Regionalliga Nordrhein
Brandheiße Ratinger und lauernde Korschenbroicher
Spitzenreiter Interaktiv macht es bisweilen knapp, gewinnt aber meistens. Der TVK kann weiter nur hoffen und eigene Aufgaben lösen. Hinten spielt auch der Drittligist TuS 82 Opladen eine Rolle.

Abgeschoben: Mats Wolf (rechts) und seine Korschenbroicher können aus eigener Kraft nicht mehr auf Platz eins kommen. Dazu brauchen sie sogar auf eine besondere Art die Unterstützung durch den Spitzenreiter Interaktiv – die ihnen Ante Grbavac (Nummer 5) und seine Ratinger aber nicht zu bieten gedenken. (Foto: Thomas Ellmann)

Der Spitzenreiter Interaktiv.Handball spielte irgendwie mit dem Feuer, bekam den Brand aber noch einmal gelöscht. Schon wieder. Wie zum Saison-Auftakt am 2. September 2022 mit dem 25:24 beim TV Korschenbroich und zum Rückrunden-Beginn am 14. Januar mit dem 30:29 gegen den TVK, seinen einzigen echten und dafür umso hartnäckigeren Konkurrenten im Kampf um den Aufstieg in die 3. Liga. Lichterloh brannte es aber noch bei ein paar anderen Gelegenheiten, als eher niemand so richtig damit rechnen musste – wie am 17. September 2022 mit dem 33:32 bei der TSV Bonn rrh., wie am 18. Dezember 2022 mit dem 31:31 gegen die HG Remscheid, wie am 28. Januar mit dem 36:36 gegen die HG Remscheid oder wie am vergangenen Samstag mit dem 38:37 gegen Bonn. Auch in allen diesen Partien konnte die Mannschaft des Trainergespanns Filip Lazarov/Alexander Oelze jeweils drohende Niederlagen abwenden – was ganz offensichtlich eine besondere Qualität des prominent bestückten Kaders ist. Als Oberbrandmeister tut sich in diesem Zusammenhang oft der vor der Saison vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen gekommene Rückraumspieler Ante Grbavac hervor, dessen persönliche Bilanz nach offizieller Verbands-Statistik inzwischen bei 133 Treffern aus 18 Spielen steht (Durchschnitt 7,39 pro Partie) und ihn zur klaren Nummer eins der Regionalliga-Torjäger macht. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits-Rechnung gilt allerdings, dass die mit 34:2 Punkten auf Platz eins geführten Ratinger ein Feuer irgendwann nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Ob das noch in der laufenden Serie passiert, ist eine andere Frage – die in erster Linie die mit 32:4 Zählern auf dem zweiten Platz stehenden Korschenbroicher sehr interessiert.

Die Tragik des TVK besteht aus zwei Teilen. Erstens hat die Mannschaft von Trainer Gilbert Lansen außer den beiden Duellen mit Interaktiv keine einzige andere Partie verloren und zweitens deutlich öfter richtig klar gewonnen. Darüber hinaus wird sich der Tabellenzweite am Ende wenig dafür kaufen können, dass er längst über das viel bessere Torverhältnis verfügt (plus 117 zu plus 63), weil es darauf wegen des verlorenen direkten Vergleichs gar nicht ankommt. Was den Korschenbroichern vor allem bleibt: Sie müssen dringend alle sich im Weg stehenden Hausaufgaben bearbeiten – und das erfolgreich. Dazu gehört unter anderem ein Sieg am Samstag bei der SG Langenfeld (Siebter/19:19), die im neuen Jahr viel vom Schwung aus 2022 verloren, nur 4:8 Punkte eingesammelt und so den Platz im vorderen Drittel eingebüßt hat. Wahrscheinlich ein Vorteil für Lansen und sein Team: Sie wissen beim Anpfiff sehr genau, welche Aufgabe ihnen die Ratinger mitgegeben haben, denn Interaktiv eröffnet den 23. Spieltag bereits am Freitagabend gegen den Bergischen HC II (Elfter/12:26). Damit wissen die Korschenbroicher gleichzeitig, ob der Tabellenführer möglicherweise einen souveränen Sieg gelandet hat, ob er erneut seine Brandbekämpfer-Qualitäten brauchte – oder ob er sogar gestolpert ist. Für Letzteres spricht jedoch nicht gar so viel.

Der BHC wäre zurzeit als Elfter mit 12:26 Punkten gerettet – was er unter anderem dem besseren Torverhältnis (minus 21/minus 48) und dem eventuell noch wichtig werdenden direkten Vergleich (27:27/36:31) mit dem ansonsten ebenfalls bei 12:26 Zählern geführten Zwölften MTV Rheinwacht Dinslaken zu verdanken hat. Ansonsten stehen auf dem Konto der von massiven personellen Problemen geplagten Solinger, denen unter anderem das Fehlen des Langzeit-Verletzten Kristian Nippes schwer zu schaffen macht, erst insgesamt fünf Siege. Drei davon hatte der Aufsteiger bereits nach sechs Spieltagen, als 7:5 Punkte auf eine ruhige Saison hindeuteten. Es folgten aber acht Partien ohne Sieg (1:15 Punkte), ehe Ende Januar das 34:24 in Neuss die Talfahrt stoppte und nach zwei weiteren Niederlagen Ende Februar das nicht weniger wichtige 36:31 gegen die Dinslakener hinzukam. Dass der BHC mit seinen derzeitigen Möglichkeiten diese Ratinger zu überraschen vermag? Nicht unmöglich, aber auch nicht wahrscheinlich. An Leidenschaft und Hingabe wird es Bernaus Team trotz allem wieder nicht fehlen.

Im Grunde bildet der BHC II zurzeit mit ein paar anderen ohnehin so etwas wie eine Gemeinschaft der Leidenden. Wer dort Mitglied sein will, braucht im Grunde nur eine einzige zentrale Voraussetzung mitzubringen: Er hat ein ausgewiesener Fan des Drittligisten TuS 82 Opladen zu sein, dessen Wohlergehen gerade ungefähr einem Drittel aller Regionalligisten am Herzen liegen muss. Das hat damit zu tun, dass die Zahl der Absteiger aus der 3. Liga in den Bereich der Regionalliga Nordrhein darüber entscheidet, wer von dort den Gang in die Oberliga Niederrhein anzutreten hat. Aus der Gruppe Süd/West der 3. Liga wäre der VfL Gummersbach II zu berücksichtigen, der allerdings inzwischen fest einen Platz am rettenden Ufer in der Tasche hat. Aus der Gruppe West, zu der auch die HSG Krefeld Niederrhein (Zweiter), die Bergischen Panther (Dritter), der Longericher SC (Vierter) und der seit einiger Zeit ebenfalls gesicherte TV Aldekerk (Siebter) gehören, bleiben als Wackelkandidat vor dem Endspurt lediglich die Opladener übrig – die auf dem zehnten Platz zumindest theoretisch gefährdet sind. Und weil der TuS 82, wie fast die gesamte 3. Liga West, am kommenden Wochenende pausiert (nur Nachholspiele), bleibt den gefährdeten Regionalligisten wenigstens diesmal wieder bloß der Griff zur Selbsthilfe. Kurze Formel: Halten die Opladener die 3. Liga, erwischt es lediglich einen einzigen Regionalligisten – der im Neusser HV zudem festzustehen scheint.

Ganz unten wirft der NHV mit seinem Trainer Julian Fanenbruck regelmäßig Leidenschaft und Lust am Handball in die Waagschale – und geht doch überwiegend leer aus. „Bestes“ Beispiel war das vergangene Wochenende, das den Neussern in Dinslaken nach einer 25:23-Führung in der 58. Minute letztlich doch nur ein 25:25 brachte und den ohnehin festen letzten Rang zusätzlich in Beton einsperrte. Bei 4:34 Zählern liegt der NHV sieben Punkte hinter dem HC Weiden (11:25) sowie jeweils acht hinter Dinslaken und dem BHC II (jeweils 12:26). Angesichts der bisherigen Ergebnisse und des Restprogramms lässt sich dieser Rückstand nicht mehr aufholen – es sei denn, die Neusser vollbringen durch Siege am Samstag gegen die HSG Refrath/Hand (Achter), am 18. März bei Interaktiv.Handball (Erster), am 25. März gegen die HG Remscheid (Vierter), am 1. April beim TV Korschenbroich (Erster), am 22. April gegen den HC Weiden (Rang 13), am 29. April bei der TSV Bonn rrh. (Zehnter) und am 13. Mai beim OSC Rheinhausen (Fünfter) durch sieben Siege hintereinander ein Wunder. Weniger darf es nicht sein. Die Wahrheit für die Neusser ist eher, dass diese Serie nicht passieren – und stattdessen der Abstieg in die Oberliga bereits vor der Osterpause besiegelt sein wird.