2. Bundesliga
Essens Scheunentor und Dormagens gelbe Warnlampe
TuSEM scheitert beim 30:38 in Dessau-Roßlau ungewohnt an seiner Abwehrschwäche. TSV Bayer hält in Eisenach erneut gut mit - und verliert beim 22:27 doch wieder.

Das war nichts: Trainer Michael Hegemann und seine Essener trieben mit der Dienstreise nach Sachsen-Anhalt einen hohen Aufwand, erzielten aber nur einen sehr bescheidenen Ertrag. (Foto: Herbert Mölleken)

Dessau-Roßlauer HV – TuSEM Essen 38:30 (20:17). Falls denn im Moment bei den Essenern etwas beständig ist, dann ist es ihr sehr offensichtlicher Hang zur Unbeständigkeit. Das Team von Trainer Michael Hegemann beginnt das Kalenderjahr 2022 mit einem mühseligen 23:22 über den VfL Bad Schwartau und verliert anschließend mit 25:28 beim HC Empor Rostock. Es folgen das auf seine Art rekordverdächtige 17:17 gegen die HSG Nordhorn-Lingen und die 24:29-Niederlage bei der SG BBM Bietigheim. Dann überrascht Essen mit dem 28:24 über den damaligen Zweiten ThSV Eisenach (inzwischen Dritter). Und jetzt? An diesem Mittwochabend in Sachsen-Anhalt? TuSEM wird sich selbst ziemlich untreu und wirft zwar für seine Verhältnisse relativ viele Tore, fängt sich aber so viele Gegentreffer ein wie noch nie in dieser Saison. „38 Gegentore zu kassieren, ist natürlich nicht unsere Art von Handball“, sagte Hegemann, „da haben wir es nicht geschafft, unser Spiel durchzubringen. Insgesamt haben wir die Deckung nicht so stabil gekriegt, wie wir uns das gewünscht haben.“ Während Essen trotz der am Ende deutlichen Pleite weiter Neunter und ein Teil des breiten Mittelfeldes ist (23:23 Punkte), hat Dessau-Roßlau als Vierter (34:16) tatsächlich unverändert den zweiten Tabellenplatz in Sichtweite (TuS N-Lübbecke/37:13), der wie Rang eins zum Aufstieg in die Bundesliga berechtigt. Auf jenem ersten Platz hält sich seit einiger Zeit der HBW Balingen-Weilstetten (40:8), gegen den die Essener am Sonntag ihre nächste Aufgabe zu bestreiten haben. „Jetzt gilt es für uns, dass wir uns schnellstmöglich schütteln und Balingen einen guten Kampf liefern“, findet Hegemann. Dass der Plan gelingt, würde irgendwie zu den Essenern passen.

Die Partie in Dessau-Roßlau begann für die Gäste denkbar schlecht, weil Linkshänder Alexander Schoss beim Stande von 2:2 in der vierten Minute den angreifenden Timo Löser beim Abwehrversuch erkennbar unbeabsichtigt im Gesicht traf und dafür trotzdem direkt die Rote Karte sah – eine Entscheidung, die so nicht für jeden nachvollziehbar und auf jeden Fall sehr hart war. Nach dem 6:6 (10.) überahm mit dem 7:6 (10.) und 10:8 (15.) trotzdem wieder die Führung, aber Dessau drehte das 11:10 (17.) für TuSEM durch einen 4:0-Lauf zum eigenen 14:11 (21.) und lag ab da immer vorne. Hegemanns Team konnte das 15:20 (29.) auf der Zielgeraden der ersten Halbzeit zwar zum 17:20 (30.) verkürzen und etwas Hoffnung mit in den zweiten Durchgang nehmen, scheiterte aber und das nicht zuletzt an sich selbst – unter anderem deshalb, weil nach dem schnellen 20:21-Anschluss (34.) vieles zu ungenau lief und viele Angriffe ungenutzt blieben.

Um nach dem 20:25 (40.) beim Stande von 24:27 (43.) alles für eine Wende zu probieren, setzte Essen den siebten Feldspieler ein – mit dem Risiko, bei Ballverlusten Würfe ins leere Tor hinnehmen zu müssen. Und TuSEM brachte wirklich das Kunststück fertig, innerhalb von weniger als drei Minuten dreimal das Spielgerät für schnelle Gegenstöße herzuschenken – 24:28 (43.), 24:29 (44.), 24:30 (45.). Kurz darauf erhöhten die Hausherren sogar auf 31:24 (46.) und für den Rest der Partie ging es für die Gäste  höchstens um Schadensbegrenzung, was ihnen letztlich allenfalls teilweise gelang. Dass nach dem frühen aus von Linkshänder Schoss überwiegend Rechtshänder den rechten Rückraum bestücken mussten, taugt dabei maximal als Teil-Erklärung. Bei den Essenern ist momentan einfach nichts so beständig ist wie ihr sehr offensichtlicher Hang zur Unbeständigkeit.

TuSEM Essen: Fuchs, Diedrich – Rozman (3), Wolfram (1), Dangers (3), Homscheid (4/3), Eißing (2), Szczesny (5), Buschhaus, Müller (1), Seidel, Morante Maldonado (4), Klingler (1), Mast (1), Werschkull (5), Schoss.

ThSV Eisenach – TSV Bayer Dormagen 27:22 (11:11). Der Trend stimmt nicht bei den Dormagenern und eins der großen Probleme ist, dass sich die Geschichten zu oft wiederholen – wie drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit belegen. Erstens: Am 4. März hält das Team von Trainer Matthias Flohr beim VfL Potsdam lange mit, kommt noch beim 32:34 in der 56. Minute für etwas Zählbares in Frage, verliert aber mit 33:38. Zweitens: am 17. März haben die Dormagener gegen den Tabellenführer HBW Balingen-Weilstetten beim Stande von 20:20 in der 51. Minute die Chance zur großen Überraschung, verlieren jedoch auf der Zielgeraden unter anderem aufgrund nicht genutzter Chancen sowohl den Anschluss als auch die Übersicht und die Kontrolle – 24:29. Drittens: An diesem Mittwochabend bringen sie die favorisierten Gastgeber vor allen Dingen in der ersten Halbzeit in größte Not und scheinen bis zum 15:15 (40.) durch Jan Reimer erneut in der Lage zu sein, etwas Zählbares einzufahren. In der Realität rennen die Dormagener anschließend allerdings eher hinterher. Einziger Unterschied diesmal: Der TSV Bayer ist schon geschlagen, bevor es in die entscheidende Phase der Partie geht, in der Eisenach seinen Vorsprung fast verwalten kann. Unter dem Strich kann es für Flohr und sein Team kein echter Trost sein, dass es nun Niederlagen in Folge beim Sechsten (Potsdam), gegen den Ersten (Balingen) und beim Dritten (Eisenach) aus dem oberen Tabellendrittel gab, weil eben in der Summe mehr drin gewesen wäre als null Punkte. Und inzwischen muss im Sportcenter wenigstens eine gelbe Warnlampe aufleuchten: Dormagen ist mit 18:30 Punkten auf Rang 15 abgerutscht. Das bedeutet wohl noch keine ganz direkte Gefahr, doch der VfL Eintracht Hagen (16:32) und die HSG Konstanz (14:36), die als 16. den ersten der drei Abstiegsplätze einnimmt, sind durchaus keine Lichtjahre entfernt. Das macht die bevorstehende Aufgabe des TSV Bayer am Samstag gegen die SG BBM Bietigheim (Siebter/30:20) nicht eben einfacher.

Flohrs Mannschaft begann in Eisenach überzeugend und sie stellte eine kompromisslos Abwehr hin, obwohl der erkrankte Kapitän Patrick Hüter erneut fehlte und auch Linkshänder André Meuser nicht zur Verfügung stand – was sich besonders vorne auswirkte, weil der Rückraum überwiegend nur aus Rechtshändern bestand. Übers 6:3 (9.) und 8:5 (16.) war das Angriffsspiel der Hausherren durch zupackende Dormagener bis zum 11:7 (26.) praktisch lahmgelegt, ehe die letzten fünf Minuten der ersten Halbzeit vor allem einige Fehler und einen 4:0-Lauf zum 11:11-Ausgleich (30.) des ThSV erzeugten, der den zweiten Durchgang mit dem 12:11 (31.) eröffnete. Dormagen antwortete mit dem 13:12 (34.), ehe es beim 14:14 (38.) und 15:15 (40.) noch zweimal ausglich – und mit dem 15:18 (43.) schnell vom Kurs abkam. Nach dem 16:18 (45.) brachten weitere fünf Minuten ohne eigenen Treffer in einer erneut schwierigen Mischung aus technischen Fehlern und ungenutzten Chancen zunächst das 16:20 (47.) und lediglich beim 21:23 (56.) kam der TSV wieder bis auf zwei Tore heran. Die sehr humorlosen Antworten der Eisenacher zum 24:21 (57.), 25:21 (59.) und 26:21 (59.) beseitigten dann letzte kleine Zweifel daran, wer die Platte als Gewinner verlassen würde.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Broy – Reuland, Senden (1), Sondermann (1), Klimpke, Zurga (4), Rehfus, I. Hüter, Reimer (4/3), Pauli, Grgic (5), Träger, Sterba, J.-C. Schmidt (4), Steinhaus (3).