1. Bundesliga
Brillanter BHC und grandiose Gummersbacher
Team von Trainer Jamal Naji bezwingt Hamburg mit 37:34. VfL besteht Reifetest bei den Rhein-Neckar Löwen und bringt einen 42:37-Sieg mit.

So geht das! Torhüter Peter Johannesson war zu den richtigen Zeitpunkten mit guten Aktionen zur Stelle – und so einer der Eckpfeiler für den Sieg des BHC. (Foto: Michael Jäger)

Bergischer HC – HSV Hamburg 37:34 (15:19). Vielleicht hatten die Hamburger schon frühzeitig den Deckel auf die Partie gemacht. Und vielleicht hatte der BHC gleichzeitig erkannt, dass sowieso nichts mehr zu verlieren war, weil vieles längst verloren zu sein schien. Am Ende herrschte dann jedenfalls auf beiden Seiten so etwas wie Fassungslosigkeit – mit leeren, ungläubig wirkenden Gesichtern bei den Gästen und mit nachvollziehbar euphorisierten Hausherren, die nur drei Tage nach dem spektakulären 34:38 im Nachholspiel gegen den Deutschen Meister SC Magdeburg auch an diesem Sonntag für beste Unterhaltung sorgten – nun aber mit einem verdienten Happy End, das sich auch in der Tabelle auf sehr angenehme Art bemerkbar machte: Die führt das Team von Trainer Jamal Naji mit inzwischen 26:26 Punkten auf dem achten Platz und der BHC hat fast zum HSV (Siebter/26:24) aufgeschlossen, mit dem er zusammen praktisch die Spitze eines breiten Mittelfeldes bildet. Die Basis für die herausfordernden Aufgaben in den nächsten Wochen am 22. April beim TBV Lemgo-Lippe (Rang 13/13:31 Punkte) und am 4. Mai gegen den SC DHfK Leipzig (Zwölfter/24:28) sowie erst recht am 7. Mai in Magdeburg (Dritter/41:11) und am 14. Mai gegen die Füchse Berlin (Zweiter/41:9) könnte schlechter sein.

Nach einer bereits intensiv geführten Anfangsphase auf Augenhöhe und einer 5:4-Führung (8.) verlor der BHC den Zugriff, weil Hamburg immer wieder um Tempo bemüht war und viele sich bietende Chancen nutzte – anders als die Hausherren, die hier auch regelmäßig am ehemaligen Nationalkeeper Johannes Bitter im Kasten der Hamburger scheiterten. Beim Stande von 6:9 (13.) sah sich Naji deshalb früh zu einer ersten Auszeit gezwungen, um den Lauf der Gäste zu unterbrechen. Das Ergebnis fiel jedoch zunächst sehr übersichtlich aus, zumal die Abwehr hin und wieder ungewohnt nachlässig wirkte und vorne ein Fehler nach dem anderen passierte. Kurz vor der Pause drohte dem BHC der Nachmittag sogar völlig zu entgleiten – 10:13 (20.), 11:15 (24.), 13:18 (29.), 14:19 (30.). Das 15:19 (30.) durch Tomas Babak wirkte anschließend eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein, sollte aber bald wichtig werden und am Ende nichts weniger als der Startschuss für die komplette Wende sein, an die Hamburg zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht den geringsten Gedanken verschwendete. Erste Aktion nach der Pause: HSV-Spielmacher Leif Tissier verlor das Spielgerät – und weg war die Gelegenheit, erneut auf fünf Tore wegzuziehen.

Die folgenden drei Minuten und 24 Sekunden gingen maßgeblich auf das Konto von Torhüter Peter Johannesson, der sich mit zwei wertvollen Paraden zeigte. Linus Arnesson hatte gerade auf 16:19 (32.) verkürzt, ehe die erste Johannesson-Aktion den Gegenstoß von Isak Persson über die rechte Seite zum 17:19 (33.) ermöglichte. Und wenig später passierte dasselbe über die linke Seite mit dem 18:19 (35.) von Noah Beyer. Übers 21:21 (38.) lag der BHC mit dem 22:21 (39.) von Frederik Ladefoged zum ersten Mal wieder vorne und die Hamburger Auszeit direkt anschließend war vor allem ein Ausdruck reiner Verzweiflung. Das 22:22 (40.) des HSV pulverisierte der BHC, indem er nach dem 24:23 (41.) durch einen 3:0-Lauf innerhalb von 180 Sekunden auf 27:23 (44.) erhöhte und selbst im Anschluss ans 27:26 (48.) die Übersicht behielt. Es war letztlich die bei aller Leidenschaft erkennbare Ruhe der Handelnden, die den Unterschied machte und in der zweiten Halbzeit die Wende einleitete.

Sie war zu verdanken dem Spielwitz von Tomas Babak, der den Treffer von Noah Beyer zum 28:26 (48.) vorbereitete, der Disziplin von Djibril M’Bengue, der immer etwas mit dem Ball anzufangen wusste und auf 29:26 (52.) erhöhte, und den späten Treffern des zunächst nur wenig eingesetzten Alexander Weck zum 32:28 (55.) und 33:29 (56.). Noch ein Beleg für den ausgeprägt guten Teamgeist der Hausherren: Csaba Szücs sah offensichtlich kein Problem darin, erst ganz zum Schluss auf die Platte zu kommen – als der BHC in der Abwehrmitte seine Dienste brauchte, weil Frederik Ladefeoged nach der dritten Zeitstrafe das Feld mit der Roten Karte hatte verlassen müssen (55.). In der Summe fielen damit viele Puzzleteile an den richtigen Platz – und der Versuch des HSV, noch über eine sehr offene Deckung auf den letzten Drücker schnelle Ballgewinne zu generieren, ging nahezu zwangsläufig ins Leere. Der Rest der Partie hatte was von Parteiball, was allerdings nichts daran änderte, dass der BHC hier ebenfalls ausreichend viele Lösungen fand und in manchen Situationen geschickt Zeit von der Uhr nahm.

Beide Trainer brauchten hinterher nicht viele Worte, um ihre Sicht der Dinge darzulegen – wobei HSV-Coach Jansen wirkte, als hätte er in eine verdorbene und deshalb besonders saure Zitrone gebissen. „Wir haben eine ordentliche erste Halbzeit gespielt und waren dann für zehn bis zwölf Minuten im Tiefschlaf. Wir haben einen Konter nach dem anderen kassiert, wir haben vorne viele Fehler gemacht und wir hatten gar keinen Rückzug. Wenn du dem Gegner so die Hand reichst, brauchst du dich am Ende nicht zu wundern, wenn du verlierst.“ Kollege Naji sah das, mit einer anderen Blickrichtung, ganz ähnlich. „Wir haben es in den ersten zehn bis zwölf Minuten der zweiten Halbzeit geschafft, uns in einen Rausch zu spielen“, fand der BHC-Coach, „daraus haben wir Selbstbewusstsein gezogen. Wir haben mit hoher Effektivität abgeschlossen und eine gute Torhüterleistung dazubekommen. Dann kommt ein solches Ergebnis zustande.“

Bergischer HC: Rudeck, Johannesson – Beyer (5), Persson (6), Scholtes (3), Schönningsen, Nothdurft, Weck (4), Gunnarsson, Ladefoged (8), Babak (4), Szücs, Gutbrod, Arnesson (5/2), Nikolaisen, M’Bgenue (2).

Rhein-Neckar Löwen – VfL Gummersbach 37:42 (18:24). Im Oberbergischen werben sie ja seit Saisonbeginn damit, dass sie als „jüngstes Team der Liga“ in der höchsten deutschen Spielklasse antreten. Und über 40 Minuten lieferte der VfL dafür in der Mannheimer SAP-Arena auch ziemlich eindrucksvoll den Beweis. Die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson zeigte alles, was man von einem jungen Team erwarten darf: Reichlich Tempo, ein großes Maß erfrischender Unbekümmertheit – und schließlich eine ganze Menge an Fehlern. Die Geschichte wäre wohl rund gewesen, wenn die Gäste ihre zwischenzeitliche Sieben-Tore-Führung (30./24:17) nach einer couragierten ersten Hälfte in der zweiten Halbzeit vor über 11500 Zuschauern tatsächlich noch verspielt hätten. Doch im Laufe des zweiten Durchgangs machte Sigurdssons Team dann einen großen Schritt, um erwachsen zu werden. Auf den 34:35-Anschlusstreffer durch Albin Lagergren (53.) fanden Ellidi Vidarsson und Lukas Blohme innerhalb von Sekunden die richtige Antwort – 37:34 (54.). Auch gegen eine immer offensivere Löwen-Deckung behielten die Gummersbacher in der Schlussphase die Nerven und spätestens nach Blohmes 40:35 (58.) hatte der VfL eine Reifeprüfung der besonderen Art abgelegt.

Die Partie begann mit dem Tempo eines Schnellzugs und bis zum 4:1 (3.) für die Gäste hatte allein Blohme schon drei Mal getroffen. Über das 6:2 (4.) behielt Gummersbach immer die Nase vorne – was neben zahlreichen Fehlern bei den Hausherren an Tibor Ivanisevic im VfL-Kasten lag. Der Keeper parierte gerade in der Anfangsphase einige freie Bälle und kompensierte dadurch einige Unsauberkeiten seiner Vorderleute. Den nächsten Härtetest ereilte die Oberbergischen dann beim Stande von 13:9: Tilen Kodrin sah nach einem Ellbogentreffer gegen Juri Knorr eine harte, aber vertretbare Rote Karte (14.). Weil Hakon Styrmisson ohnehin verletzt fehlte, war von jetzt an Paul Ohl auf der Position Linksaußen auf sich allein gestellt. Der 20-Jährige meisterte die Aufgabe allerdings nach kurzer Anlaufzeit stark und steuerte bis zum Ende vier Treffer bei.

Applaus, Applaus! Trainer Gudjon Valur Sigurdsson (vorne rechts) zeigte sich immer wieder von dem angetan, was seine Gummersbacher bei den Rhein-Neckar Löwen zeigten. Auch Finn Schroven (Nummer 10), Co-Trainer Anel Mahmutefendic, Lukas Blohme (8/verdeckt) und Tom Jansen (hinten rechts) waren ziemlich begeistert. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Auch sonst ließ sich der VfL von dem Platzverweis gegen Kodrin nicht beeindrucken, sondern er erhöhte auf 16:11 (19.), 20:14 (27.) und 22:15 (28.). In die Kategorie „besonders wertvoll“ fiel dabei das 19:14 durch Julian Köster nach einem doppelten Kempa-Anspiel (26.). Manch einer mag den 24:18-Pausenstand für die Gäste für einen Schreibfehler auf der Anzeigetafel gehalten haben. Dass die Hausherren um Coach Sebastian Hinze sich in der zweiten Halbzeit nicht kampflos ergeben würden, dürfte allerdings in der VfL-Kabine klar gewesen sein. Die Löwen kamen tatsächlich mit Volldampf aus der Pause und verkürzten durch vier Treffer in Serie zum 22:24 (34.). Sigurdsson reagierte direkt mit einer Auszeit, die tatsächlich wieder mehr Ordnung brachte. Tom Jansen (34.), Blohme (35.) und Ohl (36.) stoppten die Aufholjagd der Hausherren mit dem 27:22. Und in der Folge fanden die Gummersbacher immer wieder die passende Antwort: Die Löwen kamen auf 26:28 heran (44.), Ole Pregler (44./45.) und Köster (45.) legten das 31:26 nach.

In der Schlussphase ließ sich der Aufsteiger ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen. Und als es nach dem Anschlusstreffer der Löwen durch Lagergren doch noch einmal heikel wurde, konnten sich die Oberbergischen wieder auf Ivanisevic im Tor verlassen. Der VfL-Torhüter kam in der offiziellen Statistik auf insgesamt 16 Paraden und eine Quote von 30,77 Prozent an gehaltenen Würfen – und er war damit maßgeblich am vollkommen verdienten Sieg der Gummersbacher beteiligt. Der Serbe, der mit seinen 32 Jahren eher zu den Erfahrenen in Sigurdssons Team gehört, gab das Lob für die starke Vorstellung nach dem Spiel direkt an seine zumeist jüngeren Kollegen weiter: „Ich bin sehr stolz, zu sehen, dass wir von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel wachsen. Es ist sehr schwer, hier zu gewinnen – das war ein großer Sieg für uns.“ Für die Löwen bedeutete die vierte Niederlage in Folge das Ende aller Meisterschaftsträume und Hinzes Team steht nun bei 37:15 Punkten klar hinter dem THW Kiel, den Füchsen Berlin (beide 41:9), dem SC Magdeburg (41:11) und der SG Flensburg-Handewitt (39:11). Gummersbach kletterte dagegen auf Platz zehn und hat bei 24:28 Zählern die obere Tabellenhälfte im Blick. Der Sprung dahin könnte am 23. April gelingen – dann kommt die abstiegsgefährdete HSG Wetzlar (16./13:39) in die Schwalbe-Arena.

VfL Gummersbach: Norsten, Ivanisevic – Ohl (4), Vidarsson (8), Kodrin (2), Köster (8), Blohme (8), Schroven (2), Häseler, Schluroff (1), Pregler (5), Kiesler (1), Stüber, Jansen (3), Zeman.