Regionalliga Nordrhein
Zwei Fragen: Wer kann Ratingen folgen? Was macht Schlusslicht Bonn?
Gewinnt Interaktiv auch gegen Langenfeld, bekommt es bald wieder ein echtes Spitzenspiel. Unten hofft die TSV auf den ersten Saisonsieg.

Kommt ein Biskamp geflogen: Aktuell können David Biskamp (beim Wurf) und die Korschenbroicher aber nur untätig beobachten, was der Tabellenführer Interaktiv.Handall mit Robert Markotic (links) und Torhüter Denis Karic anstellt. (Foto: Sven Frank)

Es sieht ein bisschen nach Vorprogramm aus. Und gar so viele Aufgaben, die unter die Kategorie Spitzenspiel fallen, warten womöglich zumindest in der Hinrunde nicht mehr auf den Tabellenführer Interaktiv.Handball, der angesichts des zur Verfügung stehenden Personals um den Aufstieg diesmal im nächsten Anlauf nicht herumkommt. Nun steht zwar Alexander Oelze, mit 151 Treffern in 24 Spielen der Top-Angreifer der gesamten Klasse in der Saison 2021/2022, in der aktuellen Torschützen-Statistik nur auf Platz 70 – weil er verletzungsbedingt nicht alle Partien mitmachen konnte, sondern lediglich zwei. Acht Treffer insgesamt ergeben zudem eine aus seiner und aus Ratinger Sicht überschaubare Ausbeute, die ohne die beiden verwandelten Siebenmeter bei einem Schnitt von drei Feldtoren pro Auftritt liegt. Und in der Gesamtwertung 2022/2023 führt gerade Linkshänder Patrik Ranftler (OSC Rheinhausen), der mit 39 Treffern aus fünf Spielen und einem Durchschnitt von 7,80 pro Spiel vor Nils Artmann (33/Bergischer HC II) geführt wird, wobei Artmanns Schnitt nach vier Einsätzen bei 8,25 sogar höher liegt. Der bisher erfolgreichste Ratinger folgt erst auf Platz fünf: Neuzugang Ante Grbavac (29/vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen gekommen) scheint mit einem Wert von 7,25 im linken Rückraum allmählich den Erwartungen gerecht zu werden. Aktueller „Vizemeister“ unter den Torjägern ist Spielmacher Aaron Winter (33/6,60), der fast die Hälfte seiner Tore für die SG Langenfeld per Siebenmeter erzielt hat. Nun laufen sich die Ratinger (Erster/8:0 Punkte) von Grbavac und die Langenfelder (Dritter/7:3) von Winter am Samstag im direkten Duell über den Weg. Und klar ist, dass Interaktiv gemessen an den Ansprüchen beider Teams als Favorit gelten muss.

Neben dem Spitzenreiter hat bloß der TV Korschenbroich (Vierter/6:2 Punkte) das klare Ziel ausgegeben, den Aufstieg in die 3. Liga schaffen zu wollen. Tun kann die Mannschaft von Trainer Gilbert Lansen diesmal nichts dafür, weil für sie die Meisterschaft erst am 23. Oktober beim OSC Rheinhausen weitergeht – womit fast so etwas wie die Wochen der Wahrheit für den TVK beginnen, der bisher nur am ersten Spieltag gegen Interaktiv eine Niederlage hinnehmen musste (24:25). Der Monat Oktober hält außer Rheinhausen noch das Heimspiel am 29. Oktober gegen Langenfeld bereit, ehe der November am 6. mit der durchaus nicht kleinen Hürde bei TuSEM Essen II beginnt. Die Essener, deren Trainer Lukas Ellwanger eher einen mit vielen jungen Leuten besetzten „Ausbildungsbetrieb“ fürs Zweitliga-Team als einen Aufstiegs-Kandidaten leitet, konnten die schmerzhafte Auftakt-Niederlage gegen den Bergischen HC II (29:33) durch vier klare Erfolg beantworten und sie sind momentan als Zweiter (8:2 Punkte) der erste Verfolger des Gruppenfavoriten. Dass der Absteiger aus der 3. Liga keineswegs die direkte Rückkehr nach oben schaffen muss, sondern vor allem sicher die Regionalliga halten soll, macht ihn vielleicht für die anderen noch gefährlicher. Beim den Klassenerhalt anstrebenden Liga-Neuling HSG Refrath/Hand (Siebter/4:4) wartet auf TuSEM in diesem Zusammenhang die nächste Herausforderung – weil die Refrather mit Trainer Christopher Braun natürlich ihre eigene Idee haben und am liebsten auch ihr drittes Heimspiel in der höheren Klasse gewinnen wollen (vorher 29:28 gegen TSV Bonn rrh. und 25:23 gegen OSC Rheinhausen).

„Uns ist natürlich bewusst, dass jetzt eine Phase kommt gegen Gegner, wo die Trauben sehr, sehr hoch hängen werden“, sagt Braun, „wir haben jetzt Essen, dann BHC in Solingen und zu Hause Neuss. Das sind alles Spiele, wo es wahrscheinlich schwer wird, was zu holen. Natürlich werden wir aber alles reinwerfen und wir sind auch personell wieder deutlich besser besetzt als in den vorherigen Wochen. Wir versuchen mit aller Macht, dem Essener Tempospiel und auch der sehr guten technischen Ausbildung Einhalt zu gebieten. Das wird hoffentlich ein spannendes Spiel am Sonntag in der Steinbreche – mit der Hoffnung, dass wir eine Chance haben, das Spiel lange offenzuhalten.“ Setzt sich Essen trotzdem durch, bleibt es ganz vorne dran und erwartet Interaktiv am 23. Oktober zu einem klassischen Gipfeltreffen. Im anderen Fall freuen sich sowieso die Ratinger – jedenfalls dann, wenn ihnen ein eigener Sieg über Langenfeld gelingt.

Spätestens auf Rang fünf beginnt beim HC Gelpe/Strombach (6:4 Punkte) die Gruppe jener Klubs, in der sich viele noch für eine Richtung entscheiden müssen. Ob Gelpe nach bislang wechselhaften Auftritten (zwei Siege, zwei Niederlagen, ein Sieg) wirklich ein Dauer-Kandidat fürs obere Drittel ist, kann es allerdings erst am 22. Oktober gegen den BTB Aachen überprüfen (Zehnter/3:5 Punkte), der zuletzt mit dem so nicht zu erwartenden 29:25 beim Bergischen HC II (Achter/4:4) den ersten Saisonsieg holte. Vorbei ist die Herbstpause (wie für die meisten anderen) aber für den Vierten HG Remscheid (4:2), der die Auftakt-Niederlage gegen Korschenbroich (28:31) mit zwei Erfolgen bearbeitete – 28:22 beim HC Weiden, 32:27 gegen die TSV Bonn rrh. (Rang 14/0:8). Fürs Festsetzen in der oberen Hälfte braucht das Team von HGR-Trainer Alexander Zapf, in dessen Gedanken der Aufstieg nicht annähernd vorkommt, einen Erfolg über den OSC Rheinhausen (Neunter/4:6). Der mit 4:2 Zählern gestartete und anschließend zweimal in Folge punktlose OSC dürfte allerdings aus eigenem Interesse viel Widerstand leisten.

Vier Spiele, vier Niederlagen, 0:8 Punkte, letzter Platz – und trotzdem null Panik. So sieht die Lage bei der TSV Bonn rrh. aus, die bei der HSG Refrath/Hand (28:29), gegen Interaktiv.Handball (32:33), bei der HG Remscheid (27:32) und gegen den TV Korschenbroich (33:36) trotz teilweise überzeugender Leistungen jeweils den Kürzeren zog – was angesichts einer sehr komplizierten Vorbereitung mit vielen personellen Problemen für Trainer Frank Berblinger kein großes Wunder ist. „Wir waren uns bewusst, dass wir bei diesem Auftaktprogramm und dieser Vorbereitung vielleicht mit 0:8 Punkten in die Herbstpause gehen“, sagte der TSV-Coach bereits nach der Niederlage in Korschenbroich, „das ist aber kein Grund, verrückt zu werden oder durchzudrehen. Wir nehmen diese ersten vier Spiele jetzt als Vorbereitung und sagen uns, dass für uns die Saison losgeht, wenn die Herbstpause zu Ende ist. Dann werden wir, da bin ich sehr sicher, in Weiden mit der gleichen Bereitschaft, dem gleichen Willen und dem gleichen Engagement ins Spiel gehen. Wir werden aus unseren kleinen Fehlern, die wir immer wieder gemacht haben, hoffentlich gelernt haben. Dann werden wir das Feld von hinten aufrollen. Bis jetzt haben nur die Ergebnisse nicht gepasst und den Rest kriegen wir in den Griff.“

Dabei dürften die Bonner allerdings kaum überrascht sein, dass die Weidener mit Trainer Marc Schlingensief ebenfalls alles für einen Erfolg geben wollen – weil sie nach dem 25:24 vom Auftakt gegen Refrath/Hand dreimal hintereinander leer ausgingen und als Zwölfter mit 2:6 Punkten auch nicht gerade üppig ausgestattet sind. Am Ende geht es bei vielen ohnehin längst darum, immer wieder einen Blick auf die Abstiegsregelung zu werfen. Die verlangt selbst dann einen sportlichen Absteiger, wenn aus der 3. Liga kein Verein aus dem Gebiet Nordrhein in die Regionalliga absteigt. Also hat der Kampf um den Klassenerhalt längst begonnen. Und er könnte vielleicht sogar spannender werden als der Kampf um die Meisterschaft.