1. Bundesliga
Trotz Mastermind Mappes: Gummersbachs großer Kampf ohne Ertrag
VfL verliert gegen den SC Magdeburg nach einer Vier-Tore-Führung noch mit 28:30. Das Polster reicht nicht, weil der Deutsche Meister "erwachsen" antwortet.

Ich finde jede Lücke! Gummersbachs Regisseur Dominik Mappes (beim Wurf) nahm es auch mit den Magdeburgern Marko Bezjak (Nummer 24) und Christian O’Sullivam (25) entschlossen auf. (Foto: Thomas Wirczikowski)

VfL Gummersbach – SC Magdeburg 28:30 (12:12). Zehneinhalb Minuten vor dem Ende ist die Welt in der Schwalbe-Arena völlig in Ordnung und der größte Teil der 3410 offiziell gezählten Handball-Fans ziemlich aus dem Häuschen. Dominik Mappes, der alles und alle überragende Spieler an diesem Abend, hat gerade mit seinem zwölften Treffer das 26:23 (50.) erzielt und mindestens alle Gummersbacher auf der Tribüne liegen ihm längst zu Füßen. Niemand ahnt, dass mit der bald folgenden Zeitstrafe gegen Lukas Blohme (51.) der Anfang vom Ende kommt – nachdem die Gummersbacher bis dahin auf so viele Fragen die richtigen Antworten gefunden haben. Aber der maximal herausgeforderte Meister zeigt jetzt, warum er zu den großen Klubs in der höchsten deutschen Klasse gehört. Die Mannschaft von Trainer Bennet Wiegert schert sich weder um lautstarke Pfeifkonzerte noch scheint sie Zweifel an sich selbst zu kennen. Das Finale schmerzt die Gummersbacher dann extrem, weil die große Überraschung greifbar nah ist – und die Wende trotzdem in Ordnung geht. Magdeburg gewinnt den Schluss-Abschnitt mit 7:2 und kommt tatsächlich mit einem blauen Auge davon.

VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson mag die zahlreichen Komplimente für den über weite Strecken starken Auftritt gar nicht hören – weil sie keinen einzigen Punkt bringen. „Glückwunsch zum Sieg an Magdeburg. Dieser Sieg war am Ende verdient“, urteilte Gummersbachs Coach, „ich bin heute teilweise glücklich, teilweise aber auch verärgert, wie wir das gemacht haben. Was mich ärgert, sind die unnötigen technischen Fehler und Fehlpässe in der zweiten Halbzeit, wo wir eigentlich mit zwei, drei Toren führen. Glücklich bin ich mit unserer Einstellung und dem Kampf. Magdeburg war heute die erwachsene Mannschaft, die uns gezeigt hat, wie man solche Siege herausfahren sollte.“ Dem einstigen Weltklasse-Linksaußen war vermutlich sofort nach dem Abpfiff klar, dass ausdauerndes Hadern oder gar Berauschen an der lange überzeugenden Vorstellung mit dem Blick nach vorne die größte Gefahr sein könnte: „Am Sonntag wartet ein enorm wichtiges Spiel auf uns.“ Es kommt der Mit-Aufsteiger ASV Hamm-Westfalen, der beim 30:35 gegen die Rhein-Neckar Löwen weitestgehend chancenlos war. Die Gummersbacher werden hier vom Festspiel-Gefühl aus dem Duell mit Magdeburg irgendwie in den Alltag umschalten müssen. Gegen den Meister waren sie Außenseiter und frei von jedem Druck – was gegen Hamm in jeder Beziehung anders aussieht.

Die Hausherren brauchten einen längeren Anlauf, um sich Stück für Stück in die Partie hineinzuarbeiten – 3:3 (5.), 3:7 (13.), 7:10 (19.). 9:12 (25.). Schon bis dahin und fortan noch deutlicher zu erkennen: Neuzugang Dominik Mappes, vom Zweitligisten TV Hüttenberg zu den Gummersbachern gestoßen, war der Mastermind der Hausherren – jenes Superhirn, das Entscheidungen trifft und gerne Verantwortung am liebsten in brenzligen Situationen übernimmt. Fünf Tore waren es vor der Pause, als der VfL aus dem 9:12 (25.) dank hingebungsvoller Abwehrarbeit einen 12:12-Gleichstand machen konnte, und sogar neun Mappes-Treffer kamen im zweiten Durchgang hinzu – mit einer insgesamt makellosen Quote bei den Siebenmetern (alle sechs verwandelt). Unter dem Strich übertraf der Regisseur sogar seine prominenten Magdeburger Gegenspieler Omar Ingi Magnusson (9/7), den die Gastgeber am Anfang gar nicht in den Griff bekamen und Gisli Kristjansson (4). Mappes‘ Leistung hatte über weite Strecken etwas Unwirkliches – und sie war die wesentliche Säule des Gummersbacher Aufschwungs.

Seine eigene tolle Leistung hätte der 27-Jährige, der ein ausgewiesener Teamplayer ist, im Übrigen liebend gerne gegen etwas Zählbares fürs gemeinsame Ganze eingetauscht: „Natürlich freut dich das, wenn dein Spiel so gesehen wird. Aber viel lieber wäre es mir zum Beispiel gewesen, ich hätte weniger Tore erzielt – und dafür hätte dann die Mannschaft gewonnen. Wir haben verloren und das ärgert mich immer.“ Besonders schade fand er, dass oft kein gar so großer Unterschied zwischen dem VfL und Gummersbach lag: „Es waren eigentlich Kleinigkeiten, ein paar freie Bälle, die wir nicht nutzen, und technische Fehler. Knackpunkt war dann die doppelte Unterzahl.“ Was das alles für die Aufgabe gegen Hamm heißt? „Das ist ein ganz neues Spiel“, warnt Mappes, „und es wird bestimmt nicht einfacher.“ Das liegt auch seiner Ansicht nach unter anderem am Rollentausch, denn diesmal ist Gummersbach eben nicht Außenseiter, sondern Favorit.

Hoffen und Bangen: Tom Kiesler, Co-Trainer Anel Mahmutefendic, Stepan Zeman und Trainer Gudjon Valur Sigurdsson (von links) erlebten gegen Magdeburg ein Wechselbad der Gefühle. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Ab dem 14:14 (32.) lief die packende Partie nicht nur auf Augenhöhe, denn der Außenseiter bestimmte die Akzente. Mit dem 19:16 (38.) durch den von Lukas Blohme genutzten Tempogegenstoß gab es erstmals eine Drei-Tore-Führung, aus der übers 20:17 (40.) und 21:18 (42.) mit dem 22:18 (43.) das erste Vier-Treffer-Polster wurde. Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert, draußen doch längst nicht nur ein bisschen beunruhigt wirkend, konnte sich aber auf seine Mannschaft verlassen – die zunächst die  Zeitstrafen gegen die Gummersbacher Ellidi Vidarsson und Lukas Blohme (beide 51.) zum 24:26 (51.) und 25:26 (52.) nutzten, ehe sie zum 26:26 (54.) ausglichen und kurz darauf mit dem 28:27 (57.) wieder die Führung übernahmen. Es waren im Auftritt des Meisters genau jene Qualitäten, die Sigurdsson später unter dem Prädikat „erwachsen“ einordnen sollte: Magdeburg griff mit dem 29:27 (59.) durch Lukas Mertens wieder entschlossen zu, während der VfL ausgerechnet jetzt eine zu hohe Zahl an technischen Fehlern und Fehlwürfen einstreute. Dominik Mappes verkürzte auf 29:30 (60.), bevor die Unparteiischen nach einem Foul an SC-Nationalspieler Philipp Weber einen (korrekten) Strafwurf gaben – gegen den ganz Gummersbach vehement protestierte. Wie das den Schützen Magnusson irritierte? Gar nicht. Sein Versuch zum 30:28 genau 20 Sekunden vor dem Ende passte.

Es war irgendwie bitter für Gummersbach, wie SC-Trainer Bennet Wiegert im Anschluss bestätigte: „In der zweiten Halbzeit spielt Gummersbach befreit und fantastisch auf. Wir haben keinen Zugriff mehr in der Verteidigung, wo uns Mappes die Bälle um die Ohren geworfen hat. Wir haben kein Tempospiel mehr gezeigt und waren zu verkrampft. Am Ende können wir nicht davon ausgehen, dass wir noch einmal das Ruder rumreißen. Es war ein glücklicher Sieg und der VfL tut mir fast leid, weil sie mindestens ein Unentschieden verdient gehabt hätten.“ Wiegert wollte eben ein höflicher Sieger sein. Ernsthaft böse war er seiner Mannschaft definitiv nicht. 

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Fanger, Vidarsson (2), Kodrin (3), Köster (3), Blohme (4), Häseler, Schluroff, Mappes (14/5), Pregler, Zelenovic, Kiesler, Jansen (2), Zeman.