2. Bundesliga/Supercup
Die volle Dosis: Erst Dormagen, dann Magdeburg und Kiel
TSV Bayer eröffnet Saison am Mittwoch in Düsseldorf gegen Zaporizhzhia. Es ist das Vorspiel zum Duell zwischen Meister und Pokalsieger.

Wir sind Kiel! Harald Reinkind, Trainer Filip Jicha, Magnus Landin und Patrick Wiencek (von links) gelten mit dem THW immer als natürlicher Kandidat auf einen Titel – auch im Supercup. (Foto: Thomas Schmidt)

Der TSV Bayer Dormagen ist zwar nicht mittendrin, aber immerhin irgendwie dabei. Und für den Zweitliga-Start am Mittwoch um 16.15 Uhr gegen den HC Motor Zaporizhzhia muss die Mannschaft des neuen Trainers Matthias Flohr auch keine besonderen Reise-Strapazen auf sich nehmen – anders als zuletzt in der ersten Runde des DHB-Pokals, die 600 Kilometer von zu Hause entfernt stattfand und mit der 21:31-Pleite beim HC Elbflorenz Dresden neben dem hohen Aufwand für die Anfahrt nichts als eine mindestens mittlere Portion Enttäuschung brachte. Die gilt es nun innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraum schnell zu verarbeiten, zumal die Meisterschafts-Premiere 2022/2023 auf jeden Fall ungewöhnlich wird. Erstens: Die Dormagener sind an einem Konzert-Nachmittag/-Abend im Düsseldorfer PSD-Bank-Dome praktisch die Vorgruppe für die späteren Hauptdarsteller. Die kommen sicher vom Deutschen Meister SC Magdeburg und vom Pokalsieger THW Kiel, die ab 19 Uhr zur offiziellen Saison-Eröffnung 2022/2023 der HBL um den Supercup kämpfen. Zweitens: Die Dormagener treffen auf Zaporizhzhia – jenen Spitzenklub aus der Ukraine, der für die kommende Serie außer Konkurrenz und damit letztlich ohne Wertung der jeweils erzielten Ergebnisse in der 2. Bundesliga mitmischt.

Weil die Duelle mit den Ukrainern demnach kaum etwas anderes als Freundschaftsspiele mit Wettkampf-Atmosphäre sind, hatte Flohr bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass sein Schwerpunkt anders liegt und etwa angeschlagene Kräfte nicht zum Einsatz kommen. Das gilt dann jetzt logischerweise in erster Linie für Keeper Martin Juzbasic (Hand) und für Regisseur Ian Hüter (Ferse), dessen Fehlen sich in Dresden an allen Ecken und Enden des Feldes bemerkbar machte – während Christian Ole Simonsen und der aus der zweiten Mannschaft ausgeliehene Matthias Broy die Arbeit auf dem Posten zwischen den Pfosten sehr ordentlich erledigten. An keinem von beiden lag es, dass der TSV Bayer über die 60 Minuten weitgehend chancenlos war. Unter dem Strich wissen die Dormagener, dass sie auf jeden Fall eine deutliche Steigerung brauchen – auch schon gegen Zaporizhzhia, um durch einen vernünftigen Auftritt neuen Schwung für den Zweitliga-Auftakt in eigener Halle am Sonntag gegen den Dessau-Roßlauer HV (Zwölfter in der vergangenen Serie) mitzunehmen. Die HBL sieht die neun Mal hintereinander für die Champions League qualifizierten und jetzt in der European League startenden Ukrainer als echtes „europäisches Schwergewicht“. Dass Motor tatsächlich trotz einiger Abgänge über einiges an Potenzial verfügt, zeigte es unter anderem kürzlich in einem Testspiel bei der Saisoneröffnung des Bundesliga-Aufsteigers VfL Gummersbach (32:38).

Deutscher Rekordmeister ist? Mit 22 Titel natürlich der THW Kiel. Rekord-Pokalsieger ist? Mit zwölf Erfolgen natürlich der THW Kiel. Und Rekordgewinner im Supercup ist? Mit elf Triumphen im seit 1994 ausgetragenen Wettbewerb natürlich der THW Kiel. Aktueller Deutscher Meister sind allerdings die Magdeburger, die sich 2021/2022 die nationale Krone aufsetzen konnten – mit imponierenden 64:4 Punkten bei nur zwei Niederlagen gegen die Kieler (25:30) und bei der SG Flensburg-Handewitt (27:30). Dabei denkt einer, der als verantwortlicher Leiter des Unternehmens Magdeburg und eine der wichtigsten Figuren für den Aufschwung in den vergangenen Jahren gilt, nicht im Geringsten daran, vor lauter Euphorie abzuheben – obwohl er seine Emotionen an der Seitenlinie durchaus auszuleben pflegt. Trainer Bennet Wiegert gilt vielmehr als penibler Arbeiter. Und dass es gerade gegen den THW niemals die Garantie auf einen Sieg geben kann, hat am Ende viel mit dem vergangenen Final Four im DHB-Pokal zu tun – als der THW am 24. April den in der Meisterschaft dominierenden SCM beherrschte und erstaunlich hoch mit 28:21 abfertigte. 

Seitdem hat sich bei beiden Top-Teams einiges getan. So treten die Magdeburger jetzt nicht mehr mit dem dänischen Nationalkeeper Jannik Green an. Sein Nachfolger weiß aber ebenfalls, wie es auf dem Posten zwischen den Pfosten zugeht: Der in Lyon geborene Schweizer Nationaltorhüter Nikola Portner stand in den vergangenen sechs Jahren in Frankreich unter Vertrag – wo er unter anderem als Torhüter der Saison geehrt wurde und 2018 mit dem HC Montpellier die Champions League gewann. Das Kieler Star-Ensemble um Cheftrainer Filip Jicha muss sich derzeit vor allem um zwei Schlüsselspieler sorgen: Regisseur Sander Sagosen (erlitt Anfang Juni eine Fraktur im Sprunggelenk) fällt ebenso längerfristig aus wie Abwehr-Stratege Hendrik Pekeler (im Mai Achillessehne gerissen). Dass die Kieler deswegen etwa freiwillig auf einen möglichen Sieg in Düsseldorf verzichten, ist allerdings nicht zu erwarten.

Einer, der sowohl beide Vereine als auch beide Trainer sehr gut kennt, ist Bundestrainer Alfred Gislason – von 1999 bis 2006 als Coach in Magdeburg und von 2008 bis 2019 in Kiel, als dort jeweils Wiegert und Jicha als Spieler aktiv waren. Und natürlich wird Gislason am Mittwochabend in Düsseldorf auf der Tribüne sitzen: „Das lasse ich mir nicht entgehen. Es wird spannend zu sehen sein, wer dann die Nase vorn hat.“ Seine Vorhersage für die Bundesliga 2022/2023: “ Ich denke, das Rennen an der Spitze wird enger – und die Spitze wird breiter. Ich glaube nicht, dass der THW Kiel und der SC Magdeburg alleine um die Meisterschaft kämpfen. Die Füchse Berlin erwarte ich richtig stark, auch Flensburg wird besser sein als in der Vorsaison.“ Damit dürfte Gislasson richtig liegen. Und Düsseldorf könnte darauf erste Hinweise geben. Dann sind im Übrigen auch die Dormagener nicht nur dabei, sondern mittendrin: Nach ihrem Saisonstart gegen Zaporizhzhia werden Trainer Matthias Flohr und sein Team selbstredend noch bleiben und sich das Duell der Bundesliga-Schwergewichte ansehen.