31. August 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es kann nur einen geben? Irgendwie schon. Der Bergische HC II als größter Konkurrent aus der vergangenen Saison hat sich jedenfalls aus der Oberliga Niederrhein in Richtung Regionalliga verabschiedet. Also bleibt die vor ein paar Monaten mit nur einem Punkt Rückstand auf den Meister über die Ziellinie gekommene Borussia aus Mönchengladbach der natürliche Kandidat Nummer eins auf den Titel, zumal die Mannschaft von Trainer Ronny Rogawska ihr Personal noch einmal verstärkt hat: Kreisläufer Aaron Jennes war zuletzt für den Neusser HV und den TV Korschenbroich in der Regionalliga unterwegs, Mittelmann Jordi Weisz mit TuSEM Essen II in der 3. Liga. Rogawska macht zudem kein Geheimnis aus den Ambitionen der Mönchengladbacher: „Unsere Zielsetzung bleibt bestehen, wir wollen aufsteigen. Ich denke, wir haben den Kader dazu. Viele Leistungsträger sind geblieben und wir haben Aaron und Jordi dazubekommen. Außerdem sind zwei gute, talentierte Jungs aus Düsseldorf gekommen. Ich denke, wir haben wieder eine sehr starke Mannschaft.“ Die Konkurrenz wird das gerne bestätigen – und trotzdem vermutlich alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um dem Titelfavoriten das eine oder andere Bein zu stellen. Nach der Auftakt-Aufgabe beim LTV Wuppertal werden alle Beteiligten sicher besser einschätzen können, ob bei der Borussia die Theorie und die Praxis ein passendes Gesamtbild ergeben.
Zwei, die der Borussia mit am dichtesten auf den Fersen bleiben dürften, hatten bei der Spielplan-Gestaltung ein bisschen Pech: Die Unitas Haan, Dritter in der vergangenen Saison, und der Vorjahresvierte Adler Königshof treffen zum Auftakt im ersten Spitzenspiel aufeinander. „Da können wir direkt sehen, wo die Reise hingeht“, sagt Unitas-Coach Ronny Lasch, der im Grunde zuversichtlich auf die bevorstehenden Aufgaben blickt. Eine der Ursachen dafür: Torhüter Tobias Joest und Rückraumspieler Lennart Austrup kehrten vom Bergischen HC II nach Haan zurück. „Sie passen menschlich super rein und ergänzen die Mannschaft spielerisch perfekt“, findet Lasch, „unser Torhütergespann mit Joest und Christopher Seher ist eines der besten der Liga. Falls alles normal laufen sollte, wollen wir einfach die Leistung aus dem letzten Jahr bestätigen. Wir haben letztes Jahr ein bisschen über unseren Möglichkeiten gespielt und sind als Dritter über unseren Möglichkeiten ins Ziel gekommen. Jetzt wollen wir uns oben in der Spitzengruppe festsetzen und dann einfach sehen, was geht – ob wir das schaffen oder nicht.“ Ansonsten plagt ihn gerade ein Luxusproblem: „Matthias Aschenbroich und ich müssen als Trainer in Haan auf die Euphoriebremse treten. Spielst du hier eine gute Runde, wird sofort wieder groß gedacht. Dieses Jahr hast du in Gladbach wieder eine Übermannschaft und in Adler Königshof einen ähnlich großen Stein vor der Brust. Dahinter kommen einige Mannschaften, die sehr breit aufgestellt sind. Ich freue mich auf die Saison, wenn alles klappen sollte. Die Jungs haben den Bock, den sie letztes Jahr hatten, in diesem Jahr auch.“ Unter dem Strich hört sich das immerhin wie eine leicht verschlüsselte Kampfansage an die Konkurrenz an.
Die ganz leisen Töne müssen sie bei den Adlern aus Königshof ebenfalls nicht anschlagen – was wiederum mit zwei prominenten Neuen zu tun hat: Die zweit- und drittliga-erfahrenen Simon Ciupinski und Damian Janus bringen definitiv einen zusätzlichen Qualitätsschub ins Team von Trainer Marius Timofte. Die Pflicht zum Aufstieg geben sie in Krefeld zwar nachvollziehbar nicht aus, aber es streitet gleichzeitig niemand die durchaus hohen Ambitionen ab. „Wir haben in der Vorbereitung Woche für Woche Schritte nach vorne gemacht. Natürlich haben wir die Qualität des Kaders hochgeschraubt. Wir sind froh, 14 Leute an Bord zu haben. Unser Ziel ist es auf jeden Fall, die top drei anzugreifen. Wenn wir am Ende Erster wären, würden wir es natürlich dankend annehmen und dann aufsteigen. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Part in der Abwehr spielen. Wir werden auf jeden Fall alles geben.“
Hinter den vermeintlich vorne zu erwartenden Top-Klubs gibt es eine Reihe von Mannschaften, für die es „nur“ um den möglichst sicheren Klassenerhalt geht. Das gilt unter anderem für die drei Aufsteiger TSV Kaldenkirchen, HSV Überruhr und TuS Lintorf. In Kaldenkirchen wünschen sie sich vor allem, dass sich ein Stück von der Euphorie rund um den Aufstieg nach 42 Jahren in der Verbandsliga in die Saison retten lässt – weil tatsächlich eine bittere Serie mit Verletzungen (unter anderem kompletter Rückraum außer Gefecht) und zum Teil langen Ausfallzeiten für größere Sorgenfalten auf der Stirn von Trainer Volker Hesse gesorgt hat. „Wir hoffen und beten, dass jetzt nicht Verletzungen dazukommen, aber sicherlich sind wir gespannt auf das erste Oberligaspiel und wir sind auch voller Vorfreude“, erklärt Hesse. Der Coach startet mit seinem Team beim TV Angermund, der in der vergangenen Serie nur knapp und durch den Rückzug des VfB Homberg in der Klasse bleiben durfte.
Größere Sorgen aus einer ganz anderen Kategorie plagen Überruhr und Trainer Tim Reinhardt, denn die gewohnte Halle Klapperstraße (Sanierung) steht seit einiger Zeit nicht zur Verfügung, sodass Training und Spiele momentan in einem Ausweich-Quartier über die Bühne gehen müssen. Ob und wie sich das auswirkt, dürfte die Partie des ersten Spieltags bei der HSG Hiesfeld/Aldenrade zeigen. „Grundsätzliche Ziele sind der Klassenerhalt und wir wollen die Truppe in der Oberliga etablieren, stehen allerdings vor einer sehr herausfordernden Saison. Wir haben in Philipp Pöter, der seine Karriere beendet, und Lars Kürten, der in Paris promovieren wird, absolute Leistungsträger verloren. Die Neuzugänge Lukas Plaumann, Tim Koenemann und Simon Batz müssen integriert werden“, sagt Reinhardt.
Der TuS Lintorf will die positiven Eindrücke aus der Vorbereitung mit ins Saisondebüt gegen den TSV Aufderhöhe nehmen und unter Beweis stellen, dass er sich schnell in der höheren Klasse zurechtfindet. Frederick Küsters, Sportlicher Leiter bei Handball Oppum (vorher TV Krefeld-Oppum), traut dem TuS sogar mehr zu: „Favoriten sind für mich die Borussia, Adler Königshof und dahinter vielleicht Unitas Haan. Lintorf ist ein kleiner Geheimfavorit.“ Die Oppumer selbst müssen sich ebenfalls neu sortieren – weil Torhüter Patrick Dönni nach Lobberich gewechselt ist und neben Küsters (zuvor noch als Spieler an Bord) seine Karriere beendet hat – wie Kapitän Gerrit Held als zentrale Führungsfigur. „Eine Standortbestimmung ist schwierig und der Abgang von Gerrit wiegt schwer. Wir haben aber einen sehr guten Teamspirit und Jungs, die wollen und Bock haben. Wir haben auch die Qualität, um zu bestehen.“ Dazu sollen unter anderem die Neuen Marius Deilen (Tor) und Tim Nimmesgern (Rückraum/beide ASC Dortmund) beitragen.
Bei Trainer Thomas Laßeur und dem vor einem Jahr aufgestiegenen TV Geistenbeck herrscht in erster Linie Zuversicht – gemischt mit einer Portion Ungewissheit darüber, was passierten mag: „Wir freuen uns auf die neue Spielzeit und wir haben eine ambitionierte Vorbereitung hinter uns. Da habe ich den Jungs einiges abverlangt. Jetzt müssen wir sehen, wie wir in die Saison reinkommen und dass wir uns festigen in der Oberliga. Wir wollen uns aus dem Abstiegs-Schlamassel heraushalten. Das ist unser primäres Ziel, aber das wird schwer genug. Viele Mannschaften haben das gleiche Ziel.“ Seine Kandidaten für die Meisterschaft? „Für mich ist Borussia Mönchengladbach klarer Favorit“, sagt Laßeur, „das ist schon ein Brett, das da kommt. Oben mitspielen werden wahrscheinlich Königshof und Haan.“
Seine Einschätzung deckt sich in vielen Punkten mit der des Kollegen Christopher Liedtke vom TV Lobberich: „Ich hoffe, dass wir uns hinter Gladbach, Haan und Königshof einordnen und da den einen oder anderen ärgern können. Mönchengladbach wird es machen.“ Trotz einer eher durchwachsenen Vorbereitung haben die Lobbericher für den Auftakt bei Mettmann-Sport einen festen Plan. „Wir wollen natürlich gewinnen“, betont Liedtke, „das wird aber schwierig.“ Ein Selbstläufer wird die gesamte Saison wahrscheinlich für keinen – selbst für die am besten ausgestattete Borussia nicht. Am Ende kann es ja tatsächlich nur einen geben, denn mehr Aufsteiger in die Regionalliga sieht das Regelwerk neben dem Meister nicht vor. Die Jagd beginnt – jene der Borussia auf den Titel und jene der Konkurrenz auf die Borussia.