DHB-Pokal
Köln ruft: Gummersbach ist heiß aufs Final Four
Zum Einzug ins Halbfinale fehlt "nur" ein Erfolg im Viertelfinale gegen den Bundesliga-Konkurrenten TBV Lemgo Lippe. Der kann aber Pokal - und wie.

Es kann losgehen: Keeper Tibor Ivanisevic und der durch die erst vor Kurzem beendete Weltmeisterschaft extrem belastete Julian Köster wollen für den Gummersbacher Einzug ins Final Four auf jeden Fall alles geben. (Foto: Thomas Schmidt)

Es hätte natürlich schlimmer kommen können für den VfL Gummersbach. Was da noch an Konkurrenz im Topf war, gehört zum Besten, was der deutsche Handball momentan zu bieten hat: Der Rekordmeister THW Kiel ist dabei, der aktuelle Deutsche Meister SC Magdeburg wie die Rhein Neckar Löwen auch und selbst die SG Flensburg-Handewitt, die bisher eine für ihre Verhältnisse übersichtlich erfolgreiche Saison spielt, hat den Sprung ins Viertelfinale des DHB-Pokals geschafft. Alle haben ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt: Das große Final-Four-Turnier ist seit vielen Jahren ein Höhepunkt im dichten Terminkalender – sportlich wie atmosphärisch. Deshalb wollen die Gummersbacher unbedingt hin und am 15./16. April dabei sein, direkt vor der Haustüre. Die Entscheidung im DHB-Pokal, immerhin 29 Jahre in Hamburg zu Hause, zieht ja um – nach Köln, nur gut 50 Kilometer von der „Heimat des Handballs“ im Oberbergischen entfernt. Damit hat die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson fast eine Art Heimrecht, das ihr bei der Auslosung fürs Viertelfinale automatisch zustand: Die im vergangenen Sommer aufgestiegenen Gummersbacher gelten nach den DHB-Richtlinien immer noch als Zweitligist – weil für den Pokal 2022/2023 die Klassenzugehörigkeit aus 2021/2022 zur Anwendung kommt. Und die Auslosung im Anschluss ans Achtelfinale brachte dann einen Gegner, bei dem mancher Fan den VfL vielleicht bereits mit einem Bein in Köln sieht. Es geht doch „nur“ gegen den TBV Lemgo Lippe, der in der Bundesliga-Tabelle mit 14:22 Punkten aktuell auf Rang 13 steht – vier Zähler und vier Positionen hinter den Gummersbachern, die mit ausgeglichenen 18:18 Punkten ausgestattet sind. Trotzdem sollten sie im Oberbergischen keinen Gedanken daran verschwenden, dass sich daraus eine Garantie aufs Weiterkommen ergibt. So vieles spricht dagegen – und alles dafür, dass es am Samstagabend spannend werden könnte in der Schwalbe-Arena.

Ein Pluspunkt für die Gastgeber: Am 1. September 2022 starteten sie mit einem 30:26 in Lemgo erfolgreich in die neue Serie. Ein paar Wochen darauf lag fast eine Welt zwischen den beiden Kontrahenten, denn ungeschlagene Gummersbacher standen bei 8:2 Punkten und der bis dahin sieglose TBV konnte lediglich 2:8 vorweisen. Nicht viel später sah es unverändert deutlich besser für den VfL aus – 11:7 Punkte hier, 4:14 dort. Anders gerechnet: In den ab Anfang November folgenden neun Partien erreichte Lemgo einen Vorteil und überwies nun positive 10:8 Punkte aufs Konto, während der VfL im selben Zeitraum 7:11 Punkte sammelte. Was beide eint, sind Überraschungen gegen eins der Top-Teams: Gummersbachs 31:29  in eigener Halle gegen Flensburg-Handewitt, Lemgos 26:21 gegen dieselben Flensburger. Etwas später wartete die Mannschaft von Trainer Florian Kehrmann zusätzlich mit einem spektakulären 33:32 in Kiel auf. Gegen die weiteren Spitzenmannschaften zogen sich die Gummersbacher besonders gut beim 29:32 gegen die Rhein-Neckar Löwen und beim 28:30 gegen die Füchse Berlin aus der Affäre.

Der Weg der Bundesliga-Konkurrenten bis ins Viertelfinale ging relativ unspektakulär über die Bühne. Lemgo, das in der ersten Runde pausieren konnte, behauptete sich in der zweiten Runde mit einem 32:23 beim Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau und im Achtelfinale mit einem 32:27 beim Zweitligisten HC Elbflorenz Dresden. Der VfL stieg mit einem 35:29 bei der HSG Konstanz aus 2. Bundesliga ein, ehe er im Achtelfinale beim Zweitligisten HC Empor Rostock mit 40:31 gewann und im Viertelfinale mit 34:31 beim Bundesliga-Konkurrenten ASV Hamm-Westfalen. Unter dem Strich vielleicht trotzdem ein Vorteil für die Gäste aus Ostwestfalen-Lippe: Sie sind im Pokal nicht nur zu herausragenden Leistungen fähig – sie können auch Final Four. Bis heute unvergessen: Am 3. Juni 2021 drehte das Team von Trainer Florian Kehrmann das Halbfinale gegen den hohen Favoriten THW Kiel nach einem 11:18 am Ende der ersten Halbzeit zu einem 29:28 und machte am Tag darauf durch ein 28:24 über MT Melsungen den Pokal-Triumph perfekt. Ein Jahr später traf Lemgo am 23. April 2022 im Halbfinale erneut auf die Kieler und musste sich nach dem 24:24 in der 54. Minute erst auf der Zielgeraden knapp geschlagen geben.

Von den Strapazen bei der am vergangenen Wochenende abgeschlossenen Weltmeisterschaft in Polen und Schweden waren beide Seiten betroffen – die Gummersbacher vor allem durch die vielen Einsatzminuten von Julian Köster, der erst am vergangenen Sonntag mit der deutschen Mannschaft im Spiel um Platz fünf gegen Norwegen (28:24) beschäftigt war, der TBV unter anderem durch Kösters nachnominierten Teamkollegen Lukas Zerbe und mehr durch den erfahrenen Gedeon Guardiola (38), der sich nach dem 39:36 als Kapitän der Spanier über den dritten Platz freuen konnte. Alle gemeinsam wollen sich jetzt trotz des fast irrwitzigen WM-Programms mit neun zum Teil extrem herausfordernden Spielen von der Premiere am 13. Januar bis zum Abschluss am 29. Januar mit hundert Prozent einsetzen. Insgesamt lässt sich der „Titel“ Favorit fürs Viertelfinale nicht vergeben, aber für die Gummersbacher hätte es wohl schlimmer kommen können. Sie haben im Viertelfinale Heimrecht und sie könnten das Final Four ebenfalls fast zu Hause spielen. Dass bereits am kommenden Donnerstag der Wiederbeginn der Meisterschaft ebenfalls gegen Lemgo stattfindet, wird die meisten erst ein bisschen später interessieren.