Regionalliga Nordrhein
Ratinger Blamage, Korschenbroicher Mühsal
Titelkandidaten tun sich schwer - Interaktiv beim 32:32 gegen Neuss, TVK beim 34:29 gegen Essen II. Weiden und Bonn punkten für den Klassenerhalt.

Was ist denn hier los? Interaktiv-Trainer Filip Lazarov (rechts) konnte jedenfalls mit seiner Mannschaft (links Ante Grbavac) sehr erleichtert sein, gegen Neuss mit 1,95 blauen Augen davongekommen zu sein. (Foto: Thomas Ellmann)

Interaktiv.Handball – Neusser HV 32:32 (17:13). Das Ergebnis ist für sich genommen die Sensation des Jahres in der Regionalliga und für den Tabellenführer Interaktiv eine Blamage, während die bis an die Grenzen ihrer Kräfte kämpfenden Neusser sehr eindrucksvoll nachweisen konnten, dass sie sich nicht aufgegeben haben und das auch weiter nicht tun wollen – obwohl die Chancen auf den Klassenerhalt für den Letzten bei jetzt 5:37 Zählern weiter gegen null gehen. Ob der erstaunliche Punktverlust dem Spitzenreiter irgendwann noch richtig große Probleme bereiten wird, muss sich trotzdem erst herausstellen: Mit ihren 37:3 Punkten liegen die weiter ungeschlagenen Ratinger unverändert vor dem TV Korschenbroich (36:4), doch den „Freischuss“ ist Interaktiv jetzt zumindest vorerst los. Bisher hatte der Spitzenreiter zwei Zähler mehr und das Plus im bei Punktgleichheit entscheidenden direkten Vergleich mit dem TVK (25:24/30:29) auf seiner Seite – aber jetzt eben nicht mehr. Am Ende konnte Interaktiv sogar froh darüber sein, dass es gegen die plötzlich mit 31:30 führenden Neusser überhaupt zu einem Unentschieden reichte. Dann glich der spielende Co-Trainer Alexander Oelze zum 31:31 (58.) für die Hausherren aus, die durch das 32:31 von Dusan Maric genau 13 Sekunden vor dem Ende wieder mal das Glück auf ihre Seite zu ziehen schienen. Daniel Küpper Ventura sorgte jedoch mit dem letzten Angriff dafür, dass Neuss zum 32:32 ausglich und hier den Lohn für einen aufopferungsvollen Kampf in der Schlussphase mitnehmen konnte. 

Im Grunde lief die Partie mit den Angehörigen aus zwei verschiedenen Welten zunächst in etwa wie erwartet. Neuss, das vor mehr als einem halben Jahr im September 2022 seinen bisher einzigen Saisonsieg erzielt hatte, wehrte sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und die Ratinger, die im Laufe der Serie noch kein einziges Mal verloren haben, schienen hin und wieder nur das Nötigste an Reserven zu investieren – darauf vertrauend, dass sie natürlich über die besseren personellen Möglichkeiten sowie deutlich mehr Erfahrung verfügen. Nach dem frühen 0:1 (2.) bekam Interaktiv den Abend auch besser in den Griff und es zog vom 6:6 (11.) mit dem 9:6 (13.), 12:8 (19.) oder 17:11 (28.) klarer weg. Bis weit in die zweite Halbzeit hinein schien Ratingen die Partie anschließend über die Bühne schaukeln zu können – 24:18 (39.), 26:22 (47.), 28:24 (49.), 30:26 (52.). Womit sicher niemand gerechnet hatte und am wenigstens die Gastgeber: Neuss, das bereits wie der Verlierer aussah, startete ein tolles Comeback und legte einen 5:0-Lauf hin – mit dem 31:30 (57.) von Justin Kauwetter als Krönung.

Der Rest war anschließend ein echtes Drama, in der sich die Neusser später viel eher wie der Sieger fühlen durften, obwohl sie praktisch keine Hoffnung mehr haben, dem Abstieg in die Oberliga Niederrhein zu entgehen. Einzige Möglichkeit: Sie schaffen ein Wunder. So ähnlich wie diesmal mit dem Unentschieden in Ratingen, das NHV-Trainer Fanenbruck in der Summe als echten Mutmacher sah: „Der Punkt fühlt sich mindestens wie zwei an, gerade nach diesem Rückstand in der zweiten Halbzeit. Das war eine riesengroße Mentalität heute von jedem einzelnen, der da war. Wir haben in der ersten Halbzeit schon neun Fehlwürfe und fünf Ballverluste und sind da phasenweise ein bisschen sehr respektvoll. Am Ende verbaut uns das vielleicht ein bisschen die Chance auf mehr. Aber in der zweiten Halbzeit noch mal so ein Feuerwerk abzuliefern und es zu schaffen, positiv zu bleiben, Spaß zu haben am Handball und selbst die erfahrenen Spieler bei Ratingen zu Fehlern zu zwingen, war super. Ratingen hat tatsächlich noch mal den Kopf aus der Schlinge gezogen – aber nicht den kompletten Kopf. Von daher fühlt sich das sehr, sehr, sehr gut an. Das war eine absolut geile Mentalität der Mannschaft heute.“

Interaktiv.Handball: Büttner, Ludorf – Grbavac (6/3), Markotic (1), Perschke, Stock (4), Korbmacher (8), Oelze (1), Maric (5), Engh (4), Wasse (1), Nuic (2), Poschacher.

Neusser HV: Wiese (1), Gilliam – Menze, Rosendahl (1), Khimilevskyi, Murawski (2), Küpper Ventura (5), Zwarg (7/4), Merten (3), Franz (6), Bauer (1), Kauwetter (6), Brockmann.

 

TV Korschenbroich – TuSEM Essen II 34:29 (15:17). Die von Ausfällen geplagte und durch Spieler aus der A-Jugend personell aufgestockten Essener verpassten es am Ende, sich für ihre eigentlich willensstarke Leistung zu belohnen. Obwohl bis drei Minuten vor Schluss selbst ein Überraschungssieg der Gäste durchaus möglich war, behielt letztlich der um den Aufstieg kämpfende TVK die Oberhand und robbte sich durch den Sieg mit jetzt 36:4 Zählern sogar ein Stück an den Spitzenreiter Interaktiv.Handball (37:3) heran, der gegen den Letzten Neusser HV nicht über ein 32:32 hinauskam – was bedeutet, dass der Kampf um den Aufstieg in die 3. Liga ein Stück spannender geworden ist. Essen (22:22) wird seine restlichen vier Partien vom sechsten Platz aus in Angriff nehmen.

TuSEM legte bis zum 9:7 (15.) in der ersten Halbzeit permanent vor, bevor der TVK das 12:15 (27.) auf 14:15 (29.) und das 14:17 (30.) zum 15:17 (30.) verkürzte. Auch nach dem Wechsel antwortete aber TuSEM zunächst auf jeden Versuch der Hausherren, die erst mit dem 24:23 (46.) mal wieder selbst die Führung übernahmen. „Es war kein schönes Spiel beider Mannschaften. Wir machen viele technische Fehler und schlagen uns am Ende selbst“, fand Essens Co-Trainer Lars Francke. Bis zum 29:29 (57.) blieb die Partie ein verbissen geführtes Duell auf Augenhöhe, aber in der entscheidenden Phase war Korschenbroich zur Stelle – mit drei Treffern hintereinander und dem 32:29 (60.) eine Minute vor der Schluss-Sirene. Die späten Tore von Maximilian Tobae und Keeper Felix Krüger zum zu deutlichen 34:29 waren dann nur für die Statistik wichtig.

TV Korschenbroich: Schoolmeesters, Krüger (1) – Schiffmann (3), Bark (1), Klinnert (4/3), Eugler (1), Klause (2), Ingenpaß (3), Brinkhues, Zidorn (4), Wolf (8), Tobae (4), Neven (1), Brakelmann (2).

TuSEM Essen II: Haberkamp, Solbach Domingo – Petersen, Ernst (1), Peterson (1), Daamen (3), Elsässer (4), Engels, Körber, Roth, M. Stumpf (5/2), L. Buschhaus (5/3), Telohe (6), Wolfram (4).

 

TSV Bonn rrh. – OSC Rheinhausen 25:24 (14:13). Der Sieg war für die Bonner vor allen Dingen ein Produkt des Willens. Und das Team von Trainer Frank Berblinger hat nun mehr Sicherheit im Kampf um den Klassenerhalt – weil es definitiv keinen einzigen Nordrhein-Absteiger aus der 3. Liga gibt und damit nur einen Absteiger aus der Regionalliga in die Oberliga Niederrhein. Da der Letzte Neusser HV (5:37) selbst bei einer maximalen Ausbeute von zehn Zählern aus seinen restlichen fünf Partien höchstens auf 15:37 Punkte kommen kann und die TSV jetzt als Zehnter bei 16:24 steht, wird sie eine Position am rettenden Ufer behalten. Entsprechend erleichtert zeigte sich Berblinger: „Der erste große Druck ist weg.“ Trotzdem will Bonn in den restlichen Spielen noch möglichst gute Leistungen zeigen und nicht etwa die Serie austrudeln lassen. Rheinhausen (25:19) geht als Vierter in den Saisonendspurt.

Das 8:8 (20.) und 12:12 (27.) ließen schon auf eine denkbar enge Partei schließen. Nach der Halbzeit schaffte es Bonn, sich vom 14:13 (30.) durch drei Treffer hintereinander mit dem 17:13 (32.) eine klarere Führung herauszuarbeiten – und machte es wieder spannend. „Durch einfache technische Fehler haben wir in der Phase verpasst, den Sack zuzumachen“, stellte Berblinger fest. Nach dem 20:20 (45.) und einer Auszeit zogen die Hausherren mit dem 23:20 (50.) und 25:22 (57.) erneut weg, was letztlich die Basis für den Erfolg war – neben einer entscheidenden Parade durch den gut aufgelegten Torhüter René Krouß, als der OSC auf 23:25 (58.) und 24:25 (59.) verkürzt hatte.

TSV Bonn rrh.: Meißenburg, Krouß – Krohn (3), Schöneseiffen (2), Röhrig (3), Bullerjahn (3), Weikl (4), Heitkötter, Benninghoff-Lühl, Wilhelms, Terehov, Bohrmann (6/3), Struif (2), Rohloff (2).

OSC Rheinhausen: Seemann, Borchert – Bekston, Y. Kamp (4), Wetteborn, Kaiser, Büttner (5), Ranftler (7/5), M. Molsner (5), Käsler (2), Hrustic (1).

HC Weiden – SG Langenfeld 26:25 (14:10). Weiden erarbeitete sich durch den Sieg im Krimi zwei wertvolle Punkte im Kampf gegen den Abstieg – in dem es jetzt tatsächlich nur einen erwischt, weil aus der 3. Liga nach dem feststehenden Klassenerhalt des zuletzt noch nicht ganz geretteten TuS 82 Opladen kein einziger Klub aus dem Gebiet Nordrhein in die Regionalliga runterkommt. Erwischen wird es höchstwahrscheinlich den Letzten Neusser HV (5:37 Punkte), aber die Weidener müssen theoretisch noch etwas aufpassen: Auf Rang elf sind sie mit ihren 13:27 Zählern noch nicht ganz durch. HC-Trainer Marc Schlingensief wirkte trotzdem sehr erleichtert: „Der Sieg war unheimlich wichtig nach den sechs Niederlagen. Er zeigt, welche Moral meine Mannschaft hat, Hut ab davor. Aber eigentlich dürfen wir uns bei 19:14 nicht mehr so in Bedrängnis bringen. Hier muss ich mir auch an die eigene Nase packen und ich hätte früher eingreifen müssen. Ich bin sehr stolz auf die Jungs. Wir gewinnen glücklich, aber aufgrund des Spielverlaufes verdient.“

Nach einem ausgeglichenen Beginn mit dem 5:5 (14.) setzten sich die Weidener erstmals ab – 9:6 (22.). Aus dem 12:10 (27.) machte der HC dann erst das 13:10 (28.) und 14:10 (30.), doch in der zweiten Halbzeit kam die SGL nach dem 19:14 (41.) der Hausherren zurück ins Spiel – 20:20 (51,), 22:22 (52.). Langenfeld übernahm nun sogar die Führung und schien beim 24:21 (57.) dreieinhalb Minuten vor dem Ende sogar auf dem Weg zur kompletten Wende zu sein. Was entscheidend für Weidens Comeback war: Die Hausherren gaben nicht auf und mit dem 24:24 (59.) war wieder alles offen, ehe sich nach dem 25:24 (60.) für Weiden die Ereignisse überschlugen. Zunächst mussten beide Seiten 13 Sekunden vor Schluss eine Rote Karte hinnehmen – gegen Nils Raschke (SGL/dritte Zeitstrafe) und gegen Jonas Scheidtweiler (HC). Anschließend glich Aron Winter für Langenfeld zum 25:25 aus – vier Sekunden vor dem Ende. Den entscheidenden Treffer auf den allerletzten Drücker schilderte Schlingensief so: „Torwart Tobias Bayer und Timo Wolff reagieren blitzschnell und Wolff kann noch den Treffer auf das verwaiste Tor machen, der Ball ging vom Innenpfosten rein.“

HC Weiden: Bayer, Tombach – Wolff (4), Meurer (5/3), Beckers, Scheidtweiler (4), Eich (1), Flossbach (4), Boesel (1), Fiedler (1), Bergerhausen (4/1), Micke (2), Eissa.

SG Langenfeld: Faust, Hüttel – Pötzsch (1), Guggenmos (2), Preissegger, Schulz (3), Winter (5/2), Richartz (3), Gohly (4), Baup, Hüttel, Raschke (4), Lajnef (3), Wellershaus.