01. Februar 2023 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es steht praktisch alles auf Anfang und knapp viereinhalb Monate vor dem Ende der Saison 2022/2023 in der 2. Bundesliga liegt noch mehr als die Hälfte der Spiele vor den Beteiligten. Was sicher ist: Sicher darf sich fast niemand sein, dass er seine Ziele erreichen wird. Das gilt auch für den TSV Bayer Dormagen, der mit Trainer Matthias Flohr allerdings in den sieben Spielen auf der Zielgeraden des Kalenderjahres 2022 immerhin 8:6 Punkte erreichte und besonders durchs 29:25 am zweiten Weihnachtsfeiertag über die HSG Nordhorn-Lingen überraschte – als gäbe es gar keine großen personellen Sorgen. Dormagen setzt den Kampf um Meisterschaftspunkte nun mit einer Art englischer Woche fort – am Freitagabend beim HC Empor Rostock, am nächsten Dienstag mit dem Nachholspiel gegen den TV Großwallstadt und am 11. Februar beim Dessau-Roßlauer HV. Anschließend können Team und Trainer über die Karnevalstage erneut durchatmen, während die Konkurrenz im Einsatz ist.
Dass der TSV Bayer bald wieder eine Pause hat, verdankt er einem nicht ungeschickten Schachzug: Die für jenes Wochenende vom 17. bis 19. Februar vorgesehene Partie gegen den HC Motor Zaporizhzhia ging vorgezogen bereits am vergangenen und sonst noch freien Wochenende über die Bühne. Dass Flohrs Mannschaft mit 22:28 den Kürzeren zog, nahmen die Verantwortlichen praktisch billigend in Kauf – weil sie unter anderem alle irgendwie angeschlagenen Spieler draußen ließen und in der Regel durch Talente aus der A-Jugend ersetzten. Einen sportlichen Schaden richtete die Niederlage auch nicht an, weil Motor aus der Ukraine außer Konkurrenz am Betrieb der 2. Liga teilnimmt und deshalb keine für Aufstieg oder Abstieg zu berechnenden Punkte auf dem Spiel standen. Das wird jetzt direkt beim Vorletzten Rostock fundamental anders: Die Gastgeber stehen auf Rang 18 mit übersichtlichen 8:24 Zählern mit dem Rücken zur Wand – und Flohrs Team ist bei 14:18 Punkten auf Platz 13 seinerseits nicht so gut ausgestattet, dass es bereits als ungefährdet gelten kann.
Im Paket mit dem Nachholspiel gegen Großwallstadt (Zwölfter/16:16) geht es deshalb darum, die Weichen in die aus Bayer-Sicht richtige Richtung zu stellen. Ian Hüter und Patrick Hüter, die zuletzt mit dem Team der USA bei der Weltmeisterschaft beschäftigt waren und sich deshalb gegen Zaporizhzhia schonen durften, kehren deshalb natürlich auf die Platte zurück. Vor allem die Sorgen auf der Linkshänder-Position für den rechten Rückraum mit den verletzten André Meuser, Artur Karvatski und Florian Träger haben sich allerdings nicht in Luft aufgelöst, sodass Flohr wiederum kreative Lösungen suchen und finden muss. Was trotz aller Probleme für Dormagen spricht: Mit 421 Gegentreffern aus 16 Partien (Durchschnitt 26,13) bilden die Keeper Martin Juzbasic und Christian Ole Simonsen zusammen mit der Abwehr davor einen der besten Defensiv-Verbände in der 2. Liga. Dass der unter dem Mangel an Stammpersonal stets besonders leidende Angriff mit bisher nur 416 Toren (26,00) viel Luft nach oben hat, weiß Flohr natürlich. Dass die Rostocker in dieser Wertung mit 427 Treffern fast genauso bescheiden daherkommen, ist ihm auch bekannt. Was das alles fürs bevorstehende Duell an der Ostsee bedeutet, wird sich zeigen. Vielleicht gehört es ja zu jenen Duellen, die durch das Abwehr-Torhüter-Zusammenwirken entschieden werden.
Einen relativ entspannten Eindruck macht Michael Hegemann, der in seinem ersten Jahr als Cheftrainer bei TuSEM Essen sehr gut leben kann mit der Entwicklung – was die Mannschaft angeht und die von ihr im Laufe der vergangenen Monate erzielten Ergebnisse. Dabei war der Auftakt insgesamt alles andere als besonders verheißungsvoll, weil nach dem vielversprechenden 26:15 über den HC Empor Rostock zunächst für eine längere Zeit nur wenige Puzzlestücke an die richtige Stelle fielen: Nach sechs Niederlagen hintereinander sah es sogar mindestens leicht beunruhigend aus für die Essener. Darauf antwortete Hegemanns Team aber mit fünf Siegen in Folge und in den beiden letzten Spielen des alten Jahres rettete Essen das unter dem Strich gute Gefühl mit zwei finalen Erfolgen ins neue Jahr – 30:27 gegen Dormagen, 31:30 beim TV Hüttenberg. Der TuSEM-Coach hofft, dass die Essener nun einen guten Start für 2023 erwischen, zumal die drei ersten Aufgaben Duelle mit Gegnern aus dem unteren Drittel bringen. Los geht es am Freitagabend gegen den VfL Lübeck-Schwartau (Platz 15/14:22 Punkte), am 10. Februar in Rostock (19./8:26) und am 17. Februar gegen die Wölfe Würzburg (Letzter/4:32). Dass Lübeck und Würzburg die beiden auswärts schwächsten Mannschaften der 2. Liga sind (2:12 Punkte beziehungsweise 0:18) und Rostock in der Heimtabelle als Vorletzter geführt wird (4:12), macht die Essener nach Hegemanns Ansicht zu vielem – allerdings nicht zum eindeutigen Favoriten.
„Natürlich ist es unser Ziel, das Heimspiel zu gewinnen“, sagt der TuSEM-Coach trotzdem, „ich glaube, Schwartau hat etwas mehr Druck.“ Dass Hegemann mit seinem Team gegen die Lübecker erst die Hinrunde beschließt und anschließend die komplette Rückrunde mit weiteren 18 Aufgaben vor sich hat, deutet vor allen Dingen an, dass sich vorerst keiner seine Sache zu sicher sein kann. Außerdem ist die 2. Liga aktuell viel zu ausgeglichen, als dass sich jemand das Auslassen von Chancen erlauben könnte. Demnach formuliert Hegemann ein allgemeines Ziel für die nächsten Wochen: „Wir wollen unsere gute Position festigen. Es wird auch darum gehen, wer am schnellsten in seinen Rhythmus findet.“ Gegen Lübeck könnten die Essener Bonus-Punkte sammeln, weil sie gegen den VfL bisher nicht gespielt haben, ehe sie anschließend in Rostock jene vom Saisonbeginn zu verteidigen haben. Alles, was sie in den sechs Partien danach an Zählbarem einfahren, wäre ein Plus gegenüber der Hinrunde. Eine echte Wiedergutmachung wollen die Essener dabei besonders am 17. Februar gegen die inzwischen fast abgeschlagenen Wölfe Würzburg versuchen, bei denen es am 11. September 2022 eine 23:29-Pleite gab. Es war einer von bisher bloß zwei Erfolgen des Tabellenletzten.
Was grundsätzlich für die Essener spricht: Nach dem Stand der Dinge sind alle Spieler des Kaders an Bord – was sich mit Blick auf Flexibilität und Lastenverteilung angesichts der vielen erst bevorstehenden Prüfungen als wertvoll erweisen könnte. Bei einem Sieg gegen Lübeck und einem optimalem Verlauf der zweiten Serie könnten die Essener vielleicht sogar den sechsten Rang in ihren Blick nehmen, den zurzeit mit 20:14 Punkten die HSG Nordhorn-Lingen besetzt – die bloß zwei Zähler mehr als TuSEM auf dem Konto hat. Hinter dem Spitzenreiter HBW Balingen-Weilstetten (29:5) sind nicht mal der Zweite Eulen Ludwigshafen (24:10), der Dritte ThSV Eisenach, der Vierte Dessau-Roßlauer HV und der Fünfte TuS N-Lübbecker (alle 23:11) komplett unerreichbar oder in einer anderen Sphäre unterwegs. Aber TuSEM ein Kandidat für den zweiten Aufstiegsplatz? Keiner denkt ernsthaft dran und besonders Hegemann ist von Hause aus ein bodenständiger Typ mit einem stark ausgeprägten Hang zum realistisch Machbaren, das eben der sichere Klassenerhalt ist. Doch gute Leistungen zeigen und die an die 1. Liga denkende Konkurrenz ärgern? Das passt zu den Essenern und ist im Übrigen sowieso Anspruch genug.