19. Dezember 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
VfL Gummersbach – Füchse Berlin 28:30 (17:14). Sie schienen am vierten Advent einem Jungbrunnen entsprungen zu sein und die Gummersbacher starteten mit jenem unverbrauchten Elan, der sie vor allen Dingen am Anfang der Saison ausgezeichnet hatte – unter anderem vor gut vier Monaten im Heimspiel gegen den Deutschen Meister SC Magdeburg. Damals hatte die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson den Favoriten am 8. September am Rande einer Niederlage, aber Magdeburg zog den Kopf noch aus der Schlinge und gewann. Mit 30:28. Die Geschichte wiederholte sich jetzt. Wieder hatte der VfL einen Favoriten am Rande einer Niederlage, aber Berlin zog den Kopf noch aus der Schlinge und gewann. Mit 30:28. Ob es am Ende tatsächlich nur Kleinigkeiten waren, die den geringen Unterschied ausmachten, ist wohl eine Frage der Sichtweise. Gummersbacher verlor aber in der erneut ausverkauften Schwalbe-Arena in erster Linie deshalb, weil es in der heißen Endphase die eine oder andere echt große Chance ausließ oder zu schnell den Ball verlor. Beides wussten die Füchse zu ihren Gunsten zu nutzen und weil wenig später die Nachricht von der 23:36-Pleite des THW Kiel bei der SG Flensburg-Handewitt eintraf, dürfte die Stimmung auf der Heimreise noch besser gewesen sein als direkt nach der Schluss-Sirene: Durch den eigenen Erfolg und die gleichzeitige Niederlage des THW zogen die Füchse (29:5 Punkte) vorbei an Kiel, das als Zweiter (28:6) der erste Verfolger ist. Das Gummersbacher Konto steht auf Rang zehn bei 16:18 Punkten zum ersten Mal in dieser Saison im negativen Bereich und nun warten im Jahres-Endspurt noch zwei Pflicht-Aufgaben: Am Mittwoch geht es im Achtelfinale des DHB-Pokals zum Bundesliga-Letzten ASV Hamm-Westfalen (3:31 Punkte), am 27. Dezember kommt der HSV Hamburg (Siebter/19:15 Punkte) ins Oberbergische.
Gummersbach begann ohne jede Form von Zurückhaltung, dafür mit einem unglaublichen Tempo und ganz viel Intensität – mit einer Kombination, die Berlin offensichtlich auf einem ganz falschen Fuß erwischte. Übers 3:0 (3.) und 7:2 (8.) stürzten die Füchse immer wieder in neue Verlegenheiten und bis zum 9:4 (10.) war der Abend überraschend einseitig, ehe Gäste-Coach Jaron Siewert beim Stande von 5:9 (15.) doch lieber eine Auszeit nahm. Berlin nahm anschließend tatsächlich ein bisschen mehr am Spiel teil, fand aber erst nach dem Gummersbacher 12:8 (19.) den Anschluss – 13:12 (24.), 15:14 (29.). Weil Julian Köster (30.) und Tom Kiesler (30./ins leere Tor) in Überzahl bis zur Pause auf 17:14 erhöhten, ging der VfL trotzdem mit guten Aussichten in den zweiten Durchgang, den er übers 18:14 (33.) und 19:15 (35.) wiederum in den Griff zu bekommen schien. Das blieb bis zum 22:18 (39.), 23:19 (41.) und 24:20 (42.) so, doch Berlin zeigte anschließend, warum es in dieser Saison zu den Titelkandidaten gehört – unter anderem durch vier Tore in Folge zum 24:24 (45.), das eine packende Schluss-Viertelstunde einläutete. Nach dem 26:26 (49.) gabs ein paar Szenen, die den Gummersbachern hinterher zum Verhängnis wurden: Dazu gehörte der ungenutzte Siebenmeter von Hakon Styrmisson (50.), dazu gehörten beim Stande von 28:29 die freien Wurfchancen für Tilen Kodrin (55.) und Ellidi Vidarsson (56.), dazu gehörte ein bitterer Ballverlust. Wie es besser geht, demonstrierte Routinier Hans Lindberg: Der 41-Jährige trat zum Siebenmeter an – und verwandelte nervenstark per Heber zum 30:28 (58.). Auch diese Situation machte den sonst gar nicht so großen Unterschied zwischen den beiden Teams deutlich.
VfL-Trainer Sigurdsson wirkte trotz der Niederlage beinahe vorweihnachtlich gelöst: „Ich könnte heute nicht stolzer auf meine Jungs sein. Wir haben heute gegen eine der zwei, drei besten Mannschaften Deutschlands eine überragende Abwehrleistung geboten. Wir haben gekämpft und alles gegeben, aber Berlin hat eine unglaubliche Qualität und spielt eine überragende Saison. Beide Halbzeiten waren gut, aber in der zweiten Hälfte verwerfen wir zu viel. Ich bin unfassbar stolz, wie weit wir gekommen sind, was die Jungs in jedem Spiel leisten und wie unbekümmert sie sind. Es ist natürlich traurig, dass wir uns am Ende nichts davon kaufen können. Aber ich habe meiner Mannschaft auch gesagt, dass es wichtig ist die Zuschauer mitzunehmen und zu begeistern.“ Auf der anderen Seite gab es dann den Berliner Trainer, der trotz des Sieges einen weite weniger zufriedenen Eindruck machte. „Unsere Leistung war alles andere als ein schöner vierter Advent“, fand Jaron Siewert, „wir kommen schlecht ins Spiel und dann fordert uns Gummersbach alles ab und zeigt uns auch unsere Grenzen auf. Es gab zwar eine Phase, in der wir aufholen, aber das Ende der ersten Halbzeit war dann wieder alles andere als gut. In der zweiten Halbzeit wurde es dann etwas zerfahren und es gab viele Diskussionen. Da hatten wir den Fokus wenig auf uns selbst. Zur Wahrheit gehört heute auch, dass Gummersbach drei Siebenmeter liegen lässt. Wenn das nicht passiert wäre, hätte es vielleicht anders ausgesehen. Insgesamt ist es sicherlich ein glücklicher Sieg und nicht das sportlich fairste Ergebnis. Ich möchte Gummersbach und Goggi als Trainer meinen Respekt zollen, denn der VfL spielt wirklich eine starke Saison.“
VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (1), Kodrin (2), Köster (3), Blohme (7), Schroven (3), Mappes (3/1), Pregler, Styrmisson (4/2), Kiesler (1), Stüber, Jansen, Zeman (4).
SC DHfK Leipzig – Bergischer HC 27:32 (17:17). Es war wohl eine Art Wiedergeburt und auf jeden Fall eine Art taktisch-psychologischer Meisterleistung, die dem BCH diesen wertvollen Sieg in Sachsen ermöglichte. Hier stand das Team von Trainer Jamal Naji, das zuletzt eine fast demütigende 18:31-Niederlage gegen die SG Flensburg-Handewitt erlitten hatte. Dort standen die Gastgeber, die unter der Federführung ihres vor ein paar Wochen verpflichteten Trainers Rúnar Sigtryggsson (Nachfolger des entlassenen André Haber) sechs Partien hintereinander gewonnen und sich dadurch aus dem Keller ins sichere Mittelfeld vorgearbeitet hatten. Auf der Platte spielte das alles aber von Anfang keine Rolle mehr: Der BHC, der vor der Pause in einem Duell mit wechselnden Führungen auf Augenhöhe unterwegs war, legte nachher weiter zu und sicherte sich erstaunlich schnell jenen Vorsprung, der eine solide Basis für den ebenfalls erstaunlichen Sieg war. Naji zeigte sich erleichtert bis begeistert: „Das war eine starke Reaktion auf das Flensburg-Spiel.“ Und weil diese Reaktion zwei Punkte einbrachte, kann der BHC den beiden finalen Aufgaben im Jahr 2022 plötzlicher wieder viel ruhiger entgegensehen. Am Mittwochabend bestreitet Najis Mannschaft das Achtelfinale des DHB-Pokals beim Deutschen Meister SC Magdeburg – und ist dort der klare Außenseiter. Am 27. Dezember steht dann direkt nach Weihnachten die Meisterschafts-Aufgabe bei der TSV Hannover-Burgdorf (Sechster/19:13) auf dem Programm – und der BHC ist dort als Zwölfter (14:18) erneut nicht der Favorit, mit einer Leistung wie in Leipzig aber vielleicht auch nicht der krasseste Außenseiter.
Gegen Leipzig legte der BHC das 2:0 (3.) und 3:1 (4.) vor, ehe er übers 5:5 (8.) das 7:5 (12.) und 8:7 (15.) schaffte. Mit dem 10:8 (18.) und 11:9 (20.) schien sich die Waage zu den Hausherren zu neigen, doch die Gäste ließen sich weder hier noch anschließend vom 13:15 (27.) oder 15:17 (29.) aus der Ruhe bringen. Noah Beyer und Lukas Stutzke glichen vielmehr in der letzten Minute der ersten Halbzeit zum 17:17 (30.) aus, sodass für den zweiten Durchgang alles offen war – was vermutlich auch Leipzig so sah. Der BHC hatte sich allerdings das Beste für die entscheidende Phase aufgehoben, die mit dem 21:20 (36.) von Tom Bergner begann. Das 24:21 (42.) brachte die erste Drei-Tore-Führung und in der letzten Viertelstunde behielt Najis Mannschaft die Kontrolle – 27:23 (49.), 29:24 (51.), 31:25 (55.). Weil die Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt längst durch war, gönnte der Coach dann dem aus der eigenen zweiten Mannschaft hochgerückten Aron Exner ein besonderes persönliches Erlebnis: Der 21-Jährige, der in der Regionalliga zu den Haupttorschützen gehört, verwandelte bei seiner Bundesliga-Premier in der 60. Minute den finalen Siebenmeter zum 32:26.
„Zur Pause war ich mir nicht ganz so sicher, wie das Spiel ausgehen würde, weil wir mit der Abwehr nicht zufrieden sein konnten“, meinte Naji, „ich dachte, das hohe Angriffsniveau können wir nicht durchhalten. Doch wir haben es durchgehalten und die Abwehr wurde immer besser. Peter Johannesson hat uns sehr geholfen, aber wir haben auch viele schlechtere Würfe der Leipziger erzwungen. Das Selbstvertrauen war enorm. Selbst wenn es im Angriff mal nicht funktioniert hat, war der Glaube an unsere Abwehrqualität immer da. Die hat in der zweiten Halbzeit den Ausschlag zum Sieg gegeben.“ Johannesson erreichte im Übrigen bei zehn Paraden und 31:02 Minuten Spielzeit einen Wert von 47,62 Prozent an gehaltenen Würfen – womit er seinen Torhüter-Kollegen Christopher Rudeck (sieben Paraden in 25:26 Minuten/31,82 Prozent) deutlich und beide Leipziger Keeper (zusammen elf Paraden mit rund 25 Prozent) um eine ganze Welt übertraf.
Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (5), Persson (2/2), Weck, Gunnarsson, Ladefoged (3), Exner (1/1), Babak (6), Gutbrod (5), Schmitz, Bergner (1), Nikolaisen (3), M’Bengue (2), Stutzke (4).