3. Liga
Panther, Eagles, Longerich: Wer wird der Kronprinz?
Vorne ist nur klar, dass Emsdetten die Aufstiegsrunde erreicht. Dahinter läuft ein Dreikampf - und die Auseinandersetzung mit dem Lizenzierungs-Dschungel.

Eng und enger: Max Weiß (vorne links, mit Ball) und Henrik Heider (vorne rechts) haben mit den Panthern ein aufregendes Saisonfinale vor sich – wie auch Christopher Wolf, Dustin Thöne und Malte Nolting (hinten von links) mit den Longerichern. (Foto: Thomas Schmidt)

Es lebe der König. Und der heißt in der 3. Liga ganz sicher TV Emsdetten. Das Team von Trainer Sascha Bertow befindet sich als Spitzenreiter mit 37:3 Punkten auf dem direkten Weg in die Qualifikationsrunde für die 2. Bundesliga, die der Verein erst am Ende der vergangenen Saison verlassen musste. Die Meisterschaft in der Gruppe West genügt alleine zwar noch nicht für die Rückkehr, aber Emsdetten würde vermutlich realistische Aussichten haben, um den Kampf mit der weiteren Konkurrenz aus den anderen Gruppen zu bestehen. Besonders zu beachten wären dort vermutlich der EHV Aue, der die Gruppe Ost mit einem ähnlichen Vorsprung anführt wie die Emsdettener die Gruppe West, die HSG Hanau und der TuS Ferndorf, die in der Gruppe Süd/West dominieren. Unter dem Strich ist es sicher kein Zufall und keine Überraschung, dass in Emsdetten, Aue und Ferndorf die drei Zweitliga-Absteiger von 2021/2022 mit entsprechenden Strukturen ein Jahr später zu den heißeren Aufstiegskandidaten gehören. Liebend gerne würde in diesem Konzert der etwas Größeren die HSG Krefeld Niederrhein mitmischen, die den Einzug in die Aufstiegsrunde mit dem neuen Trainer Mark Schmetz sowieso als klares Ziel für die laufende Serie ausgegeben hat. Womit vermutlich die wenigsten und die Krefelder in dieser Form vielleicht gar nicht gerechnet haben: Um die Rolle des Kronprinzen bewerben sich zurzeit noch zwei andere. Verfolger Nummer eins des TVE sind inzwischen die Bergischen Panther, deren 31:11 Punkte die Belohnung für viel Einsatz und Leidenschaft über die vergangenen Monate sind. Das Team von Trainer Marcel Mutz kletterte jetzt an den Krefeldern (29:11) vorbei auf Platz zwei – weil die HSG am vergangenen Freitag eine 27:34-Pleite hinnehmen musste. Beim Longericher SC in Köln (29:13). Der wiederum warf mit jener Gala gegen die Eagles als Vierter selbst seinen Hut in den Ring – und hätte wenig dagegen, nach Karneval weiter am Ball zu bleiben.

Theoretisch liegen in der Addition die besten Mittel immer noch bei den Krefeldern, die allerdings in der jüngeren Vergangenheit durchaus in eine nicht unerhebliche Schieflage geraten sind. Los ging es am 10. Dezember mit dem 30:34 gegen den VfL Gladbeck, auf das sich in der letzten Partie vor der Pause über Weihnachten/Silvester das 29:21 beim TSV GWD Minden II anschloss. Das Jahr 2023 begann mit dem 23:40-Debakel beim TuS Spenge und dem 29:26 gegen den TuS 82 Opladen sowie dem 31:33 nach einer überzeugenden Leistung in Emsdetten – dem der durch eine katastrophale erste Halbzeit verursachte Absturz in Longerich folgte. Anders gerechnet: Die vergangenen sechs Partien brachten nur 4:8 Punkte, die vier in 2023 lediglich 2:6 – deutlich zu wenig für die hohen Ansprüche der Krefelder. Trainer Mark Schmetz, der an der Seitenlinie nicht zu emotionalen Unmuts-Bekundungen neigt, hält offensichtlich viel von Eigenverantwortung der Spieler, sodass es selbst nach dem schwarzen Freitag in Longerich keine lautstarke (Straf-) Predigt gab, sondern intern nur dem Anlass entsprechende intensive Diskussionen. „Wir haben uns direkt nach dem Spiel zusammengesetzt“, sagt Schmetz, „und nach dem Training haben sich die Jungs noch einmal alleine zusammengesetzt.“ Sein Standpunkt: „Jeder Spieler muss bei sich selbst nachfragen.“

Dass der Weg zur Aufstiegsrunde schwieriger wird, als er bis zum späten Herbst 2022 zu sein schien, erstaunt den Coach der Eagles grundsätzlich ebenfalls nicht besonders: „Ich habe damit gerechnet, dass wir kämpfen müssen.“ Und noch weniger unerwartet kommt für den ehemaligen niederländischen Nationalspieler, der in der Bundesliga unter anderem für TuSEM Essen und den TBV Lemgo unterwegs war, die Rolle der Panther und des LSC: „Die Panther spielen eine überragende Saison und die Longericher haben eine sehr starke Mannschaft. Lukas Martin Schulz ist im Moment wohl der beste Mittelmann der 3. Liga.“ Tatsache ist auf jeden Fall, dass Schulz in bisher 21 Spielen bereits 186 Treffer erzielt hat – davon alleine 14 jüngst beim Erfolg über die HSG Krefeld Niederrhein, für die sich Schmetz nicht mehr so sehr lange mit dem Blick zurück etwa im Zorn beschäftigen will. Der Eagles-Trainer mag zudem wenig darüber lamentieren, welche Schwierigkeiten sich aus dem Fehlen einiger verletzter Stammspieler ergeben. Er richtet den Blick lieber nach vorne auf die nächsten Begegnungen, die am Karnevalssamstag mit dem Nachholspiel gegen das Team HandbALL Lippe II beginnen – eine Aufgabe, über die sie in Krefeld in ihrer besten Phase in dieser Saison nicht viele Worte verloren hätten, weil der Gegner auf Rang zwölf (10:30 Punkte) sehr intensiv im Kampf um den Klassenerhalt festhängt. Schmetz hat trotzdem durchaus Respekt vor dem Kontrahenten, den er für deutlich unter Wert positioniert hält, hat aber auf der anderen Seite eine klare Rechnung für die HSG: „Es geht nur darum, dass wir jedes Spiel gewinnen.“

Beim Versuch, das in die Tat umzusetzen, bleiben nach Lippe II fünf weitere Aufgaben – unter anderem jene am 25. Februar gegen den TV Aldekerk, das bereits seit Wochen weniger unter sportlichen Gesichtspunkten zu stehen scheint: Durch den Umzug aus der Glockenspitzhalle in die viel größere Yayla-Arena, die sonst das Eishockey beherbergt, rechnen die Krefelder mit einer Rekord-Kulisse von rund 8000 Zuschauern. Die würden ihnen allerdings wenig bringen, wenn nicht die Ausbeute von zwei Punkten hinzukommt, denn wiederum eine Woche später könnte es am 3. März eine Art Finale im Kampf um den zweiten Platz geben – bei den Bergischen Panthern. Die wirken einerseits von sich selbst überrascht und sie scheinen im Moment wirklich zu allem fähig zu sein. Der Gedanken an die Aufstiegsrunde kommt den Panthern dabei irgendwie fremd vor. „Tatsächlich war das bisher noch kein Thema, weil wir das gar nicht auf dem Schirm hatten, dafür überhaupt in Frage zu kommen. Das war eigentlich ganz, ganz weit weg. Wir sind selber überrascht, dass wir da jetzt in dieser Position stehen. Man bedenke nur den Saisonstart mit 0:4 Punkten. Es wäre doch vermessen gewesen, über die Aufstiegsrunde nachzudenken. Wir wollen erst mal nur aufs nächste Spiel sehen und wir tun gut daran, da bescheiden ranzugehen und uns auf Spenge zu fokussieren. Dann sehen wir weiter.“

Da muss mehr kommen: Trainer Mark Schmetz weiß, dass seine Eagles nach der Niederlage in Longerich noch mehr unter Druck stehen. (Foto: Thomas Schmidt)

Der Blick voraus deutet immerhin an, dass die 3. Liga vorne noch richtig spannend werden dürfte. Fall eins: Krefeld gewinnt gegen Lippe II und gegen Aldekerk und steht dann bei 33:11 Punkten, die Panther gewinnen am 25. Februar beim Fünften TuS Spenge und haben dann mit dem besseren Torverhältnis ebenfalls 33:11 Zähler. Dann wäre der 3. März mehr als nur ein einfaches Spitzenspiel und ein echter Gipfelkracher. Fall zwei: Krefeld gewinnt zweimal und die Panther verlieren. Dann träfen 33:11 Punkte auf 31:13. Sollten sich die Panther dann jedoch gegen die Eagles durchsetzen, wären sie wieder vorne – und hätten nach dem 33:33 aus der Hinrunde den am Ende bei Punktgleichheit entscheidenden direkten Vergleich gewonnen (trifft im Übrigen auch auf jedes Unentschieden mit weniger als 33 Krefelder Auswärtstoren zu). An alle anderen möglichen Varianten mit einem Sieg der Panther in Spenge und einem eigenen Punktverlust wollen sie in Krefeld lieber nicht denken – weil in dieser Variante das klare Saisonziel erst richtig gefährdet wäre. Dann müssten sie plötzlich, was angesichts der allgemeinen Ausstattung absurd wäre, fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Die wäre tatsächlich denkbar, weil die Panther in Spenge, gegen Krefeld, in Emsdetten, gegen Longerich und in Aldekerk noch ein hammerhartes Programm vor sich haben. Dicker Vorteil: Mutz und seine in diesem Jahr noch verlustpunktfreie Mannschaft (10:0) haben weniger als nichts zu verlieren und null Druck.

Das gilt im Grundsatz ganz ähnlich für die Longericher, deren bislang letzte Niederlage drei Monate zurückliegt und vom 18. November 2022 stammt – mit dem 32:33 gegen die Panther. Kurz vorher hatte die Mannschaft von Trainer Chris Stark in Krefeld nur knapp mit 30:32 verloren und gegen Emsdetten ein 30:30 erkämpft. Nach der Niederlage gegen die Panther gab es mit 16:2 Zählern aus neun Spielen ohne Niederlage einen Höhenflug, der mit dem kürzlichen Triumph über die Eagles seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte – und ganz nebenbei wiederum den Vorteil im direkten Vergleich. Der aktuelle vierte Platz mit 29:13 Punkten ist in der Rückschau kein Produkt des Glücks oder des Zufalls, sondern verdient – weil die Kölner nachgewiesen haben, dass sie offensichtlich jede Mannschaft in der Klasse heftig bedrängen können. Wohin das alles am Ende führen wird, wenn das so weitergeht? Es liegt nahe, dass der Sprung auf den zweiten Tabellenplatz und das Recht zur Meldung für die Aufstiegsrunde bei anhaltendem Hoch nicht völlig utopisch ist. „Wir beschäftigen uns damit“, sagt Stark. Daraus lässt sich für den Moment weder in Ja noch ein Nein ableiten. Es schließt allerdings auf der anderen Seite nicht direkt aus, dass der LSC für die Aufstiegsrunde meldet – gleichwohl er, wie alle Interessenten, fristgerecht ein gewaltiges Aufgabenpaket abzuarbeiten hätte.

Damit kennen sie sich in Krefeld am besten aus – und dort haben sie natürlich auch den größten möglichen Druck von allen in Frage kommenden Kandidaten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang dann nicht zuletzt das, was in Punkt III 24.2 Abschnitt a aufgeführt ist: „Die ersten zwei Mannschaften jeder Staffel können an der Aufstiegsrunde teilnehmen. Eine Meldung für diese Runde ist erforderlich und wird rechtzeitig abgefragt. An dieser Aufstiegsrunde können nur die Vereine teilnehmen, die auch eine Lizenz der HBL erhalten können. Zwei Mannschaften der Aufstiegsrunde steigen in die 2. Handball-Bundesliga auf.“ Für die Panther und die Longericher liegt darin diese Regel: Sie müssen in Kürze nicht nur ihr Interesse an einer Teilnahme bei der Aufstiegsrunde anmelden, sie müssten darüber hinaus die zur Erlangung einer HBL-Lizenz notwendigen Unterlagen rechtzeitig beibringen. Nur eine der zahlreichen Voraussetzungen, die bis ins kleinste Details unendlich viel regeln, nennt § 4, Absatz 5.1 der Lizenzierungsordnung: „Weiterhin hat der Lizenzbewerber in elektronischer Form auf der Lizenzierungsplattform bis zum 01. 03. des Jahres, in dem der beantragte Lizenzzeitraum beginnt, einzureichen: Bankbürgschaft über 50.000 Euro (Bundesliga) bzw. 20.000 Euro.“ Das Original der Bankbürgschaft ist spätestens bis zum 01.04. des Jahres, in dem der beantragte Lizenzzeitraum beginnt, vorzulegen.“ Was nun in der Summe die Angelegenheit für die HSG Krefeld Niederrhein deutlich eher verkompliziert als das umfangreiche Lizenzierungsverfahren: Gesetzt den Fall, die Mannschaft von Mark Schmetz wird wirklich nicht Zweiter und die vor ihnen über die Ziellinie kommenden Panther oder Longericher verzichten aus finanziellen/organisatorischen Gründen auf ihr Recht zur sportlich erreichten Teilnahme an der Aufstiegsrunde (was wirklich kein Wunder wäre), bleibt lediglich dem TV Emsdetten der Aufstiegs-Versuch. Nachrücker von Platz drei oder vier auf den zweiten Platz gibt es nicht.