2. Bundesliga
Dormagener Durchbruch und Essener Einbruch
TSV Bayer beseitigt mit 27:20 in Coburg manche Sorgen im Kampf um den Klassenerhalt. TuSEM kassiert beim 35:41 in N-Lübbecke nach der Pause 23 Gegentreffer.

Zwei Stützpfeiler: Torhüter Martin Juzbasic steigerte sich in Coburg zu seiner besten Leistung in diesem Jahr. Und Regisseur Ian Hüter schien das alles gewusst zu haben. (Foto: Thomas Schmidt)

HSC Coburg – TSV Bayer Dormagen 20:27 (8:14). Ian Hüter ist ja nicht von ungefähr der Kapitän der US-National-Mannschaft und einer der wesentlichen Führungsspieler der Dormagener. Sein Wort hat Gewicht. Und vor dem Spiel in Coburg hatte der Regisseur im Hallen-Interview nicht nur eine vage Ahnung, sondern erstens konkrete Vorstellungen und zweitens auch eine Menge Zuversicht: „Wir haben zuletzt unsere Chancen nicht genutzt, das wollen wir besser machen. Wir haben das klare Ziel, hier zwei Punkte mitzunehmen. Wir haben gezeigt, dass wir guten Handball spielen können. Wir haben gut trainiert und wir sind sehr selbstbewusst.“ Das war auf jeden Fall mal eine mutige Ansage nach den vier Niederlagen hintereinander beim Siebten VfL Potsdam (33:38), gegen den Spitzenreiter HBW Balingen-Weilstetten (24:29), beim Dritten ThSV Eisenach (22:27) und zuletzt gegen den Siebten SG BBM Bietigheim (32:34). Zu viel versprochen hatte Hüter damit allerdings nicht – und durch den in jeder Beziehung verdienten Sieg könnte der Mannschaft von Trainer Matthias Flohr für den weiteren Saisonverlauf sogar eine Art Befreiungsschlag gelungen sein. Mit 20:32 Punkten hat sich der TSV Bayer mehr Luft nach unten verschafft – und er führt nun auf Rang14 ein gleichauf liegendes Trio an, zu dem noch der VfL Eintracht Hagen und der HC Elbflorenz Dresden gehören. Die HSG Konstanz (14:40), die auf Rang 17 den ersten der drei Abstiegsplätze einnimmt, liegt bei einer Partie mehr acht Zähler zurück – was den Dormagenern zumindest für den Augenblick deutlich mehr Ruhe gibt.

Der Erfolg beim Zwölften Coburg (23:31), der seine vierte Niederlage hintereinander hinnehmen musste, war unter dem Strich weniger das Produkt eines plötzlich sehr effektiv arbeitenden Dormagener Angriffs – der jetzt nach 26 Partien bei 697 Toren steht. Das ergibt im Mittel genau 26,80 Treffer pro Spiel, sodass die Ausbeute des TSV Bayer beim HSC fast genau seinem eigenen offensiven Durchschnitt entsprach. Basis für den wertvollen Sieg war vielmehr die herausragend und leidenschaftlich arbeitende Abwehr: Mit jeder Minute wirkten die Hausherren genervter, weil eigentlich immer ein Dormagener zur Stelle war, um die Aktionen zu stören und Angriffe zu unterbinden. Dahinter stand außerdem in Martin Juzbasic ein Keeper, der seinem Team durch viele gute Paraden immer wieder Sicherheit gab und in der offiziellen HBL-Statistik einen Wert von 36,67 Prozent an gehaltenen Würfen erreichte. Für Juzbasic war es der drittbeste Wert in dieser Saison sowie der stärkste im Jahr 2023 und mit den nur 20 Gegentreffern stellte Dormagen auch deshalb einen defensiven internen Rekord auf. Die alte Bestmarke stammt vom 17. September 2022, als der TSV Bayer gegen die hinter ihm liegende HSG Konstanz mit 25:22 gewann.

Gegen den Hüterschen Optimismus gerieten die Gäste mit 1:2 (2.) in Rückstand, ehe sie mit dem 3:2 (4.) und 4:3 (5.) selbst vorlegten. Nach dem 4:4 (6.) schien sich wieder wenig Gutes anzudeuten, weil zuerst Jan Reimer beim Siebenmeter scheiterte (7.), dann Jakub Sterba einen technischen Fehler produzierte (8.), Coburg das 5:4 (11.) vorlegte und Ian Hüter kurz darauf Pech hatte mit einem Wurf an den Pfosten (12.). Die Szenen wirkten in der Summe allerdings eher wie das noch fehlende Signal, die Dinge jetzt um so entschlossener in die Hand zu nehmen – was die Dormagener mit einem 6:0-Lauf zum 10:5 (21.) auch konsequent in die Tat umsetzten. Das 14:8 (30.) am Ende der ersten Hälfte war in dieser Form zwar überraschend, ging allerdings in Ordnung. Und nachher wackelten die Gäste nicht mehr erkennbar, obwohl Coburg auf drei oder vier Tore herankam – 15:11 (34.), 17:14 (39.). Übers 20:14 (42.), 22:16 (48.) und 24:18 (55.) strebte Flohrs Team erstaunlich abgeklärt einem wertvollen Erfolg entgegen.

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Reuland (4/2), Meuser (3), Senden (2), Klimpke, Zurga, I. Hüter (1), Reimer, Grgic (5), P. Hüter (1), Sterba (4). J.-C. Schmidt, Seesing (5), Steinhaus (2).

TuS N-Lübbecke – TuSEM Essen 41:35 (18:16). Das muss man auch erst jemandem erklären. Da erzielt eine Mannschaft, die in der 2. Bundesliga mit vorher durchschnittlich knapp 26 Gegentoren pro Spiel zu den defensiv stärksten gehört, beim Tabellenzweiten 35 Treffer und damit einen neuen eigenen Saison-Bestwert – und verliert trotzdem deutlich. Dieselbe Mannschaft hatte vor einer Woche gegen den Spitzenreiter HBW Balingen-Weilstetten gerade einmal 21 Gegentore zugelassen, fand jetzt in Lübbecke allerdings so gut wie nie den richtigen Zugriff auf die Hausherren. Deswegen war die Pleite am Ende auch vollkommen verdient. Das sah TuSEM-Coach Michael Hegemann ähnlich: „Ich denke, es war ein Spiel mit viel Tempo drin von beiden Seiten. Letztendlich haben wir heute unsere Abwehrqualität nicht so einbringen können, wie man das von uns gewohnt sein kann. Dementsprechend muss man von einem verdienten Sieg für den TuS N-Lübbecke sprechen.“ So richtig kommen die Essener jedenfalls nicht vom Fleck und sie stehen mit jetzt 24:26 Zählern auf Platz elf im echten Tabellen-Niemandsland.

Die Hausherren legten das 2:0 vor (5.), bevor Markus Dangers den ersten Treffer für TuSEM erzielte – 1:2 (5.). Der Kreisläufer war es auch, der wenig später zum 5:4 für Essen traf (10.). Was wohl von den offiziell 1382 Zuschauern keiner ahnte: Es war die erste und einzige Gäste-Führung an diesem Abend. Über das 5:7 (14.) lief Hegemanns Team einem Rückstand hinterher. Gut funktionierte dabei das Überzahl-Spiel und so machte TuSEM nach einer Zeitstrafe gegen Lübbecke aus dem 7:10 (18.) das 10:10 (20.). Ärgerlich für die Essener waren dann vor allem die letzten eineinhalb Minuten vor der Pause. Nach dem 16:16 (29.) hatten die Gäste durchaus die Chance, wieder in Führung zu gehen. Stattdessen setzte es erst das 16:17 (30.) und – weil der letzte Angriff wiederum von der TuS-Abwehr abgefangen wurde – per Gegenstoß mit der Halbzeit-Sirene sogar das 16:18.
Direkt nach dem Wiederanpfiff hieß es 16:19 (31.) und Essen lief dem Drei-Tore-Rückstand zunächst wieder hinterher. Die vielleicht entscheidende Szene des Abends spielte sich fünf Minuten später ab, als Dennis Szczesny den Lübbecker Marek Nissen bei einer Abwehr-Aktion im Gesicht traf. Die Unparteiischen zeigten die harte, aber vertretbare Rote Karte gegen Szczesny (36.), der dem TuSEM mit seiner Erfahrung fortan vorne wie hinten fehlte. Vom 20:23 an ging es anschließend schnell zum 21:26 (38.) und 22:29 (43.). Die Essener fanden keine wirklichen Mittel und die Hausherren immer wieder die passende Antwort. Finley Werschkull (49./51.) und Eloy Morante Maldonado (50.) verkürzten durch eine Dreier-Serie noch auf 29:33, bevor der TuS mit einer Auszeit reagierte und über das 37:31 (55.) in der Schussphase keine Mühe mehr hatte, den Erfolg sicher nach Hause zu bringen.

TuSEM Essen: Fuchs, Bliß, Diedrich – Rozman (3), Reidegeld, Wolfram (2), Dangers (5), Homscheid (7/5), Szczesny (2), Müller (1), Seidel, Morante Maldonado (5), Klingler (4), Mast (3), Werschkull (3).