1. Bundesliga
Mitten ins Herz: Ein Däne trifft Gummersbach
VfL verliert beim 28:29 nach Aus im Pokal auch in der Meisterschaft gegen den TBV Lemgo Lippe. BHC setzt Saison am Sonntag in Wuppertal gegen MT Melsungen fort.

Zwei Spaßverderber: Lukas Blohme (Mittte) und die Gummersbacher hatten zunächst immer wieder Mühe, Lemgos guten Torhüter Finn Zecher zu überwinden. Noch bitterer war aber für den VfL das späte Tor von Emil Buhl Lærke, das die Gummersbacher dann völlig leer ausgehen ließ. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – TBV Lemgo Lippe 28:29 (14:16). Eigentlich wollten die Gummersbacher wenigstens den Schmerz über das Aus im Viertelfinale des DHB-Pokals lindern, der sie nur fünf Tage zuvor gegen dieselben Lemgoer ereilt hatte – die am vergangenen Samstag durch das 33;30 in der Schwalbe-Arena ihrerseits und zum dritten Mal hintereinander das Final Four erreicht hatten. Auf eine besondere Art war die nächste Niederlage gegen den TBV allerdings noch viel bitterer, weil die Gäste erneut keine Gala zeigten, weil die Hausherren zunächst den Ausfall ihres Regisseurs Dominik Mappes ganz gut zu verkraften schienen, weil ihnen Lemgo die Tür zum Erfolg einen noch größeren Spalt offen ließ und weil die Gummersbacher selbst wieder zu viele Chancen ungenutzt ließen oder zu viele Fehler/Ballverluste produzierten. Und zum aus Sicht der Hausherren gar nicht so guten Schluss traf der Däne Emil Buhl Lærke mit dem wuchtigen Wurf zum 29:28 elf Sekunden vor dem Ende mitten ins Gummersbacher Herz. Ein bisschen später stand mancher einigermaßen fassungslos auf der Platte und der VfL erneut mit leeren Händen da – in einer Partie, die ansonsten keinen Leistungs-Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten aufgezeigt hatte. Während Lemgo (Platz 13) erneut und nachvollziehbar feierte, weil es durch die beiden wichtigen Punkte sein Konto auf 16:22 Zähler schraubte, werden sich die Gummersbacher erst einmal sammeln müssen. Als Neunter sind sie bei 18:20 Punkten angekommen und verfügen damit über eine für einen Aufsteiger unverändert ordentliche Bilanz, doch der Start ins neue Jahr ist misslungen. Bis zur nächsten Aufgabe am 23. Februar beim Schlusslicht ASV Hamm-Westfalen (3:33) bleiben Trainer Gudjon Valur Sigurdsson und seiner Mannschaft nun Zeit, den erneuten Nackenschlag zu verarbeiten. 

Die Hausherren, mit dem erkennbaren Willen zur Revanche ausgestattet, fanden aufs frühe 0:2 (2.) bald über Hochgeschwindigkeits-Handball entsprechende Antworten und sie legten fünf Treffer hintereinander zur eigenen 5:2-Führung (9.) hin. Lemgo wirkte jetzt teilweise überfordert – wie in jener Szene, als sich Lukas Hutecek und Jan Brosch beim Versuch eines Tempogegenstoßes derart gegenseitig behinderten, dass der VfL unbeschadet davonkam und wenig später durch Julian Köster auf 7:4 (12.) erhöhen konnte. Bis zum 11:8 (19.) blieb jenes Drei-Tore-Polster, ehe der selbst wenig Überragendes produzierende TBV auf 10:11 (20.) verkürzte und Sigurdsson seinem Team in der sofort folgenden Auszeit die Sinnfrage stellte: „Warum spielen wir nicht weiter, was wir bis jetzt gespielt haben?“ Eine echte Antwort darauf bekam der Isländer nicht und bis zum 12:10 (24.) nach dem von Hakon Styrmisson verwandelten Siebenmeter neigte sich die Waage nach dem 12:11 (25.) und 13:12 (27.) stärker auf die andere Seite – 13:15 (29.), 14:16 (30.).

Was trotz des später verpassten Happy Ends für die Gastgeber sprach: Kämpferisch hatten sie sich wenig vorzuwerfen. Bis zum 17:18 (33.) blieb der VfL dicht dran, ehe er mit dem 18:22 (39.) zum ersten Mal komplett den Anschluss zu verlieren drohte. Dass es wieder enger wurde, lag nicht zuletzt am glänzenden Comeback von Rechtsaußen Mathis Häseler, der in seinem ersten Einsatz nach dreimonatiger Verletzungspause (Fuß) insgesamt mit einer Hundert-Prozent-Quote bei sieben Versuchen sieben Treffer erzielte – darunter die zum 21:22 (42.) und 22:23 (44.). Anschließend mussten sich die Gummersbacher aber erneut bei sich selbst beklagen, dass die mögliche Wende hier nicht sofort stattfand: Beide Seiten trieben die Fehlerquote in rasch wechselnder Folge in die Höhe – und der VfL eben noch etwas heftiger als die Gäste. Weil sich nun auf der anderen Seite aber Keeper Ivanisevic mit mehreren tollen Paraden nachhaltig einschaltete, bekam Gummersbach trotzdem die große Chance, beide Zähler zu behalten.

Köster (48.), erneut Häseler (49.), Miro Schluroff (51.) und Tom Jansen (52.) drehten das 22:25 (47.) mit viel Leidenschaft zum 26:25 – was allerdings weder den Gummersbachern die nötige Sicherheit verlieh noch den Lemgoern irgendwie den Glauben an sich selbst raubte. Zuerst brauchte der TBV, der förmlich in sich zu ruhen schien, nur 15 Sekunden, um aus dem Rückstand das 26:26 und 27:26 (jeweils 53.) zu machen. Jansen glich zum 27:27 (54.) aus und eröffnete damit zunächst eine allgemeine Chaos-Phase, in der beide Seiten in der Addition fünf Angriffe nicht zum erfolgreichen Abschluss bringen konnten. Dann kam beim Aufsteiger auch Pech hinzu, als Schluroffs Dreher vom Innenpfosten abprallte (57.) und eben nicht das greifbar nahe 28:27 brachte. Das gelang dafür wenig später dem TBV durch Kian Schwarzer (58.), bevor erneut Häseler zur Stelle war – 28:28 (59.). Lemgos logische Reaktion: Trainer Florian Kehrmann nahm 40 Sekunden vor Schluss eine Auszeit, mahnte den TBV zur Besonnenheit und zum Herausarbeiten möglichst viele Freiwürfe, um einem drohenden Zeitspiel entgegenzuwirken. Das gefiel den Gummersbachern und ihren Fans natürlich weniger als gar nicht, funktionierte allerdings aus Kehrmanns Sicht perfekt. Dass letztlich Emil Buhl Lærke sogar den Siegtreffer anbringen konnte, machte Lemgo endgültig zur Gute-Laune-Reisegruppe – und den Schmerz des VfL noch größer.

Sigurdsson wirkte hinterher bei aller Enttäuschung gefasst: „Glückwunsch an Lemgo zum Sieg. So unzufrieden kann ich mit meinen Jungs heute nicht sein. Sie haben gekämpft und Willen gezeigt. Aber man merkt in solchen Spielen, was uns gegenüber einer Mannschaft wie Lemgo einfach noch an Erfahrung fehlt. Sie haben einfach alles bestraft. In der zweiten Halbzeit haben wir viele Konstellationen probiert und auch besser gegen die 7:6-Variante von Lemgo gedeckt. In einer super Phase kommen wir dann mit 26:25 in Führung, aber gefühlt nur wenige Sekunden später übernimmt Lemgo wieder die Führung, weil wir die Bälle wegwerfen. Die guten Chancen, die wir hatten, verwerfen wir einfach. Da müssen wir abgezockter werden. Wir sind enttäuscht, aber wir haben alles gegeben. Man muss das Positive sehen und von solchen Mannschaften lernen. Lemgo nimmt sich eben nur hundertprozentige Würfe, wohingegen wir es im Angriff schwerer haben.“ Für zwei Spieler hatte Sigurdsson ein Sonderlob:  „Ich möchte Mathis Häseler und Tom Kiesler, der in der Abwehr auf einer neuen Position gespielt hat, loben. Für diese beiden freut es mich besonders.“ Kollege Kehrmann sah jedenfalls keinen Grund, sich für den Sieg zu schämen. „Hintenraus hatten wir natürlich eine Portion Glück, aber über das ganze Spiel gesehen hatten wir mit unserer Abwehr ein Plus. Dass der Buzzerbeater reingeht, ist natürlich auch eine Qualität, aber ebenso Glück.“

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Vidarsson (2), Kodrin (2), Köster (5), Blohme (2/1), Schroven (1), Häseler (7), Schluroff (1), Pregler (2), Styrmisson (2/1), Kiesler, Stüber, Jansen (4), Zeman.

 

Erst Melsungen, dann Flensburg? Da war doch was beim Bergischen HC. Am 4. Dezember bringt das Team von Trainer Jamal Naji, gestützt auf eine starke Abwehr, von der MT Melsungen ein 22:22 mit – was als einer der wertvollen Bausteine in die insgesamt starken Monate November und Dezember eingeht. Eine Woche darauf bezieht der chancenlose BHC im Ausweich-Quartier in Düsseldorf (PSD-Bank-Dome) gegen die SG Flensburg-Handewitt eine 18:31-Packung. Jetzt eröffnet Najis Mannschaft das neue Handballjahr und den zweiten Teil der Saison 2022/2023 mit demselben Paket: Am Sonntag kommt der Sechste Melsungen (20:16 Punkte) ins Ausweichquartier in Wuppertal (Uni-Halle), ehe am 19. Februar bei der SG (Fünfter/26:10) der Auftritt in der Flens-Arena im Norden von Schleswig-Holstein auf dem Programm steht. Was die Aufgaben unterscheidet: Den Melsungern standen damals längst nicht alle Stammkräfte zur Verfügung, was mittlerweile anders ist – und bei den Flensburgern zeigte damals Jim Gottfridsson, warum er seit Jahren als einer der besten Handballer der Welt gilt. Welche Chancen sich bald ohne den verletzten Schweden (Hand gebrochen) für den BHC ergeben, wird sich erst zeigen müssen. Die Jahrespremiere gegen Melsungen wird auf jeden Fall schwieriger als die Aufgabe damals. „Melsungen ist komplett. Alle, die im Hinspiel nicht dabei waren, sind jetzt dabei“, sagt BHC-Trainer Jamals Naji. Gemeint sind unter anderem die deutschen Nationalspieler Timo  Kastening (Rechtsaußen) und Julius Kühn (Rückraum links) oder der Kroate Ivan Martinovic (Rückraum rechts), die das ohnehin nicht geringe Potenzial der MT noch einmal auf eine höhere Stufe heben. Ganz nebenbei steht im Kasten in Nebosja Simic (Motenegro) der nach allen Statistiken aktuell mindestens einer der besten Torhüter der 1. Bundesliga ist. Seine 184 Paraden in 18 Spielen sind der Liga-Höchstwert, in der Quote der abgewehrten Bälle (36,44 Prozent) liegt nur der Flensburger Benjamin Buric (36,58) einen Hauch vorne.

Für Naji ergibt sich aus allem nur eine zulässige Schlussfolgerung: „Da kommt sehr viel individuelle Klasse auf uns.“ Mit einer präzisen Prognose hält er sich lieber ein bisschen zurück, weil er noch einige personelle Fragezeichen sieht, doch die Punkte freiwillig abliefern wollen die Gastgeber natürlich nicht. „Was wir erreichen können, ist ein Stück weit davon abhängig, wie wir auch kadertechnisch angreifen können. Aber wir rechnen uns schon aus, was mitnehmen zu können. Wir gucken, was da geht.“ Die WM-Fahrer Djibril M’Bengue und Lukas Stutzke (später nachnominiert) fehlten fast durch die ganze (M’Bengue) oder einen Teil der Vorbereitung (Stutzke), außerdem gibt es ein paar leichtere Blessuren sowie zwei Krankheitsfälle. Naji hofft nachvollziehbar, dass er möglichst viele Möglichkeiten an die Hand bekommt, zumal sich der BHC im rechten Rückraum sicher mit einem Rechtshänder wieder in der Kunst des Improvisierens üben muss – weil ja Linkshänder N’Bengue (Positionskollege Simen Schönningsen steht weiter nicht zur Verfügung) kaum über 60 Minuten durchspielen kann. Ein Vorteil für den BHC: Von Rang elf aus darf er mit seinen 16:18 Punkten (12:4 aus November/Dezember) relativ beruhigt in die Saison-Fortsetzung gehen, weil die beiden vom TSV GWD Minden (6:30 Punkte) und vom ASV Hamm-Westfalen (3:33) belegten Abstiegsplätze ziemlich weit entfernt sind. Trotzdem müssen ja 4:14 Zähler wie am Anfang der Saison, als der BHC irgendwie auf der Suche nach sich selbst war, nicht unbedingt wieder sein.