1. Bundesliga
Gefahr in Hamburg, Gefahr aus Stuttgart
Der BHC will an der Elbe den zuletzt erkennbaren Aufwärtstrend fortsetzen. Euphorische Gummersbacher dürfen den Vorletzten nicht unterschätzen.

Rein damit! Kreisläufer Frederik Ladefoged (hier frei vor Lemgos Torhüter Finn Zecher) und der BHC werden ihre Chancen in Hamburg vermutlich konsequent nutzen müssen. (Foto: Michael Jäger)

Selbstverständlich ist Jamal Naji ein vorausschauender Mensch. Das hat am Ende sogar einiges mit Schach zu tun, weil auch ein Handball-Trainer gerne diesen oder jenen denkbaren Zug des Kollegen in die eigenen Überlegungen einbauen mag. Außerdem warten bis Ende Oktober einige der dicksten möglichen Brocken auf den Bergischen HC – wie die Aufgaben gegen den inzwischen vom ehemaligem BHC-Coach Sebastian Hinze geführten Rhein-Neckar Löwen (aktuell Zweiter), beim HC Erlangen (Vierter), gegen den Deutschen Meister SC Magdeburg (Dritter) und bei den Füchsen Berlin (Fünfter), die allesamt noch ungeschlagen sind. Da trifft es sich vielleicht ganz gut, dass Najis Team die Herkules-Aufgabe beim Rekordmeister THW Kiel kürzlich bereits hinter sich gebracht hat. Dort verlor der BHC zwar mit 29:35, zeigte sich aber im Vergleich zum 28:25 beim Schlusslicht GWD Minden und (besonders) dem 22:23 bei der Saison-Heimpremiere gegen die TSV Hannover-Burgdorf deutlich verbessert. Dafür gabs dann mit dem 32:28 über den TBV Lemgo Lippe die verdiente Belohnung und ein ausgeglichenes Konto (4:4 Punkte). Diese Leistung gilt es nun in den Augen des BHC-Trainers zunächst zu bestätigen – und allein deshalb verbietet sich für ihn vorerst eine Beschäftigung mit den sicher sehr reizvollen Duellen, die da demnächst auf dem Programm stehen. Reiz- und sehr anspruchsvoll ist zudem hundertprozentig auch die Partie am Donnerstag beim HSV Hamburg, der mit ebenfalls 4:4 Zählern als Neunter direkt vor dem BHC steht. 

Durch die Regisseure Leif Tissier und Dani Baijens sieht Naji bei den Gastgeber sehr viel Tempo sowie durch Azar Valiullin und den dänischen Neuzugang Jacob Lassen (aus Bjerringbro-Silkeborg gekommen) im linken und rechten Rückraum sehr viel Wurfqualität. „Außerdem funktioniert die Kreis-Kooperation mit Kreisläufer Niklas Weller sehr gut“, findet der BHC-Trainer, „da kommen viele verschiedene Sachen auf uns zu, die wir lösen müssen.“ Sein Ziel für die Dienstreise nach Norddeutschland ist trotzdem klar: „Ich glaube, dass Hamburg durch den Heimvorteil erst mal favorisiert ist. Wir wollen dort aber durchaus punkten und unseren positiven Trend vor allem im Angriff bestätigen.“ Dass die Hamburger fürs Duell in der Barclaycard Arena eigene Ideen entwickeln werden, dürfte den BHC kaum überraschen – und der vor gut 20 Jahren bei der damaligen SG Solingen als Spieler tätige HSV-Trainer Torsten Jansen wird ebenfalls alles daransetzen, dass sein heutiger Klub im Duell mit seinem früheren Verein die nächsten beiden Zähler einfährt. Der BHC wird sehr wahrscheinlich eine ähnliche Leistung wie beim Sieg über Lemgo brauchen, als Mittelmann Tomas Babak mit Übersicht, reichlich Ideen und sieben Treffern der Mann des Abends war.

Über den Dingen scheint im Augenblick der VfL Gummersbach zu schweben, der mit Platz sieben und 6:2 Punkten aus den ersten vier Spielen nach der Rückkehr in die höchste deutsche Klasse die meisten Erwartungen übertroffen hat. Die bisher einzige Niederlage gab es mit dem 28:30 in der Schwalbe-Arena gegen den klaren Favoriten Magdeburg – und der Verlauf des Spiels war beinahe untypisch, weil die Gummersbacher da in der Schlussphase mit drei Toren führten und auf dem Weg zu einer ziemlich großen Überraschung waren, ehe sie noch abgefangen wurden. Genau anders sah der Spielfilm anschließend aus: Beim 29:28 über den ASV Hamm-Westfalen und beim 30:29 als Gast der HSG Wetzlar sorgte das jeweils zurückliegende Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson zweimal für packenden Spektakel-Handball. Zwei Dinge sind dabei klar: Der allgemeine Höhenflug hat viel mit der bisher überragenden Form von Dominik Mappes zu tun (schon 40 Tore, zurzeit bester Rückraumspieler des Bundesliga) und es gibt keine Garantie auf weitere Erfolge. Vielleicht wird nun das Heimspiel am Donnerstag gegen den Vorletzten TVB Stuttgart eine besondere Herausforderung.

Dass die Schwaben mit Neu-Torhüter Silvio Heinevetter (zuletzt MT Melsungen) mit 0:8 Zählern zurzeit einen der beiden Abstiegsplätze belegen, hat wohl unter anderem mit der Qualität der bisherigen Gegner THW Kiel (23:36), HC Erlangen (27:29), Füchse Berlin (21:31) und Rhein Neckar Löwen (30:43) zu tun. Dass TVB-Coach Roi Sanchez mit seiner Mannschaft die meisten Gegentreffer (139/Durschnitt 34,75) hinnehmen musste, ist trotzdem verwunderlich, zumal vor der Saison der Schwede Oscar Bergendahl zum Kader stieß: Der 27-Jährige (vorher GOG Handbold) wurde am Ende der Saison 2021/2022 als bester Kreisläufer ins Allstar-Team der „Håndboldligaen“ in Dänemark gewählt – und bei der Europameisterschaft 2022 zum besten Abwehrspieler. Die Gummersbacher tun insgesamt definitiv gut daran, die Aufgabe nicht mal ansatzweise auf die leichte Schulter zu nehmen. Linkshänder Tom Jansen (24), im Sommer vom TV Großwallstadt ins Oberbergische gewechselt, fasst es treffend zusammen: „Es geht wieder bei null los. Wir müssen gegen einen Gegner, der unbedingt da unten raus will, wieder alles rausholen.“