26. Oktober 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Der 31. August scheint schon Jahre in der Vergangenheit zu liegen. Damals war der TSV Bayer Dormagen im Rahmenprogramm in Düsseldorf im großen PSD Bank Dome gemeinsam mit dem ukrainischen Meister Motor Zaporizhzhia dafür zuständig, die Saison in der 2. Bundesliga zu eröffnen. Einziger Haken vor knapp zwei Monaten: Der 33:28-Erfolg brachte nichts Zählbares aufs Konto, weil Motor außer Konkurrenz dabei ist. Als ziemlich ernüchternde Tatsache bleibt inzwischen, rund zwei Monate später, dass die Dormagener nach dem 24:27 gegen den ThSV Eisenach und der dritten Niederlage in Folge mit 4:8 Punkten und Rang 13 keine wirklich beruhigende Position bekleiden. Und die Aufgabe am kommenden Freitagabend bei der von Spaniens Handball-Legende Iker Romero trainierten SG BBM Bietigheim (Siebter/10:4 Punkte) gehört auch nicht gerade in die Kategorie einfach – was bei Trainer Matthias Flohr allerdings keine Panik oder größere Besorgnis auslöst. „Ich bleibe unbeirrbar dabei, dass es nicht zuerst auf das reine Ergebnis ankommt, sondern auf die Art und Weise, wie wir spielen“, sagt Flohr, „und die war gut. Es gab noch keine Mannschaft, gegen die wir richtig unterlegen waren.“ Seiner (zutreffenden) Ansicht nach waren die Dormagener fast immer auf Augenhöhe unterwegs – und gingen trotzdem leer aus, weil sie sich selbst durch eine phasenweise zu schwache Ausbeute innerhalb weniger Minuten um den möglichen Erfolg brachten.
Dormagen hatte es bisher vier Mal mit Konkurrenz aus der oberen Hälfte zu tun und verlor jeweils – 25:28 gegen den Dessau-Roßlauer HV (Vierter), 23:24 gegen den VfL Potsdam (Dritter), 24:27 bei HBW Balingen-Weilstetten (Erster), 24:27 gegen Eisenach (Zweiter). Die beiden bisher erzielten Siege stammen aus Duellen mit Teams, die ebenfalls in der unteren Hälfte zu Hause sind – 25:22 gegen die HSG Konstanz (Platz 19/Letzter), 30:28 bei den Wölfen Würzburg (Platz 16). Die Reihe mit 25, 23, 24, 24 zeigt vor allem und sehr deutlich, warum Flohrs Team gegen die Klubs von oben bisher immer den Kürzeren gezogen hat, denn ein Schnitt von 24 eigenen Treffern pro Partie ist zu wenig in der 2. Bundesliga. Über alle sechs Spiele ergibt sich bei 151 Toren ein Durchschnitt von 25,16 – ein Wert, der lediglich von den in diesem Bereich noch schwächeren Rostockern (insgesamt 146/Schnitt 24,33) und Konstanzern (137/22,83) unterboten wird, die ja genau deshalb nicht zufällig auf Abstiegsplätzen stehen. Nach Spielen inhaltlich oft identische Analysen abgegeben zu müssen, findet Flohr im Übrigen nicht nur persönlich nervend: „Es tut mir vor allem für die Jungs leid.“ Seine Hoffnung: Irgendwann möge sich unter anderem das Spielglück in wichtigen Phasen dem TSV Bayer zuwenden, dessen Defensive im Übrigen zu den besseren in der Klasse gehört (156 Gegentreffer/Durchschnitt 26). „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns irgendwann belohnen werden“, betont Flohr. Und natürlich hätte er nichts dagegen, wenn das bereits am Freitag in Bietigheim passiert – bei einem Kontrahenten, dem er seine sehr hohe Qualität bescheinigt.
In Bezug auf aktuelle Lage und kommenden Gegner bildet der Dormagener Coach zurzeit so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft mit seinem Kollegen Michael Hegemann, dem es zurzeit bei TuSEM Essen sogar noch etwas schlechter geht. Einfacher Grund: Inzwischen hängen fünf Niederlagen hintereinander wie ein Mühlstein an den Bemühungen der Essener, die umgebaute und junge Mannschaft reif für die 2. Bundesliga zu machen. Beständig wiederkehrendes Problem: TuSEM, auf Rang 15 mitten in der ganz gefährlichen Zone angekommen, scheitert oft nicht an fehlenden spielerischen Möglichkeiten und schon gar nicht an einem mangelhaften Einsatz – sondern an einer ebenfalls ungenügenden Chancenverwertung. Die nur 157 erzielten Tore (Durchschnitt 26,16) reichen nicht aus, um die oft gute Arbeit der Abwehr (165 Gegentreffer/27,50) zu vergolden. Dass die Essener nun am Freitagabend nicht mit einem Berg an Selbstbewusstsein beim Spitzenreiter HBW Balingen-Weilstetten antreten (14:0 Punkte), lässt sich nachvollziehen. Hegemann versucht, den Druck vom Team zu nehmen: „Wir haben nichts zu verlieren.“
Dass TuSEM vor einer schwierigen Saison stehen würde, musste vorher klar sein. Wichtigster Punkt: In Noah Beyer (zum Bergischen HC), Lucas Firnhaber (HSG Nordhorn-Lingen), Dimitri Ignatow (MT Melsungen) und Lukas Becher (HSG Wetzlar) gingen gleich vier Stammkräfte, die es zusammen auf 450 Treffer brachten – und nicht auf die Schnelle zu ersetzen sind. Auf den Faktor Zeit, den die Essener zur Entwicklung der vielen jungen Leute im nicht besonders breit ausgestatteten Kader brauchen, nehmen die anderen in der Liga naturgemäß wenig bis gar keine Rücksicht. Und die mittlerweile andauernde Serie an Miss-Erfolgen hat zudem Spuren im Team hinterlassen. „Es geht gerade alles nicht mehr so leicht von der Hand“, erklärt Hegemann, „und natürlich hatten wir uns alle mehr erhofft. Aber wir müssen die Ruhe bewahren. Alle sind gewillt, den Bock umzustoßen.“ Dazu bieten sich nach der Aufgabe in Balingen im kommenden Monat gleich fünf weitere Gelegenheiten – gegen den TuS N-Lübbecke (2. November/Fünfter), bei der HSG Konstanz (5. November/Letzter), gegen den VfL Potsdam (11. November/Dritter), beim TV Großwallstadt (20. November/Siebter) und gegen den HSC Coburg (25. November/Neunter). Logisch: Jede dieser Aufgaben ist auf ihre eigene Art kompliziert – ohne dass Hegemann davor zurückschreckt: „Wir sind doch in der tollen Lage, das tun zu dürfen, was unsere Leidenschaft ist.“