2. Bundesliga
Essener Chancen und Dormagener Baustellen
TuSEM erwartet Hagen und strebt ein ausgeglichenes Jahres-Konto an. TSV Bayer muss sich nach der Absage vom vergangenen Wochenende für Hüttenberg neu sortieren.

Bereit zum Dreher: Linksaußen Joshua Reuland (Nummer 3) ist mit 43 Toren (19 per Siebenmeter) tatsächlich der erfolgreichste Dormagener Werfer in dieser Saison. Knapp dahinter folgt Rückraumspieler Mislav Grgic (42) und Jan Reimer (38). Anders ausgedrückt: Der TSV Bayer kommt eher übers Kollektiv. (Foto: Thomas Ellmann)

Wenn alleine dieser Bereich was aussagt, dann geht der TSV Bayer Dormagen am Samstag durchaus als eine Art Favorit in die Partie beim TV Hüttenberg – der mit 4:12 Punkten aus bisher acht Heimspielen über eine schwache Bilanz in eigener Halle verfügt und in einer gesonderten Auswärts-Tabelle sogar auf einem Abstiegsplatz läge. Parallele zu den Dormagenern: Die Mannschaft von Trainer Matthias Flohr sieht zu Hause nach sieben Spielen bei 4:10 nicht wesentlich besser aus. Beide beziehen den überwiegenden Teil ihrer Pluspunkte auswärts: Hüttenberg 9:3, Dormagen 6:4. In der Addition ergeben sich daraus für den TVH der zehnte Platz und 13:15 Zähler, während Dormagen bei 10:14 Punkten auf Rang 13 folgt – womit es grundsätzlich wohl halbwegs leben könnte und was die Aufgabe in Hüttenberg auch nicht als völlig unlösbar darstellen würde. Der größte mögliche Stör-Unfall passierte nun allerdings am vergangenen Wochenende, weil die Partie gegen den TV Großwallstadt abgesagt werden musste (Nachholtermin offen). Flohr hätte aufgrund zu vieler erkrankter/verletzter Spieler keine Mannschaft mehr zusammenbekommen – und er musste ab da wieder mal seine Fähigkeiten im Bereich des personellen Baustellen-Managements in den Vordergrund stellen.

Sein Thema, das derzeit nicht nur beim TSV Bayer viel Raum einnimmt: Belastungssteuerung. Diejenigen, die wieder da sein können, werden vermutlich zu einem Teil nicht bei hundert Prozent Leistung sein – obwohl es an Engagement und Leidenschaft bei keinem fehlen wird. Wichtig zunächst: Dormagen wird in Hüttenberg mit einer zahlenmäßig ausreichend besetzten Mannschaft antreten können. „Es sieht ganz gut aus“, berichtet Flohr, „alle sind gut rausgekommen, alle Kranken sind wieder da.“ Inwieweit dabei von halbwegs fit die Rede sein kann, werden erst die noch zur Verfügung stehenden Trainings-Einheiten zeigen (beginnend am Donnerstagabend). „Wir müssen abwarten“, sagt der TSV-Coach, der höchstwahrscheinlich viele Wechsel einzuplanen hat. Dass die drei Rückraum-Linkshänder Artur Karvatski, André Meuser und Florian Träger weiter fehlen, macht die Aufgabe auch nicht einfacher gegen eine Hüttenberger Mannschaft, die nicht zuletzt durch ihre besonders Art der offensiven 3-2-1-Deckung vielen Gegnern Rätsel aufgibt. „Das spielt sonst keiner so, das ist sehr gut aufeinander abgestimmt und sehr unangenehm“, findet Flohr, der den Dormagenern natürlich trotz aller Schwierigkeiten ein erfolgreiches Abschneiden zutraut und auf jeden Fall erwartet, dass sich die Mannschaft ordentlich darstellt. Grund-Forderung: „Es kommt immer auf die Art und Weise an.“ 

Ganz klar auf der anderen Seite: Hüttenberg hat am Samstag eher vor, einen dritten Heimsieg auf das eigene Konto zu überweisen. „Es wird entscheidend sein, dass wir den Fokus mehr auf uns legen“, sagt TVH-Trainer Johannes Wohlrab, den durchaus ebenfalls das eine oder andere personelle Problem plagt, „wir sollten nicht gucken, wer mitspielt und wer nicht.“ Zuletzt beim 34:32 über den VfL Eintracht Hagen fehlte ihm etwa sein vom VfL Gummersbach gekommener Kapitän Timm Schneider. Vor Dormagen hat Wohlrab zugleich Respekt: „Das ist eine richtig gute Mannschaft, die ich auf Augenhöhe mit uns einordne, weshalb ich von einem engen Spiel ausgehe. Wir haben einen klaren Matchplan für Samstag, wo wir besonders unser Tempospiel forcieren möchten.“ 

TuSEM Essen war bis zum vergangenen Wochenende fünf Mal hintereinander erfolgreich – und hätte es bei den Eulen Ludwigshafen wohl zum sechsten Mal sein können. Kämpferisch hatte sich die Mannschaft von Trainer Michael Hegemann, die am Freitagabend den VfL Eintracht Hagen erwartet, wenig vorzuwerfen, weil sie selbst nach klaren Rückständen nicht aufgab. Am Ende passierten allerdings ein paar schmerzhafte Fehler zu viel, die den Eulen auf dem Weg zum 27:26 und dem Sprung auf den zweiten Tabellenplatz halfen. Essen steht als Elfter bei 12:14 Punkten, die ihnen trotz der vorherigen Serie kein Gefühl völliger Sicherheit verleihen können. Der Blick in den Rückspiegel zeigt zum Beispiel, dass Hagen mit Rang 17 (8:18) und dem ersten der drei Abstiegsränge nicht endlos weit zurückliegt. In den vergangenen fünf Partien erreichte das Team von Stefan Neff sogar positive 6:4 Zähler und der VfL bringt einiges an Torgefahr aus dem Rückraum mit: Pouya Norouzinezhad (56), Philipp Vorlicek (50 Treffer) und Valentin Spohn (48) dürften die Essener Abwehr, eine der besten Defensivreihen der 2. Bundesliga, ausreichend beschäftigen. Dass die Eintracht jüngst in Hüttenberg mit 32:34 den Kürzeren zog, war im Übrigen kein Resultat einer schlechten Leistung, sondern nicht zuletzt auf ein paar personelle Ausfälle zurückzuführen.

Essen hat im Jahres-Endspurt sowohl das Ziel als auch die Chance, sein Konto auszugleichen und dann nach dem 26. Dezember bis zum Wiederbeginn des Trainings genau zwei Wochen eine komplette Handball-Pause. Nach Hagen geht es am 14. Dezember zum HC Elbflorenz Dresden (Platz 14/10:18 Punkte), am 17. Dezember gegen den TSV Bayer Dormagen (Platz 13/10:14) und am 26. Dezember zum TV Hüttenberg (Zehnter/13:15). Alle vier stammen aus dem tabellarischen Umfeld des TuSEM, dessen schwieriger Saison-Auftakt mit 2:12 Zählern irgendwie Schnee von gestern zu sein scheint. Die Niederlage bei den Eulen hat daran wenig geändert und natürlich will Hegemann mit seinem Team noch einmal alles für einen guten Jahres-Abschluss tun. Dabei sind ja Gefühle im Handball nicht immer hilfreich, doch könnte ein gutes Gefühl für die Januar-Vorbereitung auf die Fortsetzung der Meisterschaft nicht verkehrt sein. Weiter geht es nach der Zweitliga-Pause (WM in Schweden und Polen) im neuen Jahr am 3. Februar 2023 gegen den VfL Lübeck-Schwartau.