1. Bundesliga
Glückliche Gummersbacher und beeindruckender BHC
VfL dreht Rückstand zum 31:30 gegen Hamburg. Der Bergische HC nimmt aus Hannover ein 32:30 mit.

Die Hände zum Himmel: Ole Pregler, Miro Schluroff, Finn Schroven, Trainer Gudjon Valur Sigurdsson und Jonas Stüber (von links) hatten mit Gummersbach in der erneut vollen Schwalbe-Arena wieder was zu feiern. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – HSV Hamburg 31:30 (16:17). Es war der passende Abschluss eines überragenden Handballjahres 2022 für die Oberbergischen und die über 4100 Zuschauer in der Schwalbe-Arena feierten am 27. Dezember direkt noch einmal Weihnachten. In einer Begegnung auf Augenhöhe sahen die VfL-Anhänger, wie ihr Team in der zweiten Halbzeit zunächst vom richtigen Weg abkam und sich durch viele vergebene Chancen selbst das Leben schwermachte, sich dann aber zurückkämpfte und in den entscheidenden Situationen die Nerven behielt. 34 Sekunden vor dem Ende parierte Keeper Tibor Ivanisevic den Hamburger Siebenmeter von Casper Mortensen, im direkten Gegenzug markierte Tilen Kodrin das 31:29 für sein Team. Die Gäste konnten nur noch verkürzen, die letzten vier Sekunden überstanden die Hausherren unbeschadet. „Die beiden Punkte waren die Krönung für uns. Ich bin froh, dass sich die Jungs belohnt haben. Es war ein super Jahr mit dem Aufstieg und einer vernünftigen Hinrunde. Dieses Jahr war einfach etwas Besonderes für uns alle“, fand Gummersbachs Trainer Gudjon Valur Sigurdsson.

In der Anfangsphase der Partie mussten sich die Oberbergischen ohne ihren Regisseur Dominik Mappes (Bauchmuskelzerrung) vor allem auf ihre stabile Abwehr verlassen, was bis zum 6:3 (10.) gut funktionierte. Vorne war der VfL vor allem über seine linke Angriffsseite mit Julian Köster im Rückraum und über den Kreis mit Ellidi Vidarsson gefährlich. Bis zum 10:6 (15.) hatten die beiden sieben der zehn Gummersbacher Treffer erzielt. Die Hausherren ließen sich von einer kleinen Durststrecke (20./10:9) zunächst nicht verunsichern und konterten mit dem 13:9 (23.). Mehr Ärger verursachte dann die Szene in der 25. Minute beim Stande von 14:10. Nach einer gemeinsamen Abwehraktion von Vidarsson und Tom Kiesler sah Letzterer wegen eines Gesichtstreffers die Rote Karte – eine eher harte Entscheidung. In der Folge wurde die Begegnung hektischer und der VfL verlor nach dem 16:12 (27.) den Faden. Besonders ärgerlich war die Zeitstrafe gegen Vidarsson, der eine schnelle Mitte der Hamburger ins leere Tor mit dem Fuß unterband (27.). Der HSV nutzte die Gelegenheit, kam wieder heran und glich per Kempa-Trick zum 16:16 aus (30.). Sigurdsson reagierte und nahm 35 Sekunden vor der Pause noch eine Auszeit. Was er hier sicher nicht ansagte: Sein Team verspielte vorne den Ball und konnte die Gäste im Rückzug erneut nur unfair stoppen. Nach abgelaufener Uhr verwandelte Mortensen den Siebenmeter zum 16:17-Halbzeitstand.

Immerhin: Nach dem 16:18 (31.) fanden die Gummersbacher ihre Linie wieder – 19:19 (36.). Kurz darauf standen zunächst wieder die Unparteiischen im Mittelpunkt, die den Hamburger Dominik Axmann mit der Roten Karte vom Feld stellten (38.). Auch diese Strafe war zu hart, denn der Gäste-Akteur war in der Seitwärts-Bewegung gestolpert und erwischte Gummersbachs Hakon Styrmisson deswegen am Fuß. Im weiteren Verlauf liefen die Hausherren meistens einem Rückstand hinterher – wobei sie sich vor allem selbst immer wieder um eine bessere Ausgangsposition brachten. Allein Vidarsson scheiterte zwei Mal frei an HSV-Keeper Johannes Bitter (40./41.) und an der Latte (44.), Köster setzte einen Versuch aus der eigenen Hälfte über das leere Gäste-Tor (42.). So schien es beim 24:27 (51.), als würden die Hamburger die zwei Punkte mit in den Norden nehmen. Doch ans Aufgeben dachten die Hausherren nicht und sie kämpften sich über das 26:27 (54.) zum 28:28-Ausgleich durch Lukas Blohme (56.), der wie immer als unermüdlicher Kämpfer voranging. Spätestens mit dem 29:28 durch Vidarsson (58.) glich die Schwalbe-Arena dann einem Tollhaus. Weil der VfL in den letzten Sekunden nichts mehr anbrennen ließ, blieb es bei dem Happy End für die glücklichen Gummersbacher.

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (5), Kodrin (1), Köster (4), Blohme (9/5), Schroven (1), Schluroff (2), Pregler (2), Styrmisson (2/1), Kiesler, Stüber (2), Jansen (3), Zeman.

TSV Hannover-Burgdorf – Bergischer HC 30:32 (12:13). Es war der bemerkenswerte Schlusspunkt am Ende zweier bemerkenswerter Monate. Alles begann irgendwie am 29. Oktober, als der BHC beim Tabellenführer Füchse Berlin knapp mit 27:29 unterlag – was inzwischen die bisher letzte Auswärts-Niederlage des BHC in dieser Saison ist. Durch den Sieg in Hannover schraubte das Team von Trainer Jamal Naji nun seine Dezember-Bilanz nach den 7:1 Punkten aus dem November auf 5:3 Punkte und die Mannschaft nimmt nicht nur diese starke Bilanz in Zahlen mit ins Jahr 2023. Ebenfalls beeindruckend: Der BHC beweist auf seinem Weg eine ausgeprägt gute Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen. Am 11. Dezember verliert er gegen die SG Flensburg-Handewitt chancenlos und hoch mit 18:31 – und antwortet eine Woche darauf am 18. Dezember mit einem 32:27 beim SC DHfK Leipzig (Zwölfter/16:20 Punkte). Am 21. Dezember scheidet Najis Team im Achtelfinale des DHB-Pokals beim Deutschen Meister SC Magdeburg mit einem 31:43 aus – und antwortet jetzt mit dem Sieg in der Bundesliga bei der TSV (Siebter/19:15). Unter anderem diese vier jüngsten Auswärtsspiele mit drei Siegen und einem Unentschieden sorgen dafür, dass der BHC von Rang elf aus mit 16:18 Punkten ins nächste Jahr gehen wird. Das ist angesichts des schwierigen Starts und einiger personeller Probleme in den vergangenen Monaten sicher mehr, als die direkt Beteiligten erwarten durften. Weiter geht es nach einer Meisterschafts-Pause über den kompletten Januar (wegen der Weltmeisterschaft) am 12. Februar mit dem Heimspiel gegen den Sechsten MT Melsungen (20:16 Punkte), der entsprechend gewarnt sein dürfte.

Die Partie lief über weite Strecken ausgeglichen und kein Team konnte sich entscheidend absetzen – auch Hannover nicht, dass mit dem 6:4 (10.) und 8:6 (16.) jeweils eine Zwei-Tore-Führung erreichte. Der BHC antwortete mit dem 8:8 (20.) und 9:9 (24.), ehe er nach dem 10:10 (25.) durch drei Treffer in Folge die 13:10-Führung (28.) erzielte und anschließend keinen einzigen Rückstand mehr aufholen musste. Dass die TSV bis zur Pause auf 12:13 (30.) verkürzte, ließ Najis Mannschaft dann zumindest äußerlich ebenso unbeeindruckt wie der folgende Kampf um jeden Zentimeter in der Halle. Motor vieler Angriffe war dabei Tomas Babak, der ein überzeugendes Kollektiv führte – übers 16:16 (36.), 19:17 (39.), 22:19 (43.) und 24:22 (49.) zum 26:24 (50.), das eine intensive Schlussphase einleitete. Selbst die beiden Treffer von Noah Beyer zum 27:25 (53.) und 28:25 (54.) waren aber noch keine Entscheidung und das 29:27 (57.) von Linus Arnesson konterte Hannover, angetrieben von 9000 Zuschauern, mit dem 29:29 (58.), sodass plötzlich wieder alles möglich zu sein schien. Es kam allerdings die 59. Minute und mit ihr die Babak-Zeit – denn der Regisseur machte mit seinen Toren zum 30:29 und 31:29 innerhalb von 40 Sekunden den Weg frei zum Erfolg, den kurz darauf Isak Persson mit dem 32:29 (60.) festzurrte. Wenig später durfte der BHC ein verspätetes Weihnachtsgeschenk feiern, das er sich selbst gemacht hatte.

Naji war hinterher, wie alle bei den Gästen, schwer erleichtert und sehr zufrieden mit dem Jahresfinale: „Ich glaube, die Stärke war, dass wir heute mental stabil geblieben sind. Bei einem Unentschieden sind wir stabil geblieben, wir haben an unsere Idee geglaubt. Das war vor allen Dingen ein Spiel der Psyche, glaube ich, und der Stabilität. Das hat uns jetzt im November und Dezember ausgezeichnet und gerade bei den engen Spielen. Deswegen können wir sehr glücklich sein und gehen jetzt in die wohlverdiente Pause.“ Dort wird niemand auf die Idee kommen, aus den guten Resultaten der jüngeren Vergangenheit neue oder gar unrealistische Ideen abzuleiten – was zudem nicht zu Najis Grund-Einstellung passen würde. Seine Devise vielmehr: Der BHC ist (noch) keine Mannschaft, die einen natürlichen Anspruch auf Platz sechs oder sieben direkt hinter den fünf Top-Teams von Berlin bis Flensburg anmelden kann. Aber selbstredend tut die Serie auf der Zielgeraden 2022 auch dem vor der Saison vom Zweitligisten TuSEM Essen gekommenen BCH-Coach persönlich gut – ohne dass er das alles überhaupt als seinen eigenen Verdienst eingestuft wissen will. Das Gegenteil ist der Fall: Naji sieht den aktuellen Erfolg eindeutig als Lohn für eine Leistung des gesamten Teams. Dass irgendwann wieder schwierigere Situationen und schmerzhafte Niederlagen kommen werden, muss zudem als wahrscheinlich gelten. Es sieht allerdings danach aus, dass der BHC darauf ganz gut vorbereitet ist.

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (4), Persson (2), Weck, Gunnarsson (2), Ladefoged (4), Babak (6), Gutbrod, Schmitz, Arnesson (5/3), Nikolaisen (1), M’Bengue (3), Stutzke (5).