29. September 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Drei Mannschaften stehen nach vier Spieltagen in der 3. Liga West noch ohne Niederlage da. Während das beim Aufstiegs-Favoriten TV Emsdetten kaum eine Überraschung ist, gehören der TuS 82 Opladen und der TuS Spenge sicher zu den Teams, die für den Saisonverlauf auch mal eine Pleite einplanen. Dass es dazu bisher nicht kam, lag unter anderem am Resultat des direkten Duells am vergangenen Samstag. Die Anzeigetafel in der Bielerthalle präsentierte als offizielles Endergebnis ein 30:30-Unentschieden – mit dem die Gäste aus Westfalen überhaupt nicht einverstanden waren. Die Szene, über die hinterher noch viel gesprochen wurde, ereignete sich Mitte der ersten Hälfte. Spenges René Wolff erzielte per Tempogegenstoß das 11:7 für seine Mannschaft, das so auch von der Hallenuhr und dem übertragenden Live-Stream erfasst wurde. In den offiziellen Spielbericht ging der Treffer aber als 8:10 für Opladen durch Julius Schröder ein – der wie Wolff die Rückennummer 11 trug, nur eben im anderen Trikot. Die Hausherren nahmen eine Auszeit und es dauerte mehrere Minuten und weitere Angriffe, bis auffiel, dass der offizielle Spielbericht und die Anzeigetafel nicht übereinstimmten. Nach einigen Diskussionen „korrigierten“ die Unparteiischen dann die Hallenuhr und machten aus dem 12:9 für Spenge ein 11:10. Mit diesem Spielstand ging die Partie weiter und nach gut 40 folgenden spannenden Minuten hieß das offizielle Endergebnis 30:30.
Die Gäste aus Spenge legten gegen die Wertung der Partie vorsorglich Protest ein und für Sportjuristen ist der Sachverhalt durchaus spannend. Grundsätzlich gilt, dass Tatsachenentscheidungen der Schiedsrichter nicht im Nachhinein angegriffen werden können. Das Bundesgericht des Deutschen Handball-Bundes geht aber davon aus, dass das korrekte „Mitzählen“ der Tore durch die Schiedsrichter keine Tatsachenerfassung ist, sondern Fehler hier als Regelverstoß gelten, die gerichtlich überprüft werden können. Da unklar ist, was die Beteiligten in einer möglichen Verhandlung zum Sachverhalt aussagen würden, fällt eine endgültige Beurteilung schwer. Insgesamt ist es jedoch durchaus wahrscheinlich, dass im Fall der Fälle die Begegnung komplett wiederholt werden müsste. Hierzu wird es allerdings wohl nicht kommen, denn ein Wiederholungsspiel könnte aufgrund des engen Terminplans ausschließlich an einem Tag in der Woche stattfinden. Die Gäste haben bereits angekündigt, dass sie den Weg aus Westfalen an einem solchen Wochentag nicht antreten werden – unter anderem, weil sich bei vielen Spielern ein solcher Termin nicht oder nur schwierig mit dem Beruf vereinbaren lässt. Insofern wird es vermutlich bei der Punkteteilung bleiben. Spenges Trainer Heiko Holtmann ging die ganze Geschichte trotzdem nicht so schnell aus dem Kopf. Der TuS-Coach macht dabei niemandem zum Vorwurf, dass er sich verzählt oder verdrückt haben könnte. Ihm geht es um das Verhalten im Anschluss und die Frage, was passiert, falls es in Zukunft noch einmal zu einer ähnlichen Situation käme: „Mich stört diese Hilflosigkeit als Trainer. Mir kommt es nicht darauf an, einen an den Pranger zu stellen. Fehler sind absolut menschlich. Aber sich nicht zusammenzusetzen und zu reden, da Frage ich mich, wo bleibt da das Fair-Play?“
Als Vorwurf in Richtung Opladen will Holtmann die Aussagen erst recht nicht verstanden wissen. Deren Teammanager Michael Strock erklärt, dass auch für seine Mannschaft die Situation ziemlich unübersichtlich war. „Irgendwie hatten wir das Gefühl ‚Da stimmt etwas nicht‘, aber keiner konnte sagen, was“, sagt Strock. Als Folge davon hätte sich Holtmann gewünscht, dass sich die Unparteiischen und das Kampfgericht die nötige Zeit genommen hätten, um den Fehler zu finden. „Man hätte das Spiel unterbrechen und die Torfolge noch einmal durchgehen können mit beiden Mannschaften. Irgendwo musste ja der Fehler liegen“, findet der TuS-Trainer, der die Angelegenheit mit ein paar Tagen Abstand schon wieder anders einordnet und selbst keine Lust auf eine juristische Auseinandersetzung hat: „Ich möchte nur mit dieser Geschichte mal drauf aufmerksam machen, dass das doch wohl nicht richtig sein kann und dass man dann ruhiger und sachlicher kommunizieren kann. Es kam mir so von oben herab rüber.“
Was hier möglicherweise zur Wahrheit gehört: Viele Schiedsrichter müssen sich Woche für Woche in den Hallen der Republik Dinge anhören, die im besten Fall als unsachlich durchgehen. Leider sind auch Beleidigungen keine totale Ausnahme. Eine unschöne Folge hiervon könnte sein, dass sich die Unparteiischen und Kampfrichter ein dickes Fell zulegen und für eine sachliche Auseinandersetzung nicht mehr zugänglich sind. Insofern wären alle Beteiligten gut beraten, in jeder Situation auf den richtigen Ton und einen respektvollen Umgang zu achten. Das sieht Holtmann ebenfalls so: „Die meisten Schiedsrichter machen in der Regel einen guten Job. Mein Credo ist: Wenn die Mannschaft weniger Fehler macht als die Schiedsrichter, gewinnst du jedes Spiel.“ Mit dieser Einstellung werden die Westfalen auch am kommenden Samstag antreten, wenn bei HSG Krefeld Niederrhein die nächste hohe Hürde wartet. Nach drei Siegen in Folge sind die Krefelder als Dritter (6:2 Punkte) wieder in Sichtweite der beiden Plätze, die zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde berechtigen. Der TuS wird alles versuchen, um sich hier als Stolperstein zu erweisen – und im Anschluss hoffentlich nur über sportliche Dinge zu sprechen.
Die Opladener haben ebenfalls eine anspruchsvolle Aufgabe auf dem Zettel, denn die Mannschaft von Trainer Fabrice Voigt fährt zur SG Schalksmühle/Halver Dragons, die nach einem personellen Umbruch im Sommer mit 2:6 Zählern eher schwach in die Saison gestartet sind. Was den TuS 82 aber warnen sollte: Die zuvor sieglosen Dragons holten am vergangenen Wochenende mit dem 25:16 gegen LIT 1912 II ihren ersten Punkte und verbesserten sich dadurch auf den neunten Platz. Andererseits bekommt Voigts Team die Chance, seine Position im oberen Drittel (Fünfter/6:2) zu festigen und die eigene Serie fortzusetzen – denn es ist ja wie davor der Erste Emsdetten (8:0) und der Zweite Spenge (7:1) noch ungeschlagen. Um einen Platz in der oberen Hälfte kämpfen die Bergischen Panther (Achter/4:4), die zuletzt trotz personeller Probleme zwei wertvolle Siege erzielten – 33:29 gegen die Dragons, 29:21 beim ASV Hamm-Westfalen II. Die Mannschaft von Trainer Marcel Mutz, mit zwei Niederlagen gestartet, kann deshalb mit wesentlich mehr Ruhe und Selbstbewusstsein ins nicht einfache Heimspiel gegen die Ahlener SG gehen (Siebter/4:4). „Ahlen hat eine brutal hohe Qualität im Angriff“, findet Mutz, „sie spielen unfassbar schnell. Wir müssen deren Tempospiel möglichst klein halten und einen guten Rückzug haben. Wir sind sicherlich nicht favorisiert, aber wir wollen Ahlen einen großen Kampf bieten. Das wird sicher ein spektakuläres Spiel für die Zuschauer.“
Der Aufsteiger TV Aldekerk verlor zwar zuletzt am Ende klar mit 24:31 in Ahlen, verfällt deshalb aber nicht in größere Selbstzweifel und kann mit den bisher erreichten 6:2 Punkten sowie dem sechsten Platz weiter sehr gut leben. Gleichzeitig weiß der spielende Trainer Tim Gentges, dass die Aldekerker für die Aufgabe gegen den aus der Oberliga Westfalen in die 3. Liga aufgestiegenen Vorletzten TV Gladbeck wohl die nächste Leistung zumindest in der Nähe des Optimalen abrufen müssen. „Man sollte sich in keiner Weise von den 0:8 Punkten irgendwie täuschen lassen oder sich daraus ein falsches Bild machen“, sagt Gentges, „ein härteres Auftaktprogramm geht gar nicht in der Liga mit Spenge, Krefeld, Emsdetten und Longerich. Wir wissen, was da am Samstag auf uns zukommt, denn Gladbeck ist ein sehr, sehr unangenehmer Gegner, der über die mannschaftliche Geschlossenheit kommt. Das wird ein Spiel auf Augenhöhe, in dem wir sehr viel investieren müssen und uns eine zweite Halbzeit wie in Ahlen nicht erlauben dürfen. Am Ende des Tages werden wie Nuancen entscheiden. Wir hoffen natürlich, dass wir dieses Spiel so offen wie möglich gestalten können.“
Ebenfalls sehr wohl fühlt sich mit 6:2 Punkten und dem vierten Rang zurzeit der Longericher SC. „Das gefällt uns gut und ist keinesfalls selbstverständlich“, bestätigt Trainer Chris Stark, „aber unsere Gegner waren noch nicht aus dem obersten Regal, das gilt es dann schon einzuordnen. Gleichwohl wollen wir natürlich den positiven Trend fortsetzen und wir werden alles für einen Heimsieg geben.“ Nach den Aufgaben gegen die Dragons (30:25), beim ASV Hamm-Westfalen II (30:32), gegen Ahlen (39:31) und in Gladbeck (24:22) folgt nun die Partie gegen den Tabellenletzten TSV GWD Minden II (0:8), in die Longerich trotz einiger personeller Baustellen sicher nicht als krasser Außenseiter geht. Stark hat eine klare Vorstellung in Bezug auf Einsatz und Leidenschaft: „Wenn man nicht vollbesetzt ins Rennen gehen kann, muss man es umso mehr über das Kollektiv schaffen, Bestleistung abzurufen. Wir stellen uns immer der neuen Herausforderung und probieren Dinge aus – wie zuletzt mit Nico Pyszora im Rückraum.“