20. Februar 2023 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es war einmal. Und früher war ganz bestimmt nicht alles besser. Das eine oder andere aber ganz bestimmt doch. Und das Folgende ganz sicher. Es lässt sich alles in diese Frage kleiden: Was ist bloß aus dem Deutschen Amateurpokal geworden? Und es lässt sich darauf nur diese eine Antwort geben: Der Zauber ist weg, fast nichts mehr ist übrig von jenem Reiz, den sich die Erfinder des Wettbewerbs als Verzahnung von Profi- und Amateur-Handball in den Ligen darunter eigentlich ausgedacht hatten. Eine jener Reisen, die noch heute im Rückblick für Gänsehaut-Gefühl sorgen, unternahm im Frühjahr 2016 die SG Langenfeld, die damals das erfolgreichste Jahr in ihrer Vereinsgeschichte erlebte. Mit jeder neuen Etappe musste sich das von Dennis Werkmeister trainierte Team etwas mehr kneifen, um aus dem Traum in die Realität zurückzukehren – was nur teilweise gelang, weil sich die Dinge irgendwann zu verselbstständigen begannen. Mit dem 33:30 am 20. Februar 2016 in der ersten Hauptrunde beim favorisierten Westfalen-Oberligisten TuS Spenge ging die Reise los – und mit dem 26:22 am 12. März 2016 bei der HSG Siebengebirge/Thomasberg aus der Oberliga Mittelrhein weiter. Es war aber erst der Anfang von etwas Einmaligem – eine Mischung aus Leidenschaft, stetig wachsendem Teamgeist, Begeisterung, Über-die-Grenzen-gehen und Lust auf das Unerwartete.
Bis heute vielleicht unerreicht war die Dienstreise zum Halbfinale am 26. März nach Thüringen zum HSV Apolda – wo ebenso herzliche wie herzhaft zupackende Gastgeber in einer urigen/randvollen Halle mit ein paar Zuschauerreihen auf einer Seite zusammen mit den Langenfeldern für einen denkwürdigen Handball-Nachmittag sorgten. Dass der verletzt zuschauende Keeper Tobias Hanke vor der Abfahrt bei der Produktion eines Bergs an belegten Brötchen als Reise-Proviant ebenso dabei war wie später in der Halle, mag rund sieben Jahre später wie ein Relikt aus Urzeiten gelten. Ob es das noch gibt? Sehr bestimmt gibt es für die Teilnehmer am Amateurpokal keinen abschließenden Höhepunkt mehr – keinen großen Auftritt in Hamburg, wo das Final Four der Profis bis 2022 über die Bühne ging, kein Staunen über eine Barclay-Card-Arena, kein Staunen über eine Lanxess-Arena, wo in Köln in gut zwei Monaten eine neue Final-Four-Ära beginnt.
Langenfeld gewinnt damals in Apolda mit 32:30 und hat es tatsächlich nach Hamburg geschafft. Dort trifft die SGL an diesem geschichtsträchtigen 1. Mai 2016 am späten Vormittag auf den HC Glauchau-Meerane aus Sachsen und geht dort tatsächlich auch den letzten Schritt: Das 29:25 vor offiziell 2866 Zuschauern versetzt Team, Trainer und Fans auf der Tribüne in einem emotionalen Ausnahmezustand – was sich so schnell nicht ändern wird. Weil um 15 Uhr das Finale der „Großen“ zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem SC Magdeburg auf dem Programm steht. Weil sich Profis und Amateure nie näher waren. Weil die Final-Teilnehmer selbstverständlich auf für sie reservierten Plätzen hautnah erleben konnten, was die mit vielen Weltklasse-Spielern ausgestatteten Flensburger und Magdeburger in echt drauf haben. Ganz am Rande: Es sind letztlich die Magdeburger, die sich rund drei Stunden nach den Langenfeldern durch ein 32:30 ebenfalls die Krone aufsetzen.
Was für die Ausgabe 2022/2023 aus dem Amateurpokal geworden ist, sieht traurig aus. Erstens: Wenigstens einige der Interessenten, die auf der Zielgeraden des Jahres 2022 den Pokalwettbewerb ihres Landesverbands gesichert hatten, wussten lange überhaupt nicht oder allerhöchstens schemenhaft, wie es weitergeht – und ob überhaupt: Erst mit dem Datumsstempel 13. Dezember 2022 gab es dann amtliche Durchführungsbestimmungen. Theoretisch hätte das Starterfeld aus 22 Landes-Pokalsiegern bestehen können, doch zunächst landeten nur extrem bescheidene sechs Meldungen auf dem Tisch der DHB-Verantwortlichen. Mitte Januar kam noch der TV Homburg (Saar), dessen verspätete Meldung (Meldeschluss grundsätzlich 23. Dezember) aufgrund des „verspäteten Zugangs der Ausschreibung“ ohne negative Folgen für den betroffenen Verein blieb. Weil das Interesse dennoch in einem ziemlich überschaubaren Rahmen lag, ging es im festgelegten Modus direkt in ein Viertelfinale – was bei einer ungeraden Zahl an Klubs die logische Konsequenz hat, dass es nur zu drei Paarungen kommt und entsprechend einer direkt weiter ist. Weiter heißt in diesem Fall: Es gibt ein Final Four für die Amateure. Nicht in Hamburg, auch nicht in Köln, wo nach dem Ortswechsel ab jetzt die Profis ihren Pokalsieger ermitteln. Die Amateure bleiben unter sich und einer von ihnen wird das Turnier sogar ausrichten. Die Durchführungsbestimmungen warteten da mit einer klaren Forderung auf: „Jeder Teilnehmer erklärt sich mit seiner Meldung einverstanden, dass er im Falle einer Teilnahme am Final Four das Turnier ausrichten würde. Hallenzeiten sind rechtzeitig zu reservieren. Der Ausrichter wird auf Vorschlag der Spielkommission 3. Liga durch den DHB-Vorstand bestimmt.“
Das Freilos fürs Viertelfinale ging an den HGW Hofweier und so nimmt der Klub aus dem Handball-Verband Südbaden am Final Four teil, ohne vorher eine einzige Partie im Amateurpokal absolviert zu haben. Die Klubs für die restlichen drei Spiele wurden vor allem unter geographischen Gesichtspunkten zusammengestellt. „Auf diesen Modus einigten sich die sieben teilnehmenden Mannschaften im Vorfeld mehrheitlich“, sagt der DHB. Damit war etwa eine Fahrt nach Thüringen oder Sachsen für Interaktiv.Handball oder den HC Gelpe/Strombach von vornherein ausgeschlossen – und damit gleichzeitig sehr unromantisch das oben erwähnte Herstellen belegter Brötchen oder das Beschaffen sonstiger Verpflegung überflüssig. In seinem Viertelfinale kann Interaktiv, das bei der „Auslosung“ das Heimrecht zog, nun am kommenden Sonntag (17 Uhr) ohnehin in eigener Halle gegen den TV Homburg aus dem Saarland antreten (dort Spitzenreiter der Oberliga), während Gelpe/Strombach bereits am Samstagabend um 19 Uhr den VfL Handball Menninghüffen (aktuell Elfter in der Oberliga) aus Westfalen erwartet. Logisch: Die beiden Vertreter vom Niederrhein und vom Mittelrhein, die aktuell als Kontrahenten in der Regionalliga Nordrhein die Plätze eins und drei belegen, streben Siege für den Einzug ins Final Four an – wo einer von ihnen im Fall der Fälle der mögliche Gastgeber wäre.
Das ist im Übrigen geblieben aus der Vergangenheit: Das Endturnier bietet – wie einst der alte Modus – die Chance, sich für die erste Hauptrunde des DHB-Pokals zu qualifizieren: Den Sprung dorthin erzielen beide Finalisten. Diese Fahrkarten sind das, was vom einstigen Reiz geblieben ist. Der restliche Zauber scheint für immer verloren zu sein, wenn nicht irgendjemand irgendwo an verantwortlicher Stelle oder sonstwo im Kreis der Beteiligten anregt, über alles recht bald intensiv nachzudenken. Reine Träumerei? Mag sein. Träumen ist aber erlaubt bis zwingend geboten, wenn aus dem Deutschen Amateurpokal wieder was werden soll – jene nahezu genial auserkorene Verbindung zwischen denen da „unten“ und denen da „oben“. So treffen sich aber die Profis am 15./16. April in Köln. Und die Amateure treffen sich am 3./4. Juni bei einem der Teilnehmer – drei Wochen nach dem Ende der Meisterschaft in der Regionalliga Nordrhein, zwei Wochen nach dem Sendeschluss im Saarland und nur eine Woche nach dem letzten Spieltag in Westfalen. Wo dann das Final Four stattfindet, wird sicher (oder nicht) ein bisschen vorher festgelegt sein. Wir bieten diese Wette an: Sollten sowohl Interaktiv als auch Gelpe/Strombach weiterkommen, wird der Sieger im Deutschen Amateur-Pokal hier in der Gegend ermittelt – wegen der inzwischen wohl beherrschenden geographischen Gesichtspunkte. Sollte es doch Thüringen oder Sachsen werden (einer von beiden wird es ja schaffen), könnten die Ratinger und die Gelper vielleicht eine Fahrgemeinschaft unter Regionalligisten bilden. Das würde Kosten sparen. Und der Deutsche Amateurpokal hätte ein Stück seines Zaubers wieder.