1. Bundesliga
Dominik Mappes: Was Gummersbachs Regisseur wirklich wertvoll findet
Der Neuzugang des VfL war schon Allstar und MVP - was ihm wenig bedeutet. Der 27-Jährige bezeichnet sich selbst als "Kopfspieler", für den über allem das Team steht.

Da fliegt er: Dominik Mappes (mit Ball) durfte jetzt beim Vorbereitungsturnier in Krefeld, das der VfL Gummersbach für sich entschied, zum ersten Mal nach überstandener Knieverletzung wieder voll zur Sache gehen. Die Bundesliga kann kommen. (Foto: Herbert Mölleken)

Mit einem M fängt es immer noch an. Und doch liegen Welten dazwischen. Rund zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit ein Knirps mit dem Namen Dominik im hessischen Hüttenberg mit dem Handball begann – bei den Minis. Und damals konnte natürlich niemand ahnen, wie und wohin sich die Dinge im Laufe der Zeit entwickeln würden. Dominik Mappes, heute 27 und ein gestandener Handball-Profi, scheint dabei mit am meisten irritiert zu sein, wie hoch die anderen das hängen. In diesem Fall war es tatsächlich mal wieder sehr hoch – denn Ende Juni wählten ihn die Fans zum „Most Valuable Player“ der 2. Bundesliga. Ich besonders wertvoll? Der Spielmacher wirkt ähnlich verwundert wie 2018, als er in der Saison nach dem Aufstieg des TV Hüttenberg in die 1. Bundesliga ins All Star Team der höchsten deutschen Klasse gewählt wurde – wie die auf seiner Position prominenten Kollegen Andy Schmid (Rhein-Neckar Löwen) und Morten Olsen (TSV Hannover-Burgdorf). „Natürlich ist das ganz schön“, sagt Mappes, „aber ich bin kein großer Freund solcher Sachen. Handball ist immer noch ein Teamsport.“

Das klingt fast entwaffnend ehrlich und besonders gerne werden sie das selbstredend beim VfL Gummersbach hören, der sich bereits im Februar die Dienste von Mappes für die Saison 2022/2023 sichern konnte – von beiden Seiten verbunden mit der Hoffnung, dass es mit der Rückkehr des VfL in die 1. Bundesliga klappen möge (was ja später der Fall war). Ganz nebenbei gibt es in Gummersbach einen, der mit Dominik Mappes was gemeinsam hat: Der heutige Chefcoach Gudjon Valur Sigurdsson stand damals vor seinem Wechsel von den Rhein-Neckar Löwen nach Paris ebenfalls im All Star Team, das am 4. Februar 2018 in Leipzig gegen die deutsche Nationalmannschaft antrat und mit 43:39 gewann. Falls die offizielle Statistik stimmt (wovon auszugehen ist), erzielte Mappes vor 7000 Zuschauern drei Treffer, während Linksaußen Sigurdsson ausnahmsweise leer ausging.

Dominik Mappes stammt aus einer Handballer-Familie, in der schon Mutter, Vater und Großvater ihr Glück im Umgang mit dem kleineren Spielgerät gefunden hatten. Kein Wunder: Dominik, einmal auf den Geschmack gekommen, konnte sich kaum davon loseisen: „Die Halle war mein Spielzimmer. Und es war eine Katastrophe, wenn ich nicht hinkonnte.“ Bis zur C-Jugend gönnte sich Mappes trotzdem den Spaß, parallel Fußball zu spielen, ehe er sich irgendwann aus zeitlichen Gründen entscheiden musste – und offensichtlich die richtige Ausfahrt erwischte: „Als Fußballer hätte ich es wahrscheinlich nicht in die 1. Liga gebracht.“ Eine andere Entscheidung, für die er sehr dankbar ist, nahmen ihm die Eltern ab: Vor der vollen Konzentration auf den Handball sollte Mappes eine Ausbildung machen. Die Wahl fiel auf Sport- und Fitness-Kaufmann, aber die Liebe zum Handball war größer – groß genug, um sich Stück für Stück den Weg nach oben freizukämpfen. Dominik Mappes erinnert sich: Im zweiten Jahr A-Jugend (Bundesliga) rückte er in den Kader des Zweitliga-Teams auf, war jedoch anschließend zunächst überwiegend für die Zweite unterwegs (Oberliga). Ganz typisch: Das Hüttenberger Talent arbeitete an sich und für seine Mannschaften und entwickelte sich weiter. Dass einige Spieler-Kollegen seinerzeit Pech mit Verletzungen hatten, war eine Chance – die er auf beeindruckende Art und Weise beharrlich nutzte.

Mit „seinem“ TV Hüttenberg stieg er 2015/2016 aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga auf und 2016/2017 direkt danach in die 1. Bundesliga – die der TVH am Ende der Serie 2017/2018 sofort wieder verlassen musste. Nach einem Jahr beim HC Erlangen folgte für Mappes 2019 der Wechsel zu den Eulen Ludwigshafen und erst im vergangenen Sommer trotz einiger Angebote aus der 1. Bundesliga die Rückkehr nach Hüttenberg. Dort war Mappes nicht nur Spieler, sondern drei Dinge in einem: Identifikationsfigur, Kapitän und Regisseur – und herausragend unterwegs. Dennoch bat Mappes im Februar um die Auflösung des Vertrages in der Heimat. Dass er, wie angekündigt, bis zum Schluss alles geben würde, lässt sich in der HBL-Statistik ablesen: Dort standen 211 Tore und 115 Assists zu Buche – verletzungsbedingt erzielt in nur 30 von 38 absolvierten Spielen und damit die passende Basis für die MVP-Wahl – die irgendwie Gummersbacher Land gewesen zu sein scheint. Der neue Gummersbacher Teamkollege Julian Köster (Mappes: „Hätte es auch verdient gehabt, ganz vorne zu landen.“) kam hier auf den zweiten Platz, während die Trophäe für den Trainer der Saison an Gudjon Valur Sigurdsson ging. Mehr Kompetenz und mehr Anerkennung fürs Geleistete geht kaum.

Mappes, der wegen einer Knieverletzung (Innenbandriss) das Saisonfinale in Hüttenberg auf der Platte verpasste, hat auf der Spielmacher-Position kein direktes Vorbild, findet allerdings den kürzlich in die Schweiz zurückgekehrten Andy Schmidt und den Isländer Aron Palmarsson (derzeit in Dänemark) ganz gut – ohne sich mit einem von beiden nur annährend vergleichen zu wollen. „Das sind zwei, von denen du dir was abschauen kannst“, findet der Ur-Hüttenberger, der momentan die 120 Kilometer von zu Hause bis zur Schwalbe-Arena pendelt, „mein Ziel ist es, die nächsten drei Jahre in der Bundesliga zu spielen. Ich will gute Leistungen zeigen und meine Stärken einzubringen.“ Ob es vielleicht irgendwann dazu kommt, international zu spielen? Dominik Mappes würde vermutlich ans Telefon gehen, falls Bundestrainer Alfred Gislason durchklingelt – und er wäre trotzdem nicht kreuz-unglücklich, wenn der entsprechende Anruf ausbleibt. Der Handballer Mappes, der sich als „bodenständig“ bezeichnet, scheint unter dem Strich mit sich und seinem Beruf im Reinen zu sein. Das wiederum dürfte den Gummersbachern im ersten Jahr nach der Rückkehr ins Oberhaus sehr helfen bei der Bewältigung der bevorstehenden Aufgaben.

Dominik Mappes führt mit 27 Jahren beim VfL bereits die Riege der erfahreneren Spieler an, deren „Alterspräsidenten“ Rückraumspieler Nemanja Zelenovic (32) und Torhüter Tibor Ivanisevic (31) sind. Jüngster im Kader ist der norwegische Nachwuchs-Torhüter Oskar Knudsen (17) vor Bruno Eickhoff (18), Julius Fanger (19), Finn Schroven (19) und Ole Pregler (20). Dicht dahinter folgen die beiden neuen Kapitäne Julian Köster (22) und Ellidi Vidarsson (23), sodass die Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von 23,5 Jahren in die Saison geht. Da ist es doppelt günstig, dass auf einer lenkenden Position einer mitmischt, der nicht nur im allerbesten Handballer-Alter steht, sondern auch nahezu immer die Übersicht bewahrt. Mappes beschreibt es so: „Ich bin kein Emotionsbündel. Ich bin ein Kopfspieler.“ So schlecht ist er damit bisher nicht gefahren. Und mit einem Mangel an Leidenschaft hat es sowieso nichts zu tun – was sich bald zeigen dürfte. Nach der Partie in der ersten Runde des DHB-Pokals am 27. August beim Zweitligisten HSG Konstanz beginnt das Abenteuer Bundesliga am 1. September beim TBV Lemgo, bevor am 8. September der Deutsche Meister SC Magdeburg ins Oberbergische kommt. Mappes wäre extrem glücklich, wenn der VfL danach gut dasteht. MVP oder so? Darf zwei Jahrzehnte später für den Mini von damals gerne ein anderer werden.