DHB-Pokal
Traum geplatzt: Gummersbach scheitert an sich selbst
VfL verliert Viertelfinale gegen den Bundesliga-Konkurrenten TBV Lemgo Lippe verdient mit 30:33.

Rolle vorwärts? Handstand? Selbst artistische Einlagen wie diese von Linksaußen Hakon Styrmisson halfen den Gummersbachern letztlich nicht beim Pokal-Aus gegen den TBV Lemgo. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – TBV Lemgo Lippe 30:33 (14:18). Köln, das eigentlich so nah ist, war am Ende ganz weit weg für die Gummersbacher. Und der Traum von einem Startplatz beim Final Four, dem nationalen Saisonhöhepunkt, hatte sich nach 60 Minuten in Luft aufgelöst. Was es besonders schmerzhaft machte für die Hausherren: Natürlich lieferten sie, für ein Viertelfinale im DHB-Pokal angemessen, einen großen Kampf – aber die Niederlage ging in Ordnung, obwohl Lemgo, gerade in der jüngeren Vergangenheit ein ausgewiesener Pokalspezialist (Sieger 2021, Halbfinalist 2022), ebenfalls keinen Zauberhandball zeigte. Das Team von Trainer Florian Kehrmann, Mitglied der deutschen Weltmeister-Mannschaft von 2007, demonstrierte aber gerade in den entscheidenden Phasen eine bisweilen für den VfL nervende Gelassenheit und ließ sich kaum irritieren – was einer der Schlüssel zum Erfolg war. Der andere: Gummersbach ließ viel zu viele Chancen aus der Kategorie hundertprozentig aus – auch in Phasen, in denen Lemgo die Tür für die Hausherren wieder einen Spalt geöffnet hatte. Unter dem Strich gelang den Hausherren nach dem frühen 0:1 in der zweiten Minute nur einmal der Ausgleich – mit dem 1:1 (2.) von Dominik Mappes. Für den Rest des Abends lag  der Bundesliga-Konkurrent aus dem Nordosten von Nordrhein-Westfalen immer vorne und unter anderem deshalb war der Sieg verdient. Während der TBV nun am 15./16. April in der Lanxess Arena unter anderem mit der SG Flensburg-Handewitt und den Rhein-Neckar Löwen um den Pokalsieg 2023 kämpft, kann/muss sich der VfL ab sofort wieder auf die Meisterschaft konzentrieren. Die geht ja nach der langen Pause (WM im Januar) am kommenden Donnerstag weiter – wiederum mit einem Duell gegen Lemgo.

Der Abend, der für die Hausherren in der zum fünften Mal in dieser Saison ausverkauften Schwalbe-Arena (4132 Zuschauer) eigentlich zu einem Festakt werden sollte, begann mit zwei für den weiteren Verlauf fast typischen Szenen. Die erste: Es hieß 0:0, als Linksaußen Tilen Kodrin frei zum Wurf kam und sein Ziel verfehlte (1.). Die zweite: Gummersbach lag mit 1:2 (4.) hinten, als Tom Jansen eine Möglichkeit mit ähnlicher Qualität bekam und ebenfalls scheiterte. Auf der anderen Seite bekam die Abwehr der Gastgeber in manchen Szenen nicht den gewohnten Zugriff, sodass bald die Zeit des Nachlaufens begann – 3:5 (6.), 5:6 (9.). Weil der VfL weiter unzureichend abschloss und Lemgo gleichzeitig viermal hintereinander traf, gab es ab dem 9:5 (14.) klare Vorteile für die Gäste, die mit dem 12:7 (18.), 14:9 (20.) und 17:12 (27.) jeweils fünf Tore vorne lagen – und auf der Platte eindeutig die besseren Antworten fanden. Mit dem 14:18 (30.) am Ende der ersten Halbzeit war dann allen in Gummersbach klar, dass für den zweiten Durchgang nur eine deutliche Steigerung und neue Ideen helfen würden.

Dieser Abschnitt begann allerdings mit Hektik auf beiden Seiten, die in der Addition innerhalb von weniger als zwei Minuten gleich fünf Angriffe nicht zu einem vernünftigen Abschluss brachten. Das gelang nun zuerst dem TBV, der durch Tim Suton auf 19:14 (33.) erhöhte – und die Hausherren, mit ihren Fans im Rücken, dadurch noch einmal an die Reserven gehen ließen. Mit dem 21:22 (40.) von Jonas Stüber waren die Gastgeber durch ihren 7:3-Lauf tatsächlich wieder dran, sodass sich Trainer Kehrmann z einer Auszeit gezwungen sah. Eine der Antworten war der Einsatz des siebten Feldspielers, der die Gummersbacher vor neue Aufgaben stellte – die sie im Grunde nicht schlecht bearbeiteten. Weniger gut: Zwei eigene Angriffe gingen ins Leere (42./43.), ehe Lemgo auf 24:21 (44.) und 25:21 (47.) erhöhte. Der endgültige Knackpunkt fand kurz darauf direkt nach einer Auszeit (47.) von Sigurdsson statt, als beim Stande von 22:26 erst Ellidi Vidarsson den Pfosten traf und beim zweiten Versuch der freie Lukas Blohme an Lemgos Torhüter Finn Zecher scheiterte. Gummersbach, inzwischen ebenfalls mit dem siebten Feldspieler unterwegs, gab zwar zu keinem Zeitpunkt auf, aber Lemgo wirkte auch nie sonderlich aufgeregt. Das 28:30 (55.) des VfL beantwortete der TBV mit dem 31:28 (57.), das 29:31 (57.) mit dem 32:29 (58.) und das 30:32 (59.) mit dem 33:30 (60.). Nach jenem Treffer durch Nationalspieler Lukas Zerbe genau 45 Sekunden vor Schluss stand der Gewinner fest – und der Verlierer, dessen Traum vom Finale Four geplatzt war.

VfL-Trainer Sigurdsson erwies sich hinterher als der gewohnt faire Verlierer. „Glückwunsch an Lemgo zum verdienten Sieg. Es ist natürlich schwer, jetzt die richtigen Worte zu finden“, sagte der Isländer, „ich bin sehr enttäuscht, weil wir es einfach auch besser können. Man muss natürlich die Leistung des Gegners anerkennen, weil Lemgo sehr clever und intelligent gespielt hat. In der Pause war ich mit dem Vier-Tore-Rückstand eigentlich noch zufrieden, weil wir keine Leistung gebracht haben. In der zweiten Halbzeit wollten wir es besser machen, haben uns auch immer wieder herangekämpft und Möglichkeiten gehabt, aufzuschließen. Wir haben einfach zu viele eigene Fehler gemacht und freie Bälle verworfen, die wir normalerweise reinmachen.“ Kollege Kehrmann sah zwar nicht über Mängel im Auftritt des TBV hinweg, wirkte jedoch ziemlich begeistert: „Man hat gesehen, dass das heute kein normales Spiel war, weil es um viel ging. Gummersbach hat versucht, uns mit ihrem Tempospiel unter Druck zu setzen, aber wir haben während des gesamten Spiels einen kühlen Kopf bewahrt. Auch wenn wir Fehler gemacht haben, haben wir das Ganze zäh heruntergespielt. Nach zehn Minuten haben wir in die Abwehr reingefunden und von da an das Spiel bestimmt. Wir wussten, dass Gummersbach in der zweiten Halbzeit noch einmal wiederkommen würde. Wir sind aber ruhig geblieben und unser 7:6-Spiel hat uns dabei geholfen, Kräfte zu sparen und Tore aus der Nahdistanz zu machen. Wir haben immer Antworten gefunden und eine tolle Mannschaftsleistung gezeigt. Wir sind überglücklich, zum dritten Mal in Folge zum Final Four zu fahren.“

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (2), Kodrin (1), Köster (3), Blohme (8), Schroven, Häseler, Schluroff (3), Mappes (8/5), Pregler, Styrmisson (2), Kiesler, Stüber (1), Jansen (2), Zeman.