2. Bundesliga
Dormagen geht am Bodensee baden
TSV Bayer verliert beim Vorletzten HSG Konstanz nach einem guten Start die Linie und später das Spiel verdient mit 28:31.

Blick zurück im Zorn? Regisseur Ian Hüter und seine Dormagener konnten jedenfalls aus Konstanz nichts Gutes mit nach Hause nehmen. (Foto: Thomas Schmidt)

HSG Konstanz – TSV Bayer Dormagen 31:28 (15:12). Es war diese Szene in der 54. Minute, die einen größeren Teil des gesamten Dormagener Dilemmas zusammenfasste. Und sie bewies, warum die Mannschaft von Trainer Matthias Flohr gar nicht gewinnen konnte. Ian Hüter, der Regisseur, rannte beim Stande von 23:29 bei einem schnellen Gegenstoß frei auf das Tor der Hausherren zu – und scheiterte am Konstanzer Keeper Moritz Ebert, der an diesem Abend für die Gäste nicht nur in dieser Szene ein Buch mit sieben Siegeln blieb. Weil der TSV Bayer insgesamt viele zu viele Fehlwürfe und Fehlwürfe sonstiger Art einstreute, ging er am Bodensee auch verdient leer aus. Dass es auf der Zielgeraden wie aus dem Nichts noch einmal etwas spannender wurde, lag vor allen Dingen auch an der sich immer mehr ausbreitenden Hektik bei der HSG – die den Sieg jedoch über die Zeit brachte und so einen Durststrecke von zuvor zehn Partien hintereinander ohne einen Erfolg beendete. Krisen-Beseitigungshelfer Dormagen, mit einem 24:22 beim HC Empor Rostock ins neue Jahr gestartet, verlor nach dem 30:33 gegen den TV Großwallstadt und dem 30:35 beim Dessau-Roßlauer HV zum dritten Mal hintereinander und wird nun für noch längere Zeit mit einem negativen Konto leben müssen: Rang 14 und die 16:24 Zähler bedeuten gleichzeitig, dass der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz auf fünf Punkte geschrumpft ist. Jenen Platz 17 nehmen jetzt im Übrigen die Konstanzer (11:31) ein, die trotzdem einen fast glücklichen Eindruck machten, weil sie in der Verbesserung um eine Position und mehr Kontakt zum rettenden Ufer mit Recht einen echten Lichtblick sahen. Der wiederum ließ sich auf Dormagener Seite nicht wirklich erkennen.

Im ersten Viertel der Partie deutete kaum etwas darauf hin, dass Flohrs Team später derart unter Druck geraten könnte. Mit dem Blitzstart zum 3:0 (3.) als Mischung aus einer zupackenden Abwehr und höchster Geschwindigkeit im Spiel nach vorne schien der TSV seinen Gegner irgendwie zu lähmen – in einer Partie, die beide Seiten und besonders die Dormagener zunehmend mit Ballverlusten und nicht konsequent abgeschlossenen Angriffen bestückten. Übers 5:4 (10.), 7:4 (12.) und 8:5 (14.) blieben die Gäste trotzdem klar bestimmend, weil sie nahezu jede Situation nutzten, um schnell bis schneller nach vorne zu kommen. Nachdem die HSG auf 7:8 (17.) verkürzt und Dormagen anschließend mehr als drei Minuten gar nicht mehr getroffen hatte, nahm Flohr eine Auszeit (20.), um die sich anbahnende Wende zu stoppen – was in einem eher überschaubaren Maß gelang. Mit dem 9:7 (21.) von Jan Reimer begann vielmehr jene Phase auf der Zielgeraden der ersten Halbzeit, in denen Konstanz durch seinen Willen und seine Leidenschaft das Heft durch vier Tore in Folge in die Hand nahm – 9:9 (22.), 11:9 (26.). Dass der TSV das 10:14 (28.) bis zur Pause auf 12:15 (30.) begrenzen konnte, ließ ihm immerhin etwas Hoffnung für den zweiten Durchgang – in dem Jan Reimer und Sören Steinhaus sogar auf 13:15 (32.) und 14:15 (33.) verkürzten.

Bis zum 16:17 (35.) und 17:18 (38.) blieben die Dormagener tatsächlich dran, ehe ihnen der Abend innerhalb von nicht einmal sieben Minuten endgültig entglitt – 17:20 (39.), 18:20 (40.), 18:24 (44.). Übers 27:21 (50.) und 29:23 (51.) bog Konstanz auf eine vermeintlich ruhige Zielgerade ein und beim 30:34 (56.) lag die HSG unverändert deutlich vorne. Die Hausherren, längst sehr nervös geworden, scheiterten nun allerdings vermehrt an Gäste-Keeper Martin Juzbasic und beim Stande von 26:30 (57.) griff Flohr zum letzten Mittel – offene Manndeckung. Bis auf 28:30 (59.) kam seine Mannschaft in allgemeiner Hektik heran, ehe Aron Czako mit dem 31:28 (60.) für die Entscheidung zugunsten der HSG sorgte. Bayers Coach erwies sich hinterher natürlich trotz aller Enttäuschung als ehrlicher/fairer Verlierer: „Am Ende ist es Run and gun. Das kann gut gehen, wäre aber nicht verdient gewesen.“ Einiges Kopfzerbrechen bereitete ihm allerdings die Frage, wie sein Team nach dem guten Auftakt derart vom Kurs abkommen konnte. „Wir starten super mit einem geilen Tempospiel. Alles klappt so, wie wir uns das vorstellen“, sagt Flohr, „ich kann es mir selber gerade nicht erklären, wie wir dann derart den Kopf verlieren.“ Bayer fand oft keine guten Lösungen mehr – zum Beispiel weder gegen die sehr offensive 3:3-Deckung der Hausherren noch gegen die plötzlich mal eingestreute defensivere 6:0-Variante. In Verbindung mit der deutlich zu hohen Fehlerquote war der Weg in die Niederlage beim Abstiegskandidaten praktisch programmiert.

Besonders viel Zeit, sich vom herben Rückschlag zu erholen, bleibt nicht: Bereits am Samstagabend steht die Partie gegen die Wölfe Würzburg auf dem Programm. Normalerweise müsste Dormagen im Duell mit dem Tabellenletzten (8:30 Punkte) als Favorit gelten, obwohl die Wölfe das Jahr 2023 mit einem 32:27 über den TV Großwallstadt und einem 28:24 gegen den HC Elbflorenz Dresden begannen. Was auf der anderen Seite gegen Würzburg spricht: Die für den vergangenen Freitag vorgesehene Partie bei TuSEM Essen musste wegen zu vieler Krankheitsfälle im Team verlegt werden und am Mittwochabend gab es eine schmerzhafte 28:34-Pleite gegen den ebenfalls um den Klassenerhalt kämpfenden VfL Lübeck-Schwartau (Platz 15/15:25). Im Grunde ist alles sehr einfach: Dormagen muss zwei Punkte holen. Sonst droht der Weg durch die lange Saison mit immerhin 16 weiteren Spielen richtig ungemütlich zu werden.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Reuland (2), Meuser (4), Senden, Klimpke (1), Zurga (2), Rehfus (2), I. Hüter (3), Reimer (6), Grgic, P. Hüter (1), Sterba (3/1), J.-C. Schmidt, Seesing (1), Steinhaus (3).