2. Bundesliga
Freitagsdramen: Essen und Dormagen zittern sich ins Glück
TuSEM gewinnt gegen Lübeck nach 15:6 mit 23:22, TSV Bayer in Rostock nach 16:11 mit 24:22.

Zufall? Nach der Roten Karte gegen Eloy Morante Maldonado ging bei den Essenern lange nicht mehr viel und am Ende zitterte TuSEM einen knappen Vorsprung über die Zeit. (Foto: Herbert Mölleken)

TuSEM Essen – VfL Lübeck-Schwartau 23:22 (12:6). Als nach der aufregenden Schlussphase die Sirene fürs Ende des Spiels kam, dürften den Essenern doch Zentnerlasten von den Schultern gefallen sein. Beinahe hätten sie es ja hingekriegt, nach einer überlegen geführten ersten Halbzeit und dem gelungenen Start in die zweite ein Polster von neun Toren aus der Hand zu geben – was beim Wiederbeginn der Meisterschaft nach der langen Pause seit Ende Dezember ein echter Rückschlag gewesen wäre. Entsprechend erleichtert wirkte TuSEM-Trainer Michael Hegemann: „Alles in allem sind wir unfassbar glücklich, dass wir gewonnen haben. Das wird uns für die zukünftigen Aufgaben eine Menge geben. Wir konnten einfach eine Mannschaft in Schach halten, die hinter uns liegt. Das ist für uns Gold wert.“ Kollege David Röhrig, im vergangenen Sommer vom TSV Bayer Dormagen nach Lübeck gewechselt, war eher verzweifelt und in einem Punkt sogar aufgebracht: „Die erste Halbzeit war natürlich eine Riesenhypothek für uns. Wir haben da schon super verteidigt, aber im Angriff waren wir völlig bewegungslos, ohne Mut und ohne Zug zum Tor, ohne Pass-Geschwindigkeit. Das war viel zu wenig. Aber ich bin natürlich auch froh, dass die Mannschaft mit der Umstellung auf sieben gegen sechs gegen eine Abwehr wie die Essener Bestand haben kann. Es ist natürlich ganz bitter, wenn am Ende so eine Begegnung durch sehr fragwürdige Entscheidungen mit entschieden wird.“ In nüchternen Zahlen lesen sich die Folgen der Partie so: TuSEM verbesserte sein Konto auf 20:18 Punkte und ist jetzt Achter, während sich Röhrigs VfL auf Platz 15 mit 12:24 Punkten unverändert um den Klassenerhalt sorgen muss.

Auch die Gäste verteidigten bereits vor der Pause gut – aber noch stärker die Essener, die in der ersten Viertelstunde bis zum 7:1 (15.) nur einen Gegentreffer hinnehmen mussten. Von diesem Polster zehrte TuSEM bis zum 12:6 (30.), ehe es durch Justin Müller (32.), Felix Eißing (34.) und Malte Seidel (35.) mit dem 15:6 für die Entscheidung zu sorgen schien. Doch es kam alles ganz anders und die meisten der mehr als 2000 Zuschauer in der Halle Am Hallo drohten bald aus allen Wolken zu fallen: Das 10:15 (38.) der Lübecker beantwortete Essen zwar mit dem 16:10 (38.) von Eißing, aber nach der Roten Karte (38./Foul) gegen Eloy Morante Maldonado ging viel Ordnung und Übersicht verloren. Lübeck verkürzte zunächst auf 14:16 (44.), glich nach dem 14:17 (46.) zum 17:17 (49.) aus und hatte jetzt immer wieder eine Antwort auf Essener Führungen – 18:18 (50.), 19:19 (52.), 20:20 (54.), 21:21 (58.). Dennis Szczesny erzielte für Hegemanns Team das 22:21 (58.) und Tim Mast genau eine Minute vor dem Ende das 23:21 (60.). Der 22:23-Anschluss für den VfL fiel dann zu spät, um Essens Erfolg noch einmal zu gefährden.

Für Hegemann gab es vor allem einen Grund, dass Essen die vorherige Souveränität zunehmend verlor: „Wir haben große Probleme gegen deren sieben gegen sechs gehabt. Wir haben da nicht mehr so gut verteidigt, wie wir das vorher gemacht haben. Wir hoffen, den Schwung der ersten 40 Minuten mitzunehmen und das im nächsten Spiel über 60 Minuten zu machen.“ Dieses nächste Spiel bringt am kommenden Freitag die Aufgabe beim HC Empor Rostock (18./8:26 Punkte), der sich nach der Heim-Niederlage (22:24) gegen den TSV Bayer Dormagen in einer noch schwierigeren Lage befindet als die Lübecker, die natürlich trotz ihrer angespannten Lage nicht aufgeben werden. Was Hegemann wissen wird: Mit nur 23 erzielten Toren lässt sich in der 2. Liga nur selten eine Partie gewinnen. Dass TuSEM damit für den Augenblick leben kann, ist allerdings einfach erklärt. Der Erfolg über Lübeck war bereits der dritte hintereinander.

TuSEM Essen: Fuchs, Bliß, Diedrich – Ellwanger (2), Rozman (2), Wolfram, Dangers (1), Homscheid, Eißing (2), Szczesny (2), Müller (7/2), Seidel, Morante Maldonado (1), Klingler (3/1), Mast (3), Werschkull.

HC Empor Rostock – TSV Bayer Dormagen 22:24 (9:15). Die letzten fünf Minuten waren schmerzhaft, für alle Beteiligten. Die Hausherren hatten sich nach einer Aufholjagd in der zweiten Halbzeit vermutlich ein bisschen mehr erhofft – erst recht deshalb, weil sie in der entscheidenden Phase zweimal mit einem Spieler mehr auf der Platte standen. Und Dormagen hatte nach einem überlegen geführten ersten Durchgang und einer lange haltenden Fünf-Tore-Führung kaum damit gerechnet, dass es noch einmal derart stark unter Druck geraten würde. Auf der Zielgeraden, als es längst wieder viel enger geworden war, verlor das Team von Trainer Matthias Flohr zuerst seinen Kapitän und Abwehrchef Patrick Hüter, dessen Aktion gegen Rostocks Philipp Asmussen die Unparteiischen mit der Roten Karte bestraften (55.). Kurz darauf musste beim Stande von 22:21 (58.) der Teamkollege Jakub Sterba, der ebenfalls Asmussen im Gesicht erwischt hatte, mit zwei Minuten runter. Der letzte Schritt zum knappen Erfolg war dann so etwas wie Chefsache, denn Regisseur Ian Hüter scherte sich nicht um Spielstand und personelle Dezimierung, sondern er ackerte sich entschlossen durch – 23:21 (60.). Wenig später konnte der TSV Bayer die aufwändige Dienstreise nach Rostock als Erfolg abhaken. Mit jetzt 16:18 Zählern festigte Dormagen im Kampf um mehr Sicherheit den 13. Platz und hielt gleichzeitig Empor im Keller der Tabelle (18./8:26) entsprechend auf Distanz. Gewinnt Dormagen nun auch am nächsten Dienstag sein Nachholspiel gegen den TV Großwallstadt (Zwölfter/16:16), das erst am Samstag auf die Wölfe Würzburg trifft, gleicht es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder sein Konto aus (dann 18:18) und verabschiedet sich dadurch endgültig aus dem Abstiegskampf.

Die stark gefährdeten Hausherren mussten relativ hilf- und machtlos mit ansehen, wie die Gäste aus dem Rheinland aus dem 2:2 (4.) vor allem dank einer energischen Abwehr eine immer deutlicher werdende Führung machten – 6:3 (10.), 10:6 (17.), 12:6 (25.). Übers 15:9 (30.) am Ende der ersten Halbzeit brauchte Dormagen in der vom Kampf bestimmten Auseinandersetzung nach der Pause zwar mehr als acht Minuten bis zum nächsten eigenen Treffer, doch beim 16:11 (39.) von Lucas Rehfus machte sich vermutlich auf der Bayer-Bank noch niemand größere Sorgen. Das sollte sich jetzt aber ziemlich schnell ändern, denn Rostock kam durch vier Tore hintereinander auf 15:16 (43.) heran – und der Rest des Abends war auch Nervensache. Weder mit dem 19:16 (49.) noch mit dem 20:17 (51.) konnte sich Flohrs Mannschaft ihrer Sache sicher sein – und beim 20:21 (55.) und 21:21 (57.) jeweils durch Janos Steidtmann in Überzahl schien Rostock die Partie sogar komplett drehen zu können. Jan Reimers 22:21 (58.) eröffnete nun das dramatische Finale – mit jenem von Ian Hüter eingeleiteten Happy End.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Böhnert, Reuland (3/2), Meuser (1), Senden, M. Schmidt, Zurga, Rehfus (7), I. Hüter (2), Reimer (3), P. Hüter (2), Sterba (1), J.-C. Schmidt (1), Steinhaus (4).