10. Oktober 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
VfL Gummersbach – SC DHfK Leipzig 36:36 (21:19). Am Ende wussten sie zunächst nichts – nicht, ob sie sich über den einen gewonnenen Punkt irgendwie freuen sollten, und nicht, ob sie sich eher hätten ärgern müssen angesichts einer auf irrwitzige Art verpassten Chance auf den fünften Heimsieg in dieser Saison. Vermutlich lag die Wahrheit ziemlich genau in der Mitte und das Unentschieden am Ende der später aufregenden 60 Minuten ging wahrscheinlich sowieso in Ordnung: Einen Erfolg hätte keine der beiden Mannschaften verdient gehabt. Außerdem können sich die Gummersbacher damit trösten (falls sie denn Trost brauchen), dass sie als Aufsteiger bisher unverändert eine starke Serie abliefern und als Achter fernab von der Region liegen, in der es um den reinen Klassenerhalt geht. Dort sind auf Rang 13 eher die Leipziger zu Hause (4:10), die beim Blick nach unten nicht viel Luft zum Vorletzten ASV Hamm-Westfalen haben (2:12), der den ersten der beiden Abstiegsplätze einnimmt. Gummersbach, das zum ersten Mal in dieser Saison zwei Mal hintereinander nicht gewinnen konnte (vorher 28:29 bei Frisch Auf Göppingen), hat nun zwei Wochen Zeit, um die Dinge in der Bundesliga sacken zu lassen und nach der Meisterschaftspause (Nationalmannschaft) mit neuem Schwung die nächste Aufgabe in Angriff zu nehmen – die am 23. Oktober beim Neunten HSV Hamburg (6:8 Punkte) sicher wieder nicht einfach wird. Vorher steht am 19. Oktober als Pflichtspiel die zweite Rundes des DHB-Pokals beim Zweitligisten HC Empor Rostock auf dem Programm.
Die Gastgeber starteten vor offiziell 4060 Zuschauern in der damit nahezu ausverkauften Schwalbe-Arena (Kapazität von 4132 Plätze zu 98,26 Prozent ausgenutzt) mit der einen oder anderen Fehlzündung – 1:3 (4.), 3:5 (7.). Mit dem 5:5-Ausgleich (8.) zeigte der VfL zum ersten Mal, was Trainer Gudjon Valur Sigurdsson am liebsten sieht: Ballgewinn, Tempogegenstoß – Tor. Dass anschließend Dominik Mappes mit dem 6:5 (9.) und 7:5 (9.) innerhalb von gut 20 Sekunden für eine Zwei-Tore-Führung sorgte, war auch alles andere als Zufall. Der Regisseur sorgte hier dafür, dass Gummersbach in die Spur kam – und er sorgte sehr viel später dafür, dass wenigstens ein Unentschieden im Oberbergischen blieb. In der Addition landeten so weitere zehn Treffer auf dem Konto des Rückraumspielers, der für die Gummersbacher offensichtlich eine besondere Art der sportlichen Lebensversicherung ist. Ganz nebenbei: In der Torschützenliste der 1. Bundesliga schob sich Mappes wieder vor auf den ersten Platz – wo er mit 58 Treffern aus sieben Partien vor den beiden Linksaußen Emil Jacobsen (50/SG Flensburg-Handewitt) und Marcel Schiller (49/Frisch Auf Göppingen) liegt. Dass der vom TV Hüttenberg aus der 2. Liga nach Gummersbach gekommene Spielmacher persönlich eher wenig Wert auf derartige Bereiche der Statistik legt, macht ihn für die Mannschaft nicht weniger wertvoll – im Gegenteil.
Leipzig blieb im ersten Abschnitt immer dran – 13:12 (21.), 16:15 (27.), 18:17 (29.) 20:19 (30.). Sechs Sekunden zu wenig für einen weiteren Treffer? Erstens nicht in dieser im ICE-Tempo geführten Auseinandersetzung und zweitens schon gar nicht für Finn Schroven, der erst ein paar Minuten vorher den Kollegen Tom Jansen im rechten Rückraum abgelöst hatte – und mit einem energischen Wurf zum 21:19 doch die Zwei-Tore-Führung zur Pause und den dritten persönlichen Treffer erzielte. Daraus machten Hakon Styrmisson und Stepan Zeman schnell das 22:19 (32.) und 23:19 (33.), bei dem Zeman eins nicht ahnen konnte: Sein Arbeitstag war kurz darauf bereits vorbei, weil die Unparteiischen seine Aktion gegen Leipzigs Viggo Kristjansson mit der Roten Karte (37.) ahndeten. Das wiederum brachte die Hausherren erst einmal gar nicht aus der Ruhe und in seiner konsequentesten Phase schienen sie sich auf den Weg zu einem deutlichen Erfolg zubegeben – bis zum 29:23 (40.) von Lukas Blohme, bis zum 30:24 (42.) von Mappes und bis zum 31:25 (43.) von Ole Pregler.
Zwei Faktoren trugen dazu bei, dass sich alles ganz anders entwickelte: Gummersbach steigerte seine Fehlerquote und die Gäste ihre Leidenschaft, dem Ganzen doch eine Wende zu geben. Beim 31:28 (45.) reagierte Sigurdsson mit einer Auszeit – die aber bis auf das 32:28 (45.) durch Blohme wenig Ertrag brachte. Es kam für den VfL sogar richtig bitter – weil er nun fast kein Kapital mehr aus Leipziger Schwächen schlagen konnte. Pech hatte Styrmisson bei seinem Wurf an die Latte (48.) und mitten in der wildesten Phase der Hausherren scheiterte beim Stande von 33:31 auch noch Mappes beim Siebenmeter (48.) und die folgende Überzahl (Zeitstrafe gegen den sehr starken SC-Kreisläufer Maciej Gebala) verstrich gleichfalls ungenutzt. Übers 33:33 (51.), 34:34 (54.) und 35:35 (55.) übernahm Leipzig mit dem 36:35 (58.) zum ersten Mal nach der Anfangsphase wieder die Führung – und dem VfL drohte plötzlich eine Heimniederlage, zumal folgende Angriffe komplett ins Leere gingen. Im Schluss-Akkord wurde dann in der letzten Minute die Parade von Keeper Ivanisevic zu Teil eins der Gummersbacher Rettung, die acht Sekunden vor dem Ende wer abschloss? Dominik Mappes. Natürlich.
VfL-Trainer Sigurdsson schwankte hinterher selbst: „Ich habe gemischte Gefühle. Ich habe meinen Jungs nach dem Spiel gesagt, dass wir dankbar für diesen Punkt sein müssen. In den ersten 40 Minuten haben wir es vom Tempo her überragend gemacht. Da haben wir zwar ein, zwei Bälle zu viel verloren, aber insgesamt war es auch von der Halle her ein toller Handballtag. Was wir uns vorwerfen lassen müssen, ist natürlich, dass wir in den letzten 20 Minuten vier Mal frei verwerfen und Leipzig Stück für Stück wieder haben rankommen lassen. Am Ende führt auf einmal Leipzig und deswegen bin ich glücklich über den Punkt.“ SC-Kollege André Haber nahm ebenfalls viel Gutes mit auf die Heimfahrt nach Sachsen: „Es war ein megaintensives Spiel. Es war das brutalste Tempospiel, mit dem wir in der letzten Zeit konfrontiert worden sind. Gummersbach hat eine tolle Qualität und eine tolle Handballhalle. Ich möchte meiner Mannschaft ein Kompliment machen, dass sie nach 40 Minuten heute nicht aufgehört hat und wir mit viel Herz gekämpft haben.“
VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (2), Kodrin (3), Köster (2), Blohme (6), Schroven (3), Häseler, Schluroff, Mappes (10/1), Pregler (3), Styrmisson (3), Kiesler, Stüber, Jansen (2), Zeman (2).