1. Bundesliga
Selbst Magdeburg staunt über diesen BHC
Mannschaft von Trainer Jamal Naji spielt eine brillante erste Halbzeit und macht insgesamt beim 34:38 gegen den Deutschen Meister viel richtig.

Störmanöver: Noah Beyer (rechts) und die Abwehr des BHC gaben tatsächlich alles gegen Magdeburgs auf jeder Position richtig stark besetzten Angriff. Den Niederländer Kay Smits (links), der 14 Tore erzielte, konnten sie aber oft nicht aufhalten. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – SC Magdeburg 34:38 (17:16). Welche 34 Tore mehr wert sind? Die von jenem 2. März, die der BHC gegen den mit allen Mitteln um den Klassenerhalt kämpfenden TSV GWD Minden erzielte? Oder die von diesem Donnerstagabend, die das Team von Trainer Jamal Naji im Kasten des Deutschen Meisters SC Magdeburg unterbrachte? Klar: Zwei wichtige Punkte gab es durchs 34:32 im Duell mit Minden (Vorletzter/9:37 Punkte). Sportlich wertvoller war allerdings sicher der große Kampf, den der Außenseiter jetzt dem Titelverteidiger aus der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt lieferte – und das nur vier Tage nach dem 28:37-Debakel bei FrischAuf Göppingen (Rang 14/17:35). Noch lieber hätten Naji und seine Spieler statt der hohen Anerkennung für ihre über weite Strecken starke Leistung allerdings auch jetzt etwas Zählbares behalten, was im Übrigen zumindest bis kurz nach der Pause nicht unmöglich war. Ein dickes Lob kam deshalb selbst vom Gegner. „Der BHC macht das in der ersten Halbzeit überragend. Glückwunsch zu dieser Leistung und dafür, was sie uns für Aufgaben gegeben haben“, fand Trainer Bennet Wiegert, dessen Anspannung sich in manchen einfach nur nervigen Permanent-Diskussionen mit den Unparteiischen zeigte. Kollege Naji wirkte fast aufgeräumt, weil sich der BHC eben ganz anders als in Göppingen und eben von seiner besten Seite zeigte: „Ich bin sehr zufrieden mit unserem Auftritt. Wenn wir diese Leistung konservieren können, werden wir in dieser Saison noch einen der Großen schlagen.“

Dazu gibt es demnächst drei weitere Gelegenheiten – und die erste kommt am 7. Mai ausgerechnet in Magdeburg (aktuell Dritter/40:10 Punkte). Die zweite und die dritte Chance folgen am 32. und 33. Spieltag, die die HBL bisher nicht final terminiert hat, gegen den THW Kiel (Zweiter/40:8) und bei den Rhein-Neckar Löwen (Fünfter/37:13). Weiter geht es aber schon am nächsten (Oster-) Sonntag mit einer nicht weniger schwierigen Aufgabe, denn der BHC tritt (erneut in der Mitsubishi-Electric-Halle in Düsseldorf) gegen den HSV Hamburg an – und hat dann als Achter sicher den Anspruch, das Konto von 24:26 Punkten auf ausgeglichene 26:26 aufzustocken. An den Hamburgern (Siebter/26:22) vorbei wird es nicht gehen, aber darum, aus der unverändert guten Situation neuen und nötigen Schwung für die restlichen neun Aufgaben zu ziehen. Was der HSV mit Trainer Torsten Jansen ebenfalls zu leisten vermag, wies er erst vor Kurzem mit dem 35:32 bei den Löwen nach. Im dichten Mittelfeld von Rang acht bis Platz 13 könnte in der Summe sowieso jeder einzelne Zähler mit darüber entscheiden, ob der BHC am Ende auf dem angestrebten einstelligen Rang über die Ziellinie geht.

Eine der wichtigsten Aufgaben, die Naji dem BHC mit auf die Platte gegeben hatte: Magdeburgs Isländer Gisli Kristjansson möge so gut wie keinen Stich bekommen. Die oft von Linus Arnesson übernommene Aufgabe, sich intensiv um den SC-Rückraumspieler zu kümmern, funktionierte nahezu perfekt, weil der Magdeburger Rückraumspieler, in der laufenden Serie unverändert der beste Werfer des Meisters, nur auf für seine Verhältnisse bescheidene zwei Tore kam. Was für Trainer Naji keine riesengroße Überraschung war: Magdeburg hatte natürlich die eine oder andere Lösung auf Lager. Erstens trumpfte immer wieder der zuletzt mehr und mehr in den Vordergrund gerückte Niederländer Kay Smits auf und mit 14 Toren (sechs per Siebenmeter) war er offensiv der herausragende Akteur an diesem Abend. Zweitens fand der nach einer Knieverletzung noch nicht besonders lange wieder einsatzfähige Däne Michael Damgaard regelmäßig für den BHC schmerzhafte Lösungen, die ihm unter dem Strich zehn Treffer ermöglichten – und zwar genau dann, wenn sie seiner Mannschaft am meisten halfen. Eine herausragende Ausbeute auf Seiten der Hausherren erzielte dafür Neuzugang Elias Scholtes, der aus der Jugend der Rhein-Neckar Löwen stammt und erst vor ein paar Wochen zu Najis Kader gestoßen ist. Der 19-Jährige stand nach starken Trainingseindrücken zum ersten Mal in der Startformation und stellte durch seine großartige Leistung im rechten Rückraum und seine neun Tore ein Versprechen für die Zukunft auf.

Magdeburg sah sich von Beginn an leidenschaftlich kämpfenden Hausherren gegenüber, die sich auf ein atemberaubendes Duell einließen, das auch SC-Coach Wiegert ins Staunen brachte: „Beide Mannschaften haben Highspeed-Handball gezeigt.“ Das tat der BHC derart überzeugend, dass er unter anderem das 0:1 (2.) durch den Smits-Siebenmeter unbeeindruckt wegsteckte, mit dem 6:5 (8.) zum ersten Mal selbst führte und bis zum 10:9 (14.) vorne blieb. Mit dem 12:11 (19.) und 13:12 (20.) lagen erneut die Gäste vorne, ehe Najis Mannschaft den Abend wiederum drehte und einen knappen Vorsprung in die Halbzeit transportieren konnte – 14:13 (23.), 16:15 (28.), 17:16 (29.). Danach waren es vor allem einige Minuten des zweiten Durchgangs, in denen Magdeburg seinen Kopf aus der Schlinge zog – unter anderem, weil der BHC in dieser Phase doch den einen oder anderen Fehler zu viel einbaute und die eine oder andere Gelegenheit ausließ. Das 18:20 (35.) glichen Linus Arnesson (36.) und Noah Beyer (36.) innerhalb von wenigen Sekunden zum 20:20 aus – und mit dem 21:20 (37.) von Scholten brachte der Außenseiter den Favoriten erneut ins Grübeln. Der Meister reagierte nun allerdings so, wie es ein Spitzenteam meist zu tun pflegt, und er nutzte dabei die Ungenauigkeiten des BHC mit einem 4:o-Lauf zum 24:21 (40.) radikal aus.

Übers 27:23 (43.), 29:25 (46.) oder 33:29 (50.) lag Magdeburg bis zum 34:30 (55.) und 36:32 (57.) regelmäßig mit vier Treffern vorne, sodass der Erfolg auf der Zielgeraden nicht mehr ernsthaft in Gefahr geriet. Für den BHC sprach dabei sehr eindeutig, dass er sich zu keinem Zeitpunkt aufgab oder resigniert aussah – im Gegenteil. So ließ sich das spätere Durchatmen der prominenten Gäste durchaus nachvollziehen. „Ich bin einfach erleichtert, dass wir hier bestanden haben“, fand Wiegert. Erleichtert waren sie auch beim BHC, denn die Pleite von Göppingen scheint doch eher ein Ausrutscher gewesen zu sein. Deshalb brauchte sich keiner beim Verlierer für irgendetwas zu schämen und die diesmal erzielten 34 Treffer waren selbst ohne Punkte eine Menge wert.

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (7), Persson (4), Scholtes (9), Nothdurft, Weck (2), Ladefoged (2), Babak (1), Szücs, Gutbrod, Schmitz, Arnesson (7/2), Nikolaisen (1), M’Bgenue, Stutzke (1).