Supercup
Über Dormagen, Duvnjak und einen einsamen Europameister
Der Abend in Düsseldorf war voller spannender Geschichten - unter anderem Siegen des TSV Bayer und des THW, dessen Kapitän wahre Größe zeigte. Julian Weber loste die zweite Runde des DHB-Pokals vor leeren Rängen aus.

Da ist das Ding: Rune Dahmke (Nummer 23) und die Kieler feierten den Supercup-Erfolg ausgelassen. (Foto: Thomas Ellmann)

Wenn es nach der Auslastung der Halle geht, war der Tag nur halb gelungen. Die offizielle Statistik wies hinterher schließlich 5900 Zuschauer aus – bei einem etwa doppelt so großen Fassungsvermögen. Tatsächlich aber waren die gut fünf Stunden am Mittwoch ab 16.15 Uhr im PSD Bank Dome zu Düsseldorf ein voller Erfolg – für den Handball allgemein und für ein paar der Beteiligten besonders. Wir versuchen in einer Art Tagebuch alles zusammenzufassen – wie der TSV Bayer Dormagen im Vorspiel die Zweitliga-Saison mit einem 33:28 gegen den HC Motor Zaporizhzhia eröffnete, wie Kiels Kapitän Domagoj Duvnjak mehr als nur sportliche Größe zeigte, wie der THW gegen den Deutschen Meister SC Madgeburg beim 36:33 den nächsten Supercup-Triumph holte und wie abschließend Speerwurf-Europameister Julian Weber zum Abschluss in einer längst fast leeren Halle die Paarungen für die zweite Pokalrunde auslosen „durfte“. Hier sind die Geschichten eines spannenden Abends:

 

HC Motor Zaporizhzhia – TSV Bayer Dormagen 28:33 (15:17). 

In Dormagen sollten sie sich die offizielle Tabelle der HBL vielleicht an einem geeigneten Platz in der Kabine aufhängen, weil sie für den Moment immerhin optisch was wert ist. Durch den klaren Erfolg über den für diese Saison in die 2. Bundesliga aufgenommenen Spitzenklub aus der Ukraine steht das Team von Trainer Matthias Flohr tatsächlich vorübergehend auf dem ersten Platz. Hauptgrund: Die versammelte Konkurrenz startet erst ab Freitag in die Meisterschaft – wie TuSEM Essen, das dann um 19.30 Uhr den HC Empor Rostock erwartet. Die Spitzenposition der Dormagener ist ansonsten eher eine überflüssige Spielerei, weil die Ukrainer außerhalb der Wertung antreten, die Ergebnisse also später wieder herausgerechnet werden – was im Übrigen mit dem Fortschreiten der Saison für ein mehr und mehr unübersichtliches Tabellenbild sorgen wird. TSV-Coach Flohr fasste es deshalb richtig zusammen: „Das war eine tolle Mannschaftsleistung von allen. Schade ist, dass die Mannschaft dafür nicht wirklich mit zwei Punkten belohnt wird.“

Abwehrarbeit: Dormagens Abwehr mit Patrick Hüter (Mitte) und Joshua Reuland (links) hatten die Dinge oft gut im Griff. Dmytro Horiha (rechts) konnte trotzdem sieben Motor-Treffer erzielen. (Foto: Thomas Ellmann)

Dormagen legte nach dem 1:0 (2.) von Mislav Grgic immer vor und konnte sich im Anschluss an die weitgehend ausgeglichene erste Halbzeit ab dem 24:23 (48.) auf 28:24 (52.) und 31:25 (54.) absetzen, weil der Motor bei Zaporizhzhia inzwischen zu viele Fehler produzierte. Außerdem nutzte der deutsche Zweitligist erstens die Gelegenheit, alle Spieler zum Einsatz zu bringen,  und er nutzte zweitens die sich ergebenden Chancen konsequent. Ganz hoch wollte Flohr den verdienten Erfolg trotzdem nicht hängen: „Das Wichtigste ist erst mal, dass sich niemand zusätzlich verletzt hat.“ Bei der Zweitliga-Heimpremiere am Sonntag um 17 Uhr gegen den Dessau-Roßlauer HV fehlen in Torhüter Martin Juzbasic (Hand) und Spielmacher Ian Hüter (Ferse) ohnehin bereits zwei wichtige Schlüsselspieler. Diejenigen, die gegen die Ukrainer an Bord waren, zeigten allerdings eine ansehnliche Mischung aus Kampf und Spielfreude – was Flohr auf den ersten „echten“ doppelten Punktgewinn in der neuen Saison hoffen lässt. Beste Werfer gegen Zaporizhzhia waren Joshua Reuland (7/3) und Aron Seesing (6).

Die von der Bank: Sven Ehrig und Luca Schwormstede (von links), die eher nicht zur ersten Kieler Besetzung gehören, hatten neben dem Feld in Domagoj Duvnjak (rechts) einen prominenten Nachbarn. (Foto: Thomas Ellmann)

Duvnjak und die Einlaufkinder

Ist Domagoj Duvnjak einer der besten Handballer aller Zeiten? Natürlich, zumal er bereits in Kroatien sehr erfolgreich war und dann zwischen 2009 und 2014 beim HSV Hamburg und seitdem für den THW Kiel wesentliche Beiträge zu vielen Titeln sammelte. Der Welthandballer von 2013 wurde 2020 erneut zum wertvollsten Spieler der Bundesliga gewählt – und hat inzwischen mit 34 Jahren im Star-Ensemble von der Ostsee selbst als Kapitän deutlich weniger Einsatzminuten als früher. Geblieben ist er auf jeden Fall ein Vorzeige-Profi ohne Starallüren, dafür mit einem tollen Draht zur Basis – wie sich ein paar Minuten vor dem Supercup herausragend zeigte, als sich die Mannschaften zur Begrüßung durchs Publikum in der Hallenmitte bereitgemacht hatten. Mit den vor den Mannschaften aufgestellten Einlaufkindern passte es noch nicht so hundertprozentig. Der 1,98-Meter-Mann nahm die Sache entschlossen selbst in die Hand, beugte sich nach unten – und schon rückte die Reihe das Stück in die richtige Richtung. Es sah liebevoll-bodenständig aus. Und ja: Domagoj Duvnjak ist ein Großer seines Sports.

 

Da ist die Wand: THW-Keeper Niklas Landin baute sich immer wieder beeindruckend auf vor Magdeburgs Werfern – nicht nur, wie hier, vor Magnus Saugstrup. (Foto: Thomas Ellmann)

SC Magdeburg – THW Kiel 33:36 (16:16). 

Niemand wollte nach den von Spannung, höchstem Tempo und noch höheren Emotionen geprägten 60 Minuten darüber streiten, wer denn als Spielers des Spiels auszuzeichnen sei: Die Wahl fiel sehr treffend auf den Kieler Keeper Niklas Landin. Es war weniger die beachtliche Zahl seiner Paraden (13), die dem THW durch den Abend half, sondern der jeweilige Zeitpunkt und die Qualität der Aktionen. Vor der Pause drohte etwa der mehrmals freie Magdeburger Linksaußen Matthias Musche an Landin zu verzweifeln, der dann in der 59. Minute beim Stande von 34:32 für einen Siebenmeter seinen Posten räumte, die Arbeit den vom Bergischen HC gekommenen Thomas Mrkva überließ – und ein paar Sekunden darauf mitfeierte. Mrkva kann den Versuch von Omar Ingi Magnusson abwehren und verschafft dem THW damit 70 Sekunden vor Schluss einen beträchtlichen Vorteil in der lange Zeit völlig offenen Partie zwischen Meister Magdeburg und Pokalsieger Kiel. Und wer erzielt genau 23 Sekunden darauf das entscheidende 35:32? Domagoj Duvnjak mit seinem einzigen Treffer an diesem Abend. Es hätte passender nicht sein können. Und wenig später bei der Siegerehrung hebt der Kroate die Supercup-Trophäe in die Höhe. Es scheint, dass er sich wie ein kleines Kind freut. Irgendwie wirkt es ansteckend.

 

Julian Weber ohne Publikum

Für eine gute Idee hielten es die Verantwortlichen, im Anschluss an die stimmungsvolle Siegerehrung noch die Auslosung zur zweiten Runde des DHB-Pokals vorzunehmen. Welch ein Unsinn. Der als Losfee eingeladene Speerwurf-Europameister Julian Weber, in Mainz geboren und einst vor dem Wechsel zur Leichtathletik selbst Handballer, musste sich wie bei einem schlechten Sportfest irgendwo im Nirgendwo vorkommen. Denn – was die bewegten Bilder in der Fernseh-Übertragung so nicht verrieten – der größte Teil der Fans in der Halle hatte sich längst auf dem Heimweg gemacht, sodass die Ränge im großen PDS Bank Dome trostlos leer wirkten. Weber trug immerhin alles mit der Gelassenheit des regelmäßig vor Kamers stehenden Top-Athleten. Ihren Spaß hatte bei der „Zeremonie“ vor allen Dingen eine Delegation des Bundesliga-Aufsteigers ASV Hamm-Westfalen, als Weber das drittletzte Los auf der Schüssel nahm – und die Hammer als Gast des TuS Vinnhorst aus der 3. Liga Nord einordnete.

Ich fasse es nicht: Bennet Wiegert (stehend), der Trainer SC Magdeburg, baute sich immer wieder empört auf – in der Regel, um sehr intensiv über Schiedsrichter-Entscheidungen zu diskutieren. (Foto: Thomas Ellmann)

Ganz gut leben kann mit seiner Aufgabe für die zweite Runde wohl auch der Bergische HC, der im Bundesliga-Duell mit Frisch Auf Göppingen zu Hause spielen darf. Bundesliga-Aufsteiger VfL Gummersbach steht vor der nicht einfachen, aber lösbaren Aufgabe beim Zweitligisten HC Empor Rostock. Und bei einer Partie bewies Weber ein total glückliches Händchen – aus der Sicht neutraler Fans, weil er die SG Flensburg-Handewitt und die Füchse Berlin zu einem vielversprechenden Top-Duell zusammenführte. Die Kieler sind Favorit beim Zweitliga-Aufsteiger VfL Potsdam, die Magdeburger beim ehemaligen Erst- und jetzigen Zweitligisten Eulen Ludwigshafen. Vielleicht sind ja die Kieler 2023 wieder in Düsseldorf dabei – als Pokalsieger oder (aus ihrer Sicht besser) als Deutscher Meister. Dann wäre hoffentlich auch Domagoj Duvnjak das nächste Mal in Düsseldorf zu Gast. In Kiel wissen sie sehr genau, warum sie ihn mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet haben.