2. Bundesliga
David Röhrig ist zurück in Dormagen
Ex-Trainer des TSV Bayer kommt mit seinem neuen Verein VfL-Lübeck Schwartau ins Rheinland - und will am liebsten zwei Punkte in den Norden entführen.

Zeichensprache: Lübecks Trainer David Röhrig ist ein kommunikativer Typ. Das wussten in der vergangenen Saison auch die Dormagener Patrick Hüter und Ian Hüter (von links) zu schätzen, auf die er am Mittwochabend als Gegner trifft – aber nur für die 60 Minuten auf der Platte. Peer Pütz, damals eher im offiziellen Sprachgebrauch im Trainer-Duo als Chefcoach des TSV tätig, arbeitet inzwischen als Co-Trainer des Bergischen HC in der 1. Bundesliga. (Foto: Thomas Schmidt)

Er ist einer, der sein Glück im Norden Deutschlands suchen wollte. Weil der Handball seine Leidenschaft ist, weil er gerne Verantwortung und anspruchsvolle Aufgaben übernimmt, weil er es als Privileg schätzt, beruflich als Trainer zu arbeiten. Im Herbst des Jahres 2021 landete bei David Röhrig ein Anruf aus Lübeck, wo Geschäftsführer Daniel Pankofer beim Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau auf der Suche nach einem neuen Trainer war. Zu Pankofer, einst Spieler in der Hansestadt und nach dem Ende der aktiven Karriere in Neuss bei den damaligen Rhein Vikings tätig, hatten sich der Name Röhrig und dessen Tätigkeitsfeld im Trainerbereich längst rumgesprochen: Bis zum Ende der Saison 2019/2020 bei seinem Heimatverein TSV Bonn rrh. als Chefcoach und Sportlicher Leiter, parallel dazu vier Jahre als Trainer bei der B-Jugend der TSV Bayer Dormagen, seit 2020 Trainer der A-Junioren und seit dem Beginn der Serie 2021/2022 zusätzlich Trainer des Dormagener Oberliga-Teams, um die Verzahnung zwischen Profi-Bereich und nachrückenden Talenten voranzutreiben. Das gefiel den Lübeckern – und exakt so jemanden suchten sie, um nach drei Jahren mit eher unbefriedigenden Ergebnissen einen Schnitt zu vollziehen und die Dinge von Grund auf neu zu denken.

David Röhrig wiederum sah – trotz vieler familiärer und privater Bindungen – am Ende keine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen und die Chance auf einen beruflichen Sprung zu ergreifen. Die Aussage damals: „Ich freue mich auf einen großen Verein in der 2. Bundesliga mit einem tollen Umfeld. Die 2. Liga ist für mich eine große Herausforderung und der VfL Lübeck-Schwartau ist für mich genau die richtige Station, um diesen nächsten Schritt in meiner Karriere zu gehen.“ Was er in der zweithöchsten deutschen Klasse zu leisten vermag, stellte Röhrig im Übrigen noch vor seinem Umzug bereits in den ersten Monaten des Jahres 2022 unter Beweis: Da übernahm er zusammen mit Peer Pütz nach der Entlassung von Dusko Bilanovic die erste Mannschaft des TSV Bayer – und führte Dormagen aus einer sehr schwierigen Situation heraus zum Klassenerhalt. Der ist im Moment wieder das große Thema: Am Mittwochabend kehrt David Röhrig ins Sportcenter zurück, in dem er immer noch jeden Quadratzentimeter kennt. Von dort will er mit den Lübeckern am liebsten beide Punkte mit auf die rund 500 Kilometer weiter Rückreise nehmen. Röhrig muss das tun und er versucht es sogar gerne, weil es sein sportlicher Ehrgeiz ohnehin verlangt und weil des den Lübeckern, ohne festes Ziel in die Saison gestartet, nach 14 von 36 Spielen mit Rang 15 und 9:19 Punkten durchaus besser gehen könnte. Weil die Dormagener zwei Plätze davor (13.) bei 10:16 Zählern auch nicht gerade im Punktereichtum schwimmen, steht zumindest schon mal eine für beide Seiten wichtige Partie auf dem Programm. Röhrig versucht es mit einer Prise Humor: „Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn wir gewinnen. Dormagen hat doch genug Punkte, auf jeden Fall mehr als wir.“ Selbstverständlich erwartet er nicht, dass der TSV und Trainerkollege Matthias Flohr das aus demselben Blickwinkel betrachten. Dass Dormagen die Klasse halten wird, steht für Röhrig sowieso fest: „Natürlich schaffen sie das.“

Der VfL, der im Juli mit einem umstrukturierten Kader und zehn Neuzugängen die Vorbereitung aufnahm, hatte einen schwierigen Saisonbeginn. Am zweiten Spieltag gelang zwar mit dem 40:29 über den aktuellen Letzten Wölfe Würzburg ein Sieg – der aber für die nächsten Wochen im September und durch den kompletten Oktober der einzige bleiben sollte. Anschließend gewann Röhrigs Team mit 29:28 gegen die SG BBM Bietigheim (Sechster), mit 35:33 beim VfL Potsdam (Achter) und mit 27:25 gegen den HSC Coburg (Zehnter), sodass das Konto nach diesen drei wertvollen Siegen hintereinander bei 9:11 Punkten wieder ganz ordentlich aussah. Was folgte, war aber eine 30:36-Niederlage beim Dritten Eulen Ludwigshafen – mit dem Lübeck irgendwie leben konnte, weil die Eulen zu den Kandidaten für den Aufstieg in die Bundesliga gehören. Viel schmerzhafter waren die drei Ergebnisse anschließend – 27:33 gegen den VfL Eintracht Hagen (Platz 17/8:20 Punkte), 20:25 beim HC Elbflorenz Dresden (Platz 14/10:18), 23:28 gegen den TV Großwallstadt (Zwölfter/14:14). Alle drei Klubs sind grundsätzlich in derselben Region wie die Lübecker zu Hause und zumindest Hagen und Dresden sehr direkte Kontrahenten im Kampf um den Klassenerhalt.

„Klar hätten wir uns alle zwei, drei, vier Punkte mehr gewünscht“, sagt Röhrig in diesen auch für ihn herausfordernden Wochen, „wir würden gerne häufiger gewinnen.“ Dass bei den Lübeckern noch nicht immer alle Räder ineinandergreifen, schreibt er zum Teil dem doch erheblichen Umbruch zu und der  damit verbundenen Notwendigkeit, dass sich die Mannschaft im Laufe der Serie erst finden/entwickeln muss. Ganz nebenbei fehlen ja in Niels Versteijnen (zum TBV Lemgo) oder Matej Klima (seit Oktober beim SC DHfK Leipzig) die beiden besten Lübecker Werfer aus 2021/2022: Versteijnens 192 Tore und Klimas 139 ergeben eben 331 Treffer, die jetzt andere erzielen müssen. Darüber hinaus macht der Ausfall von Abwehrchef Dominik Weiß (Schulter) das Ganze auch nicht einfacher. Den Willen und das notwendige Potenzial sah Röhrig im Übrigen trotz aller Probleme selbst bei den jüngsten Niederlagen: „Wir haben hochprozentige Chancen herausgearbeitet, aber zuletzt gute Chancen liegen lassen.“ Das sorgt logischerweise in Lübeck kaum für Begeisterung, mindert aber des Trainers Glauben an sein Team keineswegs: „Das sind alles supergute Jungs.“ Ebenfalls zu diesem Kreis gehört ein weiterer Ex-Dormagener: Auch der 19 Jahre alte Lennart Leitz wechselte im Sommer aus dem Rheinland nach Schleswig-Holstein – und der Rechtsaußen ist in dieser Saison der jüngste Spieler im Kader der Lübecker.

Ob die Rückkehr in die Heimat etwas Besonderes ist und das Spiel am Mittwochabend damit ebenfalls? „Ich bin selbst erstaunt“, berichtet Röhrig, „aber bis jetzt habe ich nicht das Gefühl.“ So läuft die Vorbereitung für die Lübecker im üblichen Rahmen – intensiv wie immer, konzentriert wie immer: „Und es ist ja nicht so, dass wir sonst keine Videos schauen.“ Lübecks Coach hat sich zudem schon lange über die Entwicklung bei seinem ehemaligen Klub auf dem Laufenden gehalten, bei dem er viele Spieler noch sehr gut kennt und sie sehr gut einzuschätzen weiß – ohne dass er darin einen spielentscheidenden Vorteil erkennt. „Ich sehe das als 50:50-Spiel“, meint David Röhrig, der seinen persönlichen Fanklub aus Freunden und Familie auf der Tribüne und auf seiner Seite weiß. Für mehr als ein paar gemeinsame Momente wird es hinterher aber nicht reichen, da die 2. Bundesliga gerade eine Englische Woche hat. In der geht es für den VfL bereits am Sonntag mit dem Heimspiel gegen den TV Hüttenberg weiter. „Das verhindert, dass ich bleiben kann“, weiß Röhrig. Er hatte ja vor der Unterschrift in Lübeck geahnt, dass der Handball bisweilen Verzicht fordert. Und er hat das alles bis jetzt trotzdem keine Minute bereut. Sein Glück wäre dennoch ein bisschen kompletter, wenn er zwei Punkte mit in den Norden Deutschlands nehmen könnte.