1. Bundesliga
Gummersbacher glücklich: Die irre Mappes-Show
Vier Treffer des VfL-Regisseurs machen aus dem 25:28 einen 29:28-Sieg gegen Hamm. Der BHC zieht sich beim 29:35 in Kiel sehr anständig aus der Affäre.

Nicht schlecht, der Herr Mappes! Gummersbachs Trainer Gudjon Valur Sigurdsson wusste vermutlich genau, dass der VfL den Sieg vor allem den besonderen individuellen Qualitäten seines Regisseurs Dominik Mappes zu verdanken hatte. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – ASV Hamm-Westfalen 29:28 (17:12). Es war ein Handball-Spektakel der besonderen Art – maximal unterhaltsam für die (wenigen) neutralen Zuschauer unter den offiziell 3078 Fans in der später einem Tollhaus gleichenden Schwalbe-Arena, maximal herausfordernd für die beteiligten Mannschaften, die jeweils und wahlweise von hoch oben nach unten stürzten – oder sich von ganz unten aus dem tiefen Tal herauskämpften. In einem Tal der Tränen befanden sich nach diesem dramatischen Duell der beiden Aufsteiger letztlich nur die Gäste aus Hamm, die das Finale mit fast unfassbaren finalen 310 Sekunden kaum begreifen konnten. Tatsächlich ließ sich die Wende von der Wende von der Wende logisch kaum nachvollziehen, aber die Angelegenheit hatte einen Namen: Dominik Mappes, bereits vier Tage zuvor beim packenden 28:30 gegen den Deutschen Meister SC Magdeburg mit 14 Treffern der Mann des Spiels, wurde in der zweiten Halbzeit zum Retter der Gummersbacher, die nun nach drei Partien mit 4:2 Zählern und Rang sieben auf einen sehr anständigen Start in die Saison zurückblicken und relativ gelassen in die nächste Partie am Sonntag bei der HSG Wetzlar gehen dürfen. Für den Vorletzten Hamm (0:6) ist die Lage nach drei Spieltagen mit Platz 15 erheblich angespannter.

Gummersbach schien den ASV nach dem 2:2 (4.) zügig aus der Halle fegen zu wollen – 6:2 (6.), 10:5 (13.), 17:10 (25.). Die beiden Hammer Treffer zum 12:17 (30.) am Ende der ersten Halbzeit schien beim VfL noch niemand ernsthaft zu registrieren, doch die Mannschaft von ASV-Trainer Michael Lerscht hatte längst beschlossen, ebenfalls am Spiel teilzunehmen – und sie blieb nun zumindest dran und ließ sich selbst vom 21:17 (40.) der Hausherren nicht mehr abschütteln. Den 22:22-Ausgleich (48.) der Gäste beantwortete Gummersbach vor allem mit zunehmenden Chaos und allgemeiner Kopflosigkeit, während sich Hamm zunehmend an sich selbst berauschte und den Spieß fast locker zum eigenen 28:24 (55.) umdrehte. Die Entscheidung? Dominik Mappes besonders hatte was dagegen.

Der Spielmacher, der in der ersten Halbzeit vorwiegend auf der Bank pausieren durfte und lediglich für zwei (verwandelte) Siebenmeter die Aufwärmjacke ausziehen musste, kam zum zweiten Durchgang ebenso auf die Platte wie Keeper Tibor Ivanisevic für den Torhüter-Kollegen Fabian Norsten. Und ungewöhnlich hilfreich war die Mappes-Einwechslung erst einmal nicht, zumal Hamm ja trotz seines Mitwirkens zu einem Vier-Tore-Polster kam. Das fast Unmögliche lieferte der 27-Jährige dann allerdings auf der Zielgeraden nach, als alles verloren zu sein schien. Mit dem 26:28 (56.), 27:28 (57.) und 28:28 (59.) erzielte er zunächst den Ausgleich – wofür ihm die VfL-Fans bereits zu Füßen lagen. Dann verlor Hamm in der letzten Minute den Ball und gab den Gummersbachern die Gelegenheit, sogar den entscheidenden Treffer zu setzen. Genau 19 Sekunden vor dem Ende war es so weit: Mappes übernahm fast selbstverständlich  erneut das Risiko – 29:28. Kurz darauf war das Spektakel mit einem klassischen Happy End für Gummersbacher vorbei.

Trainer Gudjon Valur Sigurdsson wusste den Erfolg hinterher sehr zu schätzen: „Ich darf hier als der glücklichere Gewinner sitzen. In der ersten Halbzeit spielen wir überragend, führen mit 17:10 und kriegen dann noch zwei Tore durch eine Unkonzentriertheit. Wir haben sehr stark gedeckt und es allgemein sehr gut gemacht. In der zweiten Halbzeit war Hamm überragend in der Abwehr. Ich habe dann überlegt, mit sieben gegen sechs zu spielen, aber das hat auch nicht gut geklappt. Dann nach vier Toren Rückstand noch mit einem Tor zu gewinnen, grenzt fast schon an ein Wunder. Die Jungs haben den Druck heute wirklich spüren können. Wir haben einen sicher geglaubten Sieg hergeschenkt und sind dann wieder zurückgekommen, das freut mich sehr für die Jungs. Wir sind glücklich, dass wir heute gewonnen haben.“ Kollege Lerscht auf der anderen Seite war naturgemäß weniger glücklich, wirkte aber einigermaßen gefasst. „Mir geht es aber vor allem darum, meinen Jungs Mut zuzusprechen, dass sie nach einer schweren ersten Halbzeit zurückgekommen sind“, fand Lerscht, „wir sind jetzt richtig in der Liga angekommen und sehen, was wir leisten können, wenn wir alles auf die Platte bringen, was wir drauf haben. Wichtig ist, dass wir diese Leistung jetzt in die nächsten Spiele transportieren.“

VfL Gummersbach:  Norsten, Ivanisevic – Fanger, Vidarsson, Kodrin (2), Köster (6), Blohme (4), Häseler (1), Schluroff (2), Mappes (8/2), Pregler (4), Zelenovic, Styrmisson, Kiesler, Jansen (4), Zeman

 

THW Kiel – Bergischer HC 35:29 (17:13). Das sieht doch auf den ersten Blick nach einem halbwegs annehmbaren Ergebnis aus, weil der BHC ja beim Rekordmeister nicht unbedingt als Favorit gelten durfte. Auf den zweiten Blick gab es aber für die Niederlage trotz möglicher positiver Aspekte keine Punkte. Auf den dritten verliert Trainer Jamal Naji außerdem grundsätzlich nicht gerne – auch nicht als Außenseiter. Und auf den vierten stehen nun nach dem 28:25-Auftaktsieg bei GWD Minden sowie nach dem 22:23 gegen die TSV Hannover-Burgdorf und der Herkules-Aufgabe in Kiel 2:4 Punkte auf dem Konto – was sicher kein Anlass zu Panik ist, aber genauso sicher kein Anlass, in Euphorie auszubrechen. Der BHC hat nun für die Aufgabe gegen TBV Lemgo (Donnerstag) das klare Ziel, den ersten Heimsieg einzufahren – um eine bessere Basis für die weiteren September-Aufgaben beim HSV Hamburg (22.) und gegen die inzwischen von seinem Ex-Coach Sebastian Hinze trainierten Rhein-Neckar Löwen (29.) zu haben. Naji zog aus dem Auftritt vor fast 10000 Zuschauern in der „Wunderino Arena“ auch viel Positives für sein Team: „Das war ein tolles Erlebnis in einer vollen Halle. Wir haben uns deutlich verbessert im Angriff im Vergleich zu den zwei Spielen davor. Das hat mir sehr gut gefallen und das nehmen wir mit.“

Ernsthaft für einen Sieg kam der BHC nicht in Frage – was auch keiner erwartet hatte. Das 1:0 (1.) von Tim Nothdurft blieb die einzige Führung, weil der Favorit selbst ohne die verletzten Sander Sagosen und Hendrik Pekeler über jede Menge Qualität verfügte. Nach dem 3:4 (11.) mussten die Gäste bis zum 3:9 (16.) fünf Gegentreffer in Folge hinnehmen und ab jetzt lief das Duell im erwarteten Rahmen, obwohl sich Najis Mannschaft teuer verkaufte – 12:16 (29.) 13:17 (30.). Übers 16:24 (39.) und 17:25 (42.) kletterte der Rückstand beim 19:28 (46.) oder 21:30 (48.) bis auf neun Tore, ehe der Außenseiter die Endphase mit 8:5 für sich entscheiden konnte und das Resultat dadurch in einem erträglichen Rahmen hielt. „

Dass der BHC das Torhüter-Duell mit dem noch in der vergangenen Saison in der Klingenhalle zwischen den Pfosten stehenden Thomas Markva (36 Prozent der Bälle gehalten) um Längen verlor, ließ sich aus Najis Sicht relativ einfach erklären: „Wir wollten die gleiche Performance in der Abwehr bringen wie in den ersten beiden Spielen. Natürlich hatten wir da mit dem THW Kiel eine ganz andere Qualität vor uns, da ist uns das nicht immer gelungen. Weil sie bei den Fernwürfen getroffen haben, mussten wir offener arbeiten. Das macht Räume frei für die Kreisläufer – und da hatten unsere Torhüter ein schweres Spiel aus der Nahwurf-Distanz.“ Klar: Wenn ein Nationalspieler wie Patrick Wiencek (sechs Treffer) unbedrängt vor Peter Johannesson oder Christopher Rudeck auftaucht, ist die Arbeit immer kompliziert.

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (3/2), Persson, Schönningsen (3), Nothdurft (5/1), Weck (1), Gunnarsson (1), Ladefoged, Fraatz (2), Babak (3), Arnesson (2/1), Bergner (4), Nikolaisen (5), M’Bengue, Stutzke.