DHB-Pokal
TuSEM in Potsdam: Hegemann oder Hanning?
Essens neuer Chefcoach trifft auf seinen ersten Bundesliga-Trainer, mit dem er befreundet ist. Dormagen muss nach Dresden, Gummersbach ist in Konstanz klarer Favorit.

Das wird spannend: Für Essens Trainer Michael Hegemann ist die Dienstreise nach Potsdam persönlich mehr als nur die Fahrt zu einem Handballspiel. (Foto: Herbert Mölleken)

Es ist für beide ein ziemlich wichtiger Gradmesser für die neue Saison – und eigentlich mehr als nur das. Schließlich treffen sich da zwei Herren, die sehr freundschaftlich miteinander verbunden sind. Gegensätzlicher könnten sie trotzdem kaum sein: Hier steht Bob Hanning, der wohl im deutschen Handball schon fast jeden Posten besetzt hat, und dort steht Michael Hegemann, Ex-Profi, ehemaliger Nationalspieler und Weltmeister von 2007. Vor über 20 Jahren liefen sich die beiden im gemeinsamen Dienst bei der damaligen SG Solingen zum ersten Mal über den Weg. „Bob war mein erster Bundesligatrainer“, sagt Hegemann, „wir haben eine enge Beziehung, eine total freundschaftliche Verbindung.“ Am Sonntag ab 16 Uhr verfolgen die Herren allerdings einigermaßen unterschiedliche Interessen, was aufgrund ihrer aktuellen Beschäftigungs-Verhältnisse zwangsläufig so sein muss. Hannig, einst Vizepräsident der Deutschen Handball-Bundes und immer noch Geschäftsführer/Manager der Füchse Berlin, ist gleichzeitig der Trainer des VfL Potsdam. Der Zweitliga-Neuling hat nicht nur den Aufstieg geschafft, sondern auch eine Fahrkarte für den DHB-Pokal gelöst. Dort erwarten die Potsdamer nun am Sonntag ab 16 Uhr in der ersten Runde den Zweitligisten TuSEM Essen – bei dem der bisherige Co-Trainer Hegemann als Nachfolger von Jamal Naji (zum Bergischen HC) seit Anfang Juli auf dem Chefsessel sitzt. Es versteht sich von selbst, dass jeder dem anderen in diesem Fall liebend gerne ein oder zwei Beine stellen will. Der laute Handball-Verrückte Hanning trifft den leisen Handball-Verrückten Hegemann – so dürfte dieses Duell eins der reizvollsten aus der ersten Pokalrunde sein.

Potsdam ist nicht zufällig oder aus Versehen in die 2. Bundesliga aufgestiegen – im Gegenteil, denn alles folgt einem festen Plan. Michael Hegemann fasst es aus seiner Sicht kurz und knapp zusammen: „Potsdam ist das Farmteam der Füchse Berlin.“ Der VfL gilt als ähnlich professionell organisiert wie die Füchse – und eine enge Verzahnung soll den in reicher Zahl in Berlin vorhandenen Talenten die Gelegenheit bieten, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen/entwickeln. Mit einem jungen Kader treten allerdings auch die Essener an, die nach der vergangenen Saison durch die Abgänge Noah Beyer, Lucas Firnhaber, Dimitri Ignatow oder Viktor Glatthardt viel Erfahrung verloren haben. Hinzugekommen sind vor allem Talente, die sich ebenfalls entwickeln sollen/müssen. Aus dem eigenen Nachwuchs gehören Jonas Kämper (20), Jona Reidegeld (19), Nils Homscheid (19) und Luis Buschhaus (18) zum Profikader, vom Zweitliga-Konkurrenten TSV Bayer Dormagen kamen neben Tim Mast (21) aus der A-Jugend Finn Wolfram (19), Finley Werschkull (19) und Alexander Schoss (19). Also trifft im Grunde fast Jugend forscht auf Jugend forscht – mit einem völlig offenen Ausgang. Was Hegemann sicher weiß: „Wir bekommen auf jeden Fall eine echte Standortbestimmung. Und es ist natürlich besser, mit einem Sieg in die Saison zu starten.“

Ebenfalls vor seinem Pflichtspiel-Debüt als Cheftrainer in der 2. Bundesliga steht Matthias Flohr, der den TSV Bayer Dormagen nach der schwierigen Saison 2021/2022 in ein ruhigeres Fahrwasser führen soll – was heißt, dass sie rund ums Sportcenter keinen gesteigerten Bedarf nach einem erneuten Klassenerhalts-Krimi haben. Wie die Chancen darauf aussehen, wird sich höchstwahrscheinlich in der ersten Pokalrunde zeigen, denn die Dormagener treten am Sonntag um 17 Uhr beim HC Elbflorenz Dresden an – also beim Neunten der vergangenen Saison, der damals nach Punkten exakt dieselbe Ausbeute erzielte wie die Klubs auf den Rängen sechs bis acht (alle 41:35). „Wir sind nicht der Favorit, denn Dresden ist eine Top-Mannschaft in der 2. Liga. Aber wir werden versuchen, weiterzukommen“, sagt Flohr, für den die Dienstreise nach Dresden der Auftakt zu einem direkt am Anfang herausfordernden Programm wird. Nach Dresden folgt am 31. August (16.15 Uhr) im Rahmen des Supercups in Düsseldorf gegen HC Motor Zaporizhzhia aus der Ukraine der offizielle Start in die Zweitliga-Saison, ehe bereits am 4. September gegen den Dessau-Roßlauer HV (zuletzt Zwölfter) die Heimpremiere 2022/2023 auf dem Programm steht. „Wir haben eine Woche vor uns, die es in sich hat“, findet der neue TSV-Coach (vorher Co-Trainer bei HBW Balingen-Weilstetten). Einen Pokal-Erfolg würden die Dormagener deshalb als zusätzlichen Schub gerne mit nach Hause nehmen.

Der VfL Gummersbach ist in der ersten Runde als einer von zwei Bundesligisten im Einsatz, die ansonsten erst in der zweiten Runde in den Pokalwettbewerb eingreifen. Weil bei der Auslosung aber die Klassenzugehörigkeit aus der vergangenen Saison entscheidend war, lag das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson mit im Topf. Nicht nur deshalb haben die inzwischen in die höchste Klasse beförderten Gummersbacher wohl die besten Aussichten aufs Weiterkommen und sie gelten für die Partie am Samstag (20 Uhr) beim Zweitliga-Rückkehrer HSG Konstanz sogar als klarer Favorit. Das sieht unter anderem HSG-Coach Jörg Lützelberger so, der als ehemaliger Spieler und Trainer des VfL weiter sehr gute Kontakte nach Gummersbach hat: „Das ist ein absolutes Highlight, in dem wir nichts zu verlieren haben und vor unseren eigenen Fans nur glänzen können.“ Für den VfL geht es in erster Linie darum, nach einer überzeugenden Vorbereitung zu testen, was bis zum 1. September vielleicht fehlt: Dann beginnt das Abenteuer Bundesliga mit der Aufgabe beim TBV Lemgo. Ganz am Ende hoffen die Gummersbacher natürlich auf ähnliche Erfolge wie im Pokal 2021/2022, als sie es bis ins Viertelfinale schafften und dort durch ein 27:29 gegen den Bundesligisten HC Erlangen nur knapp die Teilnahme am großen Final Four verpassten.