1. Bundesliga
BHC gibt alles – und hat doch nichts in der Hand
Mannschaft von Trainer Jamal Naji muss nach einem großen Kampf gegen den Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen drei Sekunden vor Schluss das Tor zum 26:27 hinnehmen.

Hiergeblieben! Niclas Kirkelokke (links) von den Rhein-Neckar Löwen war ein echter Spielverderber für den Bergischen HC und dessen Kreisläufer Frederik Ladefoged. Der Däne packte hinten zu – und war vorne unter anderem für den 27:26-Siegtreffer der Gäste verantwortlich. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – Rhein-Neckar Löwen 26:27 (11:13). Handball kann erbarmungslos sein. Und so fühlte sich der BHC nach einem leidenschaftlich geführten Kampf irgendwie bestraft – ungerecht behandelt auf jeden Fall, weil ein Sieg über die aktuell erfolgreichste Mannschaft der Bundesliga durchaus im Bereich des Möglichen lag. Die Mannschaft von Trainer Jamal Naji, vor genau einer Woche beim HSV Hamburg mit dem 22:32 in Einzelteile zerlegt, zeigte sich diesmal von seiner viel besseren Seite und gab selbst nach dem schwachen Start mit dem schnellen Rückstand nicht auf. Was das Ende doppelt und dreifach bitter wirken ließ: In der letzten Minute hatte der BHC erstens nach einer Zeitstrafe gegen Halil Jaganjac (Rhein-Neckar) eine Überzahl und zweitens nach dem 26:26 durch Linus Arnesson genau 19 Sekunden vor der Schluss-Sirene die realistische Chance, wenigstens den einen Punkt zu behalten. Was folgte, war ein echtes Drama – beginnend mit einer Auszeit der vom früheren BCH-Coach Sebastian Hinze trainierten Gäste, die elf Sekunden vor dem Ende noch einmal beratend die Köpfe zusammensteckten. Und sie fanden tatsächlich die aus ihrer Sicht passende Lösung: Niclas Kirkelokke war mit dem 27:26 zur Stelle, als die Uhr bei 59:57 Minuten stand. Die letzte Auszeit der verzweifelt wirkenden und bis an ihre Grenzen gehenden Hausherren hätte schon ein Wunder produzieren müssen, um erneut den Ausgleich zu erzielen. Das Wunder fand aber nicht statt und kurz darauf waren die Löwen aus Mannheim ein einziges Knäuel aus jubelnden Spielern – während die Hausherren, die sich selbst die Bergischen Löwen nennen, in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle, ihrem Quartier für diesen Abend, fassungslos dastanden. Ein Unterschied zwischen beiden Kontrahenten war schließlich auf der Zielgeraden selbst mit der Lupe kaum zu erkennen – obwohl der Tabellenführer nun bei 12:0 Punkten steht und der Bergische HC erst begreifen muss, warum sein Konto auf Rang elf bloß sehr übersichtliche 4:8 Zähler aufweist. 

Die ersten Minuten ließen Schlimmes erwarten für den BHC, der aufgrund eigener Fehler und der Konsequenz der Löwen kein Mittel fand – 0:3 (5.). Dass es nicht noch heftiger kam, war ein Verdienst des überragenden Torhüters Peter Johannesson, der seine Mannschaft nach einer Zeitstrafe gegen Tom Kare Nikolaisen (6.) durch spektakuläre Paraden gegen Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer (jeweils 7.) vor einem höheren Rückstand bewahrte. Mit dem 1:3 (9.) von Noah Beyer waren die Gastgeber ebenfalls im Spiel und diesmal schafften sie in Unterzahl (Zeitstrafe gegen Frederik Ladefoged) sogar den Ausgleich – mit dem 5:6 (13./Siebenmeter) und dem 6:6 (14.) wiederum durch Linksaußen Beyer. Weil die Rhein-Neckar Löwen den abgeklärteren Eindruck machten, schienen sie dennoch die Kontrolle zu behalten, zumal sich der BHC bis zum 10:13 (27.) eine zu hohe Fehlerquote erlaubte – und trotzdem durch Tim Nothdurft direkt vor der Pause auf 11:13 (30.) verkürzen konnte.

Der Außenseiter steigerte seinen Aufwand und wehrte sich mit einer starken Mischung aus höchstem Einsatz und taktischen Elementen (später mit dem siebten Feldspieler) gegen die übers 14:17 (36.) und 15:18 (39.) drohende Niederlage. Die Initialzündung für höchste Spannung kam – kein Wunder – zunächst von Johannesson, der nach dem 17:18 (41.) von Yannick Fraatz zweimal hintereinander (41./43.) der Retter in der Not war. Passender Spannmann dazu war der immer besser in Fahrt kommende Lukas Stutzke, dessen 18:18 (43.) die Stimmung in der Halle auf den Siedepunkt trieb. Anschließend lieferte der Rückraumspieler weitere wertvolle Beiträge – 22:22 (51.), 23:24 (56.), 25:26 (58.). Die Zeitstrafen gegen Halil Jaganjac (60./Rhein-Neckar Löwen) nach einem Foul an Nikolaisen brachte zuerst nur den Pfostentreffer von Tomas Babak (60.), ehe Arnesson fürs 26:26 sorgte – und der BHC kurz darauf doch mit leeren Händen von der Platte gehen musste. Klar wollte da erst einmal niemand darüber diskutieren, ob angesichts zweier ungenutzter Siebenmeter (8./Beyer, 48./Arnesson) und weiterer ausgelassener Chancen vielleicht doch mehr drin gewesen wäre – was wohl nicht auszuschließen und damit Teil einer anderen bitteren Wahrheit war. Ebenfalls ein Grund dafür, dass der Favorit den Kopf aus der Schlinge zu ziehen wusste: Najis gut eingestellte Mannschaft nahm den Gästen mit ihrem starken Rückraum sehr viel Wirkung – und bekam dann auf der Zielgeraden die Anspiele auf Kreisläufer Jannik Kohlbacher, der zum 23:22 (53.) und 25:23 (56.) traf, nicht mehr hundertprozentig in den Griff.  

Für Trainer Naji war die herzliche Umarmung kurz nach der Schluss-Sirene durch den ebenso konsternierten BHC-Geschäftsführers Jörg Föste erst einmal ein schwacher Trost – weil es sowieso fürs Lob von allen Seiten für einen Abend voller Hingabe nichts Zählbares gab. Aber Naji fand das Ergebnis mit ein bisschen Abstand trotzdem nicht völlig wertlos: „Ich glaube, wir hätten für den Kampf den Punkt heute sehr verdient. Das war eine ganz andere Version unserer selbst als in der vergangenen Woche gegen Hamburg. Ich erhoffe mir, dass wir viel daraus mitnehmen. Wir haben gegen die Rhein-Neckar Löwen verloren, gegen die kann man auch mal verlieren. Aber wir müssen dieses Gefühl, dieses Bewusstsein transportieren, dass wir das Spiel heute auch gewinnen hätten können.“ Besonders lange dürfen die unglücklichen Verlierer sowieso kaum beim fehlenden Happy End bleiben, denn bereits am Sonntag wartet als erstes von drei Auswärtsspielen hintereinander die sicher nicht einfache Partie beim TVB Stuttgart. Der war nach dem 24:29 kürzlich beim VfL Gummersbach 0hne Punkt (0:10), entschloss sich dann zu einem Trainerwechsel (Trennung von Roi Sanchez), gewann jetzt am Donnerstagabend unter der Regie von Interimstrainer Michael Schweikardt mit 32:28 gegen den TBV Lemgo Lippe und konnte so die Abstiegsplätze verlassen (jetzt Zwölfter/2:10 Punkte). Auf den BHC wartet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die nächste große Herausforderung. 

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (3/1), Schönningsen (2), Nothdurft (5), Weck, Gunnarsson, Ladefoged, Fraatz (1), Babak (1), Arnesson (5/1), Bergner, Nikaolaisen (1), M’Bengue,  Stutzke (8).