sehen, was dabei herauskommt.“ Dass er mit einem Sieg seiner Korschenbroicher sehr gut leben könnte, versteht sich von selbst. Es wäre zudem ein klares Signal an die Konkurrenz – aber längst keine Entscheidung im Kampf um die Meisterschaft, sondern vor allem die erste Etappe eines auf achteinhalb Monate angesetzten Marathons bis zum 13. Mai 2023.
In einer Umfrage zu möglichen Meisterschaftsfavoriten stünde Interaktiv, personell unter anderem durch Ex-Profi Ante Grbavac (2. Liga/TSV Bayer Dormagen) erneut verstärkt, nicht nur bei den meisten Trainern ganz weit oben. Lansen schätzt zwar die Qualität etwa des Ratinger Kapitäns Alexander Oelze oder jene von Grbavac sehr hoch ein, wird sich allerdings einiges einfallen lassen und mit seiner Mannschaft eine Überraschung probieren. Generell glaubt der TVK-Trainer erstens an sein Team und zweitens daran, dass Respekt vor allen anderen allgemein genauso angebracht ist: „Es viele gute Mannschaften. Wir werden sehen, was dabei am Ende herauskommt.“ Ginge es nach den Resultaten der bisherigen Tests, wäre viel Optimismus angebracht: Korschenbroich zeigte bei den Drittligisten Longericher SC (29:30) und TuS 82 Opladen (33:35) gute bis sehr gute Ansätze. Weil sich derartige Duelle aber nur sehr eingeschränkt auf die raue Wirklichkeit in der Meisterschaft übertragen lassen, gibt Lansen ziemlich wenig auf die reinen Ergebnisse in solchen Tests, die ja unter anderem einen ausgeprägten Probier-Charakter haben. „Intern haben wir uns mit der Mannschaft noch nicht auf ein Ziel verständigt“, berichtet der TVK-Trainer. Das wird allerdings in den nächsten Wochen passieren. Bei aller Vorsicht: Dass der TVK nur irgendwie mitschwimmen will, würde ihm keiner abkaufen.