Regionalliga Nordrhein
Kleines Kap Verde, großes Glück: Ivo Santos darf zur WM
Rückraumspieler des Bergischen HC II erfüllte sich mit Platz zwei bei der Afrikameisterschaft einen Traum. Im Januar 2023 trifft er nun die Besten der Welt.

Da ist das Ding! Ivo Santos zeigt die Medaille für den afrikanischen Vizemeister mit Stolz. Und er ist schon jetzt heiß auf die WM im Januar. (Foto: IS)

Der Bergische HC wird ein Teil der Handball-Weltmeisterschaft der Männer vom 11. bis 29. Januar 2023 in Polen und Schweden sein. Das Besondere daran: Es handelt sich hier nicht um einen Spieler aus der Bundesliga-Mannschaft des BHC – sondern um Ivo Santos (30), Spieler in der zweiten Mannschaft und in der Kap Verdischen Nationalmannschaft. Mit genau dieser nahm der groß gewachsene Abwehrspezialist im Juli an der Afrikameisterschaft teil und er konnte sich mit seinem Team durch den Einzug ins Finale das Ticket für die Weltmeisterschaft sichern. Eigentlich hätte die Afrikameisterschaft bereits im Januar stattfinden sollen, doch aufgrund von Protesten einiger Verbände und wegen politischer Probleme war das Turnier durch den Kontinentalverband  CAHB (Confédération Africaine de Handball) im Dezember 2021 verschoben worden. „Es war ganz schön hart, weil das Turnier jetzt nach der Saison stattfand und wir Spieler dadurch keine Sommerpause hatten“, erklärt Santos. Für ihn war es außerdem ein nahezu nahtloser Übergang vom erfolgreichen Abschluss der Saison in der Oberliga Niederrhein mit dem Aufstieg des BHC II hin zur Vorbereitung mit der Nationalmannschaft und der Afrikameisterschaft sowie – zurück in Solingen – mit dem Beginn der Vorbereitung auf die Regionalliga 2022/2023.

Ivo Santos begann erst spät mit dem Handball. Als 16-Jähriger beschloss er, den afrikanischen Inselstaat Kap Verde zu verlassen, um in Portugal zu studieren. In dieser Zeit bekam er dann das Angebot, sich Benfica Lissabon anzuschließen und eine Handballkarriere zu starten. „Der Handball in Kap Verde und in Europa ist komplett verschieden. Zunächst war es schwer für mich, doch ich habe hart gearbeitet, da es eine großartige Möglichkeit für mich war“, sagt Santos. In diesem Zeitraum wurde Santos auch bereits zum ersten Mal für die Junioren-Nationalmannschaft nominiert. Nach den Stationen bei Benfica Lissabon und Belenenses Lissabon ging es weiter nach Österreich, wo Santos für HIB Handball Graz in der zweithöchsten österreichischen Liga spielte (HLA-Challenge). Anschließend folgte der Wechsel nach Deutschland und dort zum damaligen Drittligisten Leichlinger TV – und nach gut vier Monaten veränderte sich der damals 26-jährige zum Bergischen HC II, für den er seitdem aufläuft und mit dem er in der vergangenen Saison den Aufstieg in die Regionalliga Nordrhein feierte.

„Niemand hätte erwartet, dass wir so weit kommen. Es war auch erst die zweite Teilnahme an der Afrikameisterschaft überhaupt für uns“, sagt Santos. Kap Verde war das Überraschungsteam des Turniers. In der Gruppenphase traf Santos mit seiner Mannschaft auf Tunesien und Nigeria. Gerade die Tunesier sollten vielen ein Begriff sein, denn das Land ist neben Ägypten regelmäßig bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen vertreten. Gegen Nigeria setzte sich Kap Verde souverän mit 35:29 durch, während es einen Tag später gegen starke Tunesier eine 24:30-Niederlage setzte. Als Gruppenzweiter ging es weiter ins Viertelfinale gegen Angola, das nach einem spannenden Duell einen knappen 24:23-Erfolg und somit den überraschenden Einzug ins Halbfinale brachte. Auf dem Weg ins Finale standen nun „nur“ noch die Marokkaner im Weg, die Kap Verde dank einer überragenden Defensivleistung mit 23:19 bezwang. Im Finale stand am Ende auf der anderen Seite Ägypten – ein Gegner, der gespickt mit Spielern war, die in Europas höchsten Ligen unterwegs sind. Beispiel: Omar Yahia, der beim ungarischen Topklub Telekom Veszprém HC unter Vertrag steht und zuletzt unter anderem beim Champions League Final Four in Köln auf der Platte stand. In einer tollen Atmosphäre vor ungefähr 5000 ägyptischen Fans versuchten die Kap Verden alles, um dem Favoriten etwas entgegenzusetzen, doch nach intensiven zwei Wochen und durch die hohe Qualität der Ägypter ließ sich schließlich die deutliche 25:37-Niederlage nicht vermeiden.

Power-Paket: Über welche Dynamik Iva Santos (beim Wurf) verfügt, mussten in der vergangenen (Oberliga-) Saison unter anderem auch Sascha Ranftler (links) und Niklas Weis (rechts) vom Titelkonkurrenten Borussia Mönchengladbach erfahren. (Foto: Thomas Ellmann)

Nach dem Abpfiff überwog trotzdem die Freude über die Silbermedaille und die herausragende Leistung übers gesamte Turnier. „Es war ein Wunder, dass wir es ins Finale geschafft haben. Wir haben alle daran geglaubt, ich denke, das war unsere Stärke“, erklärt Santos. Sein Verein, der Bergische HC, ist ebenfalls stolz auf Ivo Santos: „Die Unterstützung, die Anrufe und​ Nachrichten, die ich aus Kap Verde, Portugal und Deutschland erhalten habe, waren wundervoll.“ Dass der Traum vom Start bei der Weltmeisterschaft für Kap Verde bald doch in Erfüllung geht, ist eine Geschichte für sich. Eigentlich hätte Santos mit der Nationalmannschaft bereits 2021 bei der Weltmeisterschaft in Ägypten spielen sollen, doch die Pandemie machte ihnen einen Strich durch die Rechnung: Nach nur einer Partie (27:34 gegen Ungarn) musste das Team die Segel streichen und aus dem Turnier aussteigen. Unter anderem die Begegnung mit der deutschen Mannschaft fand nicht mehr statt.

Demnächst allerdings erhält Santos eine weitere Chance – und die will er nutzen: „Es ist für uns eine Ehre, gegen die besten Spieler der Welt anzutreten. Wir werden unser Bestes geben und von Spiel zu Spiel denken. Es wird eine großartige Erfahrung werden und unser Ziel ist es, in die Hauptrunde einzuziehen“, sagt Santos. Beim Blick auf den Turniermodus scheint das gar nicht so weit hergeholt zu sein. Weil drei der vier Vorrundenteams aus jeder Gruppe in die Hauptrunde einziehen, ist ein Weiterkommen trotz einer starken Gruppe mit Europameister Schweden, Brasilien und Uruguay nicht völlig abwegig. Natürlich ist den Kap Verdern klar, dass einiges passen muss, um wirklich zu bestehen. Aber die Mannschaft glaubt an sich – und was das möglich machen kann, hat sie bereits bei der Afrikameisterschaft gezeigt. Warum also nicht auch bei der Weltmeisterschaft?