Harz beiseite
Das Projekt Zaporizhzhia: Motor freut sich auf Füchse
Gäste aus der Ukraine spielen in der 2. Bundesliga außer Konkurrenz - anders als in der European League. Dort geht es am Dienstag in Düsseldorf gegen den Bundesliga-Spitzenreiter Berlin los.

Wir sind bereit: Motor-Trainer Gintaras Savukynas aus Litauen weiß, dass seine Mannschaft kämpferisch alles geben wird – auch gegen die klar favorisierten Füchse Berlin. (Foto: Thomas Ellmann)

Es ist ein besonderes Projekt unter besonderen Umständen: Im HC Motor Zaporizhzhia geht in dieser Saison zum ersten Mal eine nicht aus Deutschland stammende Mannschaft in der 2. Bundesliga an den Start. Eigentlich ist der Handball-Klub im südlichen Teil der Ukraine beheimatet, doch aufgrund des Krieges ist dort kein normales Leben mehr möglich. Der Serienmeister der ukrainischen Superleague, der seit 2013 in jedem Jahr die Meisterschaft gewonnen hat, trat an den DHB und die HBL heran – und es bildete sich die Idee heraus, nach Deutschland zu kommen und in der 2. Handball Bundesliga an den Start zu gehen. Das Sonderrecht, über den Nationalkader-Status auszureisen, hat allerdings nicht die gesamte Mannschaft in Anspruch genommen, denn einige Spieler sind in ihrer Heimat geblieben. Ebenfalls nicht dabei sind einige der Topspieler, denen in anderen Vereinen eine neue Perspektive geboten wurde und die sich deshalb für einen Wechsel entschieden haben. Viele junge Handballer haben aber die Möglichkeit erhalten, mit ihren Familien in Düsseldorf vorerst eine vorerst neue sportliche Heimat zu finden. Dort wohnen, trainieren und leben die Spieler und Familien.

Da die Stadt Düsseldorf keine professionelle Handball-Mannschaft beherbergt und handballerisch ein neutrales Pflaster bietet, war durch die guten Beziehungen der HBL zur Stadt und aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit in der Vergangenheit schnell klar, dass die NRW-Landeshauptstadt die besten Voraussetzungen für Zweitliga-Handball mit ukrainischer Beteiligung bietet. Außerdem gab es bereits vor dem Kriegsbeginn eine große ukrainische Gemeinschaft in Düsseldorf, sodass sich die Spieler und Familien vermutlich etwas schneller einleben können. Und hierfür geben sich die Beteiligten größte Mühe: So war die Mannschaft bei einem Konzert der Toten Hosen und bei einem Spiel des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf und sie besichtigte die Düsseldorfer Altstadt. Trotz aller Besonderheiten werden die Spieler alle als Flüchtlinge behandelt – und sie sind entsprechend in Flüchtlingsunterkünften untergebracht. In den zur Verfügung gestellten Wohnungen leben die Spieler und die Verantwortlichen mit ihren Familien oder Lebensgefährten/Lebensgefährtinnen.

Da der Hauptsponsor und Namensgeber „Motor“ in der Ukraine gute politische und geschäftliche Beziehungen pflegt, kann er das Sponsoring der Mannschaft aufrechterhalten – und die Spieler verzichten deshalb aus Solidarität auf jegliche Zahlung von Flüchtlingsunterstützung. Während die Sportler ihrem Beruf nachgehen können, bekommen die Kinder Unterstützung (im „Homeschooling“) mit ukrainischem Unterricht. Sportlich gesehen kommt der ukrainische Meister nach einem verhaltenem Start inzwischen immer besser zurecht, obwohl es bislang in der 2. Bundesliga bei sechs Niederlagen erst zu zwei Siegen reichte – 27:24 am 5. September gegen den HC Empor Rostock und 32:28 erst am vergangenen Sonntag gegen die Wölfe Würzburg, die insgesamt 4:12 Punkte bedeuten und in einer „amtlichen“ Tabelle für Rang 16 reichen würden. Sicherlich waren die internen Erwartungen an den Liga-Gast andere, doch angesichts der vielen Abgänge, der fehlenden Erfahrung in der jungen Mannschaft und der bekannten Umständen zeigen die Ukrainer ansprechende Leistungen. Zwei Partien verlor Zaporizhzhia nur knapp mit einem Tor Differenz – 32:33 beim Tabellenführer HBW Balingen-Weilstetten, 29:30 bei der HSG Nordhorn-Lingen. Der HC nimmt zwar außer Konkurrenz an der Liga teil und die Ergebnisse beeinflussen für die anderen weder Aufstiegs- noch Abstiegskampf, doch die Mannschaft will alles geben – und die Spieler sind dankbar für die Möglichkeit, in einem einigermaßen normalen Alltag zu leben und ihrem Beruf nachgehen zu dürfen.

Während Motor in der 2. Bundesliga offiziell keine Punkte sammeln kann, sieht das in der European League anders aus. Hier treten die Ukrainer ganz regulär an – und sie machen sich hier durchaus Hoffnungen auf ein Weiterkommen. Einfach wird die Gruppenphase in der Gruppe D jedoch nicht: Das Team von Gintaras Obsavukynas trifft beispielsweise auf die aktuell als Tabellenführer in der Bundesliga noch ungeschlagenen Füchse Berlin – und Zaporizhia freut sich sehr aufs Auftakt-Duell am Dienstagabend um 18.45 Uhr im Castello in Düsseldorf. Während der Eintritt bei Spielen in der 2. Handball Bundesliga frei ist, sind Tickets für die European League für 13 Euro (Normalpreis) und sieben Euro (ermäßigt) zu haben. Alle Beteiligten hoffen auf eine möglichst große Resonanz – und die Mannschaft will ihren Teil dazu beitragen, dass für den HC Motor ohnehin besondere Saison unvergesslich wird.