1. Bundesliga
Ohnmächtig: BHC geht gegen Flensburg unter
Beim 18:31 hat das Team von Trainer Jamal Naji nicht den Hauch einer Chance. Die SG und deren Regisseur Jim Gottfridsson spielen in einer anderen Welt.

Nicht zu fassen: Flensburgs Regisseur Jim Gottfridsson (mit Ball) war Dreh- und Angelpunkt seines Teams. Die Abwehr des BHC – hier mit Tom Kare Nikolaisen (links) und Djibril M’Bengue (rechts) – stand regelmäßig vor sehr anspruchsvollen Aufgaben. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – SG Flensburg-Handewitt 18:31 (5:14). Die Atmosphäre im eiskalten PSD Bank Dome war von Beginn an frostig. Und was sich unten auf der Platte vor offiziell 4358 Zuschauern zutrug, war auch nicht mal ansatzweise dazu geeignet, irgendwen zu erwärmen – außer den Fans des Top-Teams aus Schleswig-Holstein vielleicht. Da stand auf der einen Seite der BHC, der in den vergangenen Wochen immerhin fünf Spiele hintereinander ohne Niederlage bestritten hatte. Da stand auf der anderen Seite die SG, die in den vergangenen Wochen durch schwankende Auftritte und Punktverluste den Kontakt zur Spitze doch mehr als nur ein bisschen eingebüßt hatte. Die Wirklichkeit sah allerdings so aus: Die SG mit Trainer Maik Machulla spielte doch in einer eigenen Liga, denn sie machte einen Unterschied von mehr als einer Klasse deutlich – während der BHC sehr unsanft auf dem Boden der Tatsache landete. Trainer Jamal Naji war vorher klar, dass es schwierig werden würde: „Vor einer Woche hätte ich wirklich an die Chance geglaubt, dass wir Flensburg schlagen können. Wir waren voller Selbstvertrauen und haben gut trainiert. Die letzte Woche war aber wirklich kritisch und so war vielleicht schon abzusehen, dass wir heute gerade im Angriff nicht unsere beste Leistung bringen werden können.“ In der Tabelle hat der BHC als Zwölfter (12:18) trotz der herben Pleite immer noch ausreichend Puffer zum TSV GWD Minden (6:26) und dem ASV Hamm-Westfalen (3:29) auf den beiden Abstiegsplätzen. Ob die Flensburger auf Rang fünf (22:10) noch einmal als echte Titelkonkurrenz für den THW Kiel (28:4), die Füchse Berlin (27:5), die Rhein-Neckar Löwen (25:7) und den SC Magdeburg (23:5) in Frage kommen, ist ein anderes Thema, um das sich vor allem Flensburgs Trainer Maik Machulla seine Gedanken machen muss. Solche Sorgen hätten Naji und der BHC wohl auch gerne.

In den ersten zehn Minuten deutete eher wenig darauf hin, wie sehr die Gastgeber bald unter die Räder kommen sollten. Mit dem 1:0 (4.) von Tomas Babak, dem 2:1 (6./Siebenmeter) von Isac Persson und dem 3:2 (9.) von Djibril M’Bengue legte der BHC sogar jeweils vor. Was aber folgte, waren insgesamt achteinhalb Minuten offensichtlicher Chancen- und Harmlosigkeit und nach dem ersten Rückstand beim 3:4 (10.) verlor Najis Mannschaft mit dem 4:7 (18.) zum ersten Mal den Anschluss – obwohl Flensburg bis dahin eher eine gleichfalls hohe Fehlerzahl und keinesfalls Top-Niveau gezeigt hatte. Wie angespannt die personelle Lage der aus der heimischen Klingenhalle nach Düsseldorf umgezogenen Gastgeber war, zeigte nicht zuletzt der vorübergehende Einsatz von Noah Beyer im rechten Rückraum – in dem später Rechtsaußen Arnor Thor Gunnarsson ebenfalls aushalf. Alles anders und noch schlimmer für den BHC wurde es dann am Anfang der 21. Minute, als Flensburgs zunächst auf der Bank sitzender Lenker und Denker Jim Gottfridsson die Bühne betrat. Der 30 Jahre alte Schwede, zuletzt wegen Verletzung und Erkrankung ausgebremst, übernahm wie selbstverständlich die Kontrolle – über die Aktionen der eigenen Mannschaft und über die gesamte Partie. Seinem Spielwitz und seiner individuellen Klasse hatte der BHC zumindest an diesem Tag nichts entgegenzusetzen.

Während der Außenseiter in den letzten zwölf Minuten des ersten Durchgangs mit dem 5:10 (26.) von Tobias Schmitz nur einen weiteren Treffer erzielte, nutzte Flensburg die Gunst der Stunde und sicherte sich mit dem 14:5 (30.) bereits zur Pause einen sehr komfortablen Vorsprung – und allen war längst klar, dass es für den BHC fortan allenfalls darum gehen konnte, irgendwie ein völliges Debakel zu verhindern. Das Bemühen darum, wenigstens in Ansätzen das eigene Potenzial zu zeigen, war anschließend auch erkennbar, doch an den vorherigen Problemen änderte sich dadurch wenig: Die zupackende SG-Abwehr vor dem starken Torhüter Benjamin Buric (offizieller Wert gehaltener Würfe 48,57 Prozent) stellte Najis Team permanent vor größte Herausforderungen – und dasselbe galt für Flensburgs Angriff, in dem Jim Gottfridsson wiederholt zeigte, warum er aktuell einer der besten Handballer der Welt ist. Kein Wunder insgesamt: Ab dem 17:7 (36.) lag das Polster des Favoriten erstmals an der Zehn-Tore-Marke, in dem es ab dem 23:13 (49.) stets blieb. Der Rest des Spiels war aus Sicht der Gäste, die viel durchwechselten, eine ziemlich souveräne Verwaltungsarbeit. BHC-Coach Naji wirkte auf jeden Fall nachdenklich: „In der zweiten Halbzeit haben wir es ein Stück weit besser gemacht, wenngleich es dann am Ende des Tages vielleicht nur ein wenig Schadensbegrenzung war. Wobei mir das echt schwerfällt, bei minus 13 Toren und der Niederlage von Schadensbegrenzung zu sprechen.“

Reichlich Arbeit kommt nun sicher auf Naji zu: Er muss als Trainer und Psychologe zugleich tätig werden, denn der Jahres-Endspurt hält zwei weitere Aufgaben bereit, die ebenfalls zur Kategorie unangenehm gehören: Der BHC tritt am kommenden Sonntag beim SC DHfK Leipzig an (Zehnter/16:16 Punkte), ehe er das Jahr 2022 mit dem Spiel am 27. Dezember bei der TSV Hannover-Burgdorf (Sechster/17:11) beschließt. Ganz „nebenbei“ geht es am 21. Dezember im Achtelfinale des DHB-Pokals zum Deutschen Meister SC Magdeburg. Das alles lässt sich nur dann wenigstens halbwegs vernünftig bewältigen, wenn das Selbstvertrauen einigermaßen in Ordnung ist. Sonst wird es vielleicht wieder so frostig wie im eiskalten PSD Bank Dome.

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (1), Persson (3/3), Gunnarsson (2), Ladefoged (4), Babak (3), Szücs, Gutbrod, Schmitz (1), Bergner, Nikolaisen (2), M’Bengue (1), Stutzke (1).